Chris Kühn (2. v. li., Grüne), Brigitte Dahlbender (BUND) und Hannes Rockenbauch (2. v. re., SÖS) vom Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 präsentieren die Plakate zur Volksabstimmung. Klicken Sie sich durch weitere Plakate. Quelle: Unbekannt

In Stuttgart hängen bald 2100 Plakate für und gegen S 21 – Erste Fälle von Zerstörungswut.

Stuttgart - Mit großflächiger Plakatierung hat am Mittwoch in Stuttgart die heiße Phase vor der Volksabstimmung begonnen. Argumente für und wider das Bahnprojekt S21 rücken in den Hintergrund - die Kampagnen sind emotional und zielen auf eine hohe Wahlbeteiligung.

"Ja zum Ausstieg aus dem Milliardenloch S21", heißt es auf einem Plakat. Auf einem anderen Plakat steht: "Weiter ärgern oder fertig bauen?" Mit solchen Sprüchen haben Gegner und Befürworter von Stuttgart21 gut drei Wochen vor der Volksabstimmung zu Stuttgart21 die heiße Phase im Ringen um die Zustimmung oder Ablehnung der Bürger eröffnet.

An den roten, gelben und lilafarbenen Plakaten entlang der Bundesstraßen, an Brücken, großen Kreuzungen und den Zufahrtsstraßen in Wohngebiete kommt bald keiner mehr vorbei. "Wir haben 1600 Plakate geordert und werden alle bis Ende der Woche aufgehängt haben", sagt Gerhard Pfeifer, Regionalgeschäftsführer beim Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), der die Kampagne der Gegner im Stadtgebiet leitet.

Erste Meldungen über Zerstörungen

"Wir haben bereits am Wochenende begonnen, in Stuttgart 570 Plakate aufzustellen", sagt Christian Binder, stellvertretender Vorsitzender der IG Bürger für Baden-Württemberg, welche die Kampagne der Befürworter in Stuttgart koordiniert.

Das Amt für öffentliche Ordnung hat bisher fünf Gruppierungen das Aufstellen von Plakaten gestattet. Die Pappschilder im Format üblicher Wahlwerbung dürfen den Straßenverkehr nicht beeinträchtigen - ansonsten gelten für die Plätze zum Hängen oder Aufstellen der Plakate keinerlei städtische Auflagen. Anträge für genehmigungspflichtige Großflächenplakate liegen bisher entgegen der Ankündigung beider Lager nur für zwei Stück vor, teilt das Ordnungsamt mit. "Bei der Absprache der Standorte gab es keine Probleme", heißt es im Amt.

Dafür gibt es am Mittwoch erste Meldungen über Zerstörungen: An der Pischekstraße im Stuttgarter Osten sind nach Polizeiangaben "eine ganze Reihe" von BUND-Plakaten zerschnitten worden. Auch in Botnang soll es Beschädigungen gegeben haben, berichtet BUND-Geschäftsführer Pfeifer. "Auch Plakate unserer Befürwortergruppen sind schon kaputt gemacht worden", klagt IG-Leiter Binder.

"Respekt im Umgang mit dem Gegner"

Plakate kaputt zu machen, widerspreche dem Recht zur freien Meinungsäußerung, sei schlecht und zu verurteilen, sagt Binder. Das sieht die Konkurrenz ähnlich: "Ich bitte beide Seiten ausdrücklich um Fairness und Respekt im Umgang mit dem Gegner", sagt SÖS-Stadtrat Hannes Rockenbauch vom Aktionsbündnis gegen S21. Beide Seiten investierten hier auch "viel Idealismus".

Inhaltlich geben die Plakate freilich nicht viel her. Die bereits erreichte Intensität der Debatte um Stuttgart21 wird in den Kampagnen nicht mehr annähernd erreicht. Einzig die Aussagen zu den möglichen Ausstiegskosten sind konkret - liegen aber inhaltlich so weit auseinander, dass es dem Bürger schwer fallen dürfte, sich daraus ein klares Bild zu machen und zu entscheiden, ob er für Ja oder für Nein zum Ausstiegsgesetz stimmt - also gegen oder für S21. Die Bündnisse der Gegner und Befürworter betonten freilich, dass es nun vor allem darauf ankomme, die Bürger zu einer hohen Beteiligung an der Abstimmung zu bewegen. Damit die Volksabstimmung das Ausstiegsgesetz in Kraft setzt, müssten rund 2,5 Millionen Bürger für das Gesetz stimmen.

"Wir wollen die schweigende Mehrheit der Bürger für Stuttgart21 an die Urnen bringen", hatte Bernhard Meier, Ex-Landrat von Böblingen und Geschäftsführer des Vereins Pro S21, vorige Woche auf den Fildern zum Auftakt der landesweiten Befürworterkampagne als Losung ausgegeben. Dafür werde man allein 250.000 Euro für Plakate ausgeben, so Maier.

S21-Gegner "flächendeckend" vertreten

Am Mittwoch folgten die Projektgegner von den Grünen, BUND und SÖS mit ihrem Startschuss zur landesweiten Kampagne in Stuttgart. Bisher stehen 300.000 Euro zur Verfügung. "Wir würden den Betrag gerne verdoppeln und glauben auch, dass wir das erreichen", sagte Rockenbauch. Allein über einen Aufruf im Internet sei die Finanzierung von 200 Großplakaten gelungen, sagte er. Außerdem sei man mit rund 40 örtlichen Bündnissen "flächendeckend" in Baden-Württemberg vertreten, so Rockenbauch.

Bei Plakaten wollen es die Kontrahenten nicht belassen. Die Pro-S-21-Werber wollen mit Infoständen in der Stadtmitte Präsenz zeigen und außerdem alle Haushalte einmal mit Infomaterial versorgen. Die Gegner wollen auf den kommenden Wochenmärkten in allen Stadtteilen auftreten. Daneben soll die 100.Auflage der sogenannten Montagsdemonstration eine Woche sowie eine Großveranstaltung einen Tag vor der Volksabstimmung für Aufsehen sorgen.

"In den letzten ein, zwei Wochen vor der Abstimmung wird das Interesse nochmals schlagartig und erheblich zunehmen", erwartet BUND-Geschäftsführer Pfeifer. Damit rechnet auch die Befürworterseite.