In der S-Bahn geht es bisweilen eng zu. Deshalb soll es mehr Fahrten geben. Foto: Max Kovalenko

Die Regionalpolitik will auch in Zeiten massiver S-Bahn-Pannen in den Schnellzug investieren. Der Verkehrsausschuss hat in seiner jüngsten Sitzung der Regionalversammlung empfohlen, 2,1 Millionen Euro jährlich für bessere Takte auszugeben.

Stuttgart - Die Regionalpolitik will auch in Zeiten massiver S-Bahn-Pannen in den Schnellzug investieren. Der Verkehrsausschuss hat in seiner jüngsten Sitzung der Regionalversammlung empfohlen, 2,1 Millionen Euro jährlich für bessere Takte auszugeben.

Längerer 15-Minuten-Takt

Der 15-Minuten-Takt am Nachmittag soll künftig auf allen S-Bahn-Linien spätestens um 15.30 Uhr beginnen – das ist etwa eine halbe Stunde früher als heute. Er wird wie bisher gegen 19.30 Uhr enden – auch auf der S 1, die eine zusätzliche Fahrt am Abend bekommt. Hier, wo die Züge in den Hauptverkehrszeiten als besonders voll gelten, soll es sogar schon um 15 Uhr losgehen. Dies wird erreicht, indem zwei Fahrten, die zurzeit nur zwischen Esslingen und Böblingen stattfinden, auf die Strecke Plochingen–Herrenberg verlängert werden. Über Plochingen hinaus können diese Züge nicht fahren, da es im eingleisigen Bereich in Wendlingen (Kreis Esslingen) einen Engpass gibt.

Längere Züge auf der S 1

Die Region will noch mehr für die S 1 tun: Die vier S-Bahn-Züge des neuen Modells ET 430, die der Verband 2011 zusätzlich zu der 83-Züge-Flotte der Bahn bestellt hat, sollen zwischen Kirchheim/Teck und Herrenberg unterwegs sein. Damit sollen 16 Züge auf drei Einheiten – sogenannte Langzüge – mit rund 1400 Sitz- und Stehplätzen verlängert werden. Nachdem die Bahn die ersten ET 430 wegen Problemen mit den Türen und einem ausfahrbaren Schiebetritt am Dienstag aus dem Verkehr gezogen hat, wird sich die Lieferung aber mindestens bis zur Jahresmitte 2014 hinziehen. Auch der frühere Viertelstundentakt wird erst mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2014 kommen. Er muss mindestens ein Jahr vorher bei der Bahn bestellt werden.

Früher Anschluss an Daimler

Zu dem Paket, das die Vollversammlung auf Empfehlung von CDU, SPD, Grünen, FDP und Linken beschließen soll, gehören zudem zwei frühere Fahrten auf der S 6. Mehrere VVS-Kunden haben darauf hingewiesen, dass der Beginn der Frühschicht bei Daimler in Sindelfingen gegen 6 Uhr aus dem Raum Leonberg nicht mit der S-Bahn zu erreichen sei. Die Region will zunächst für drei Jahre ein Angebot machen. Während die Verbesserungen auf der S 1 jährlich rund zwei Millionen Euro kosten sollen, sind die Frühfahrten auf der S 6 für 82.000 Euro zu haben. Wirtschaftsdirektor Jürgen Wurmthaler betonte in der jüngsten Sitzung des Verkehrsausschusses, dass „auf der S 1 so viele Fahrgäste dazugekommen sind, dass die Rückgänge woanders aufgefangen werden konnten“. Wurmthaler rechnet bei dem Paket mit rund 150.000 gefahrenen Kilometern jährlich und 20 S-Bahnen mehr pro Tag, mit denen „keine Erlösung, aber doch die Entspannung an der einen oder anderen Stelle“ des Systems zu schaffen sei. Immerhin werde der neue S-Bahn-Vertrag, der seit dem 1. Juli gilt und der beim Betrieb rund sechs Millionen Euro einsparen soll, „einen gewissen Spielraum“ bringen.

Keine weitere Nacht-S-Bahn

Mehrere Fraktionen wünschen sich noch den einen oder anderen Baustein aus einem zweiten Paket, das weitere 2,7 Millionen Euro jährlich kosten würde und das Wurmthaler in die Zukunft verschieben möchte. CDU-Sprecher Rainer Ganske zeigte sich verwundert, dass ein früherer Viertelstundentakt am Nachmittag mehr Fahrgäste bringen soll als ein längerer am Abend, und könnte sich auch eine zusätzliche Abfahrt je Linie am frühen Abend vorstellen. Außerdem liebäugelt die CDU analog zu den Nachtbussen der SSB mit der Nacht-S-Bahn auch schon in den Nächten zum Freitag. Das würde allerdings rund 970.000 Euro jährlich kosten, und Wurmthaler will erst einmal die Bilanz des Wochenendbetriebs und jene der SSB abwarten. Damit dürfte die Nacht-S-Bahn an Donnerstagen nicht vor Dezember 2016 kommen.

Nichts Neues am Flughafen

Der SPD gefällt nicht, dass die letzte S 3 ab dem Flughafen bereits um 21.42 Uhr fährt und danach nur noch die S 2 im 30-Minuten-Takt verkehrt. Laut Verband ist die abendliche Nachfrage dort aber so gering, dass dieses Angebot ausreicht. Außerdem plädierte SPD-Sprecher Thomas Leipnitz für zwei zusätzliche Fahrten je Richtung auf der Schusterbahn und für die Zusatzfahrt auf allen Linien am Abend. Diese allein würde aber 1,3 Millionen Euro kosten, was dem Verband derzeit noch zu teuer ist. „Wir reden hier immer davon, dass sich die Lebenswirklichkeit der Menschen verändert hat und dass sie länger arbeiten“, kritisierte Leipnitz, „dann müssen wir auch hier mal etwas tun.“

Einsatz für die Schusterbahn

Grünen-Sprecher Mark Breitenbücher plädierte ebenso wie Christoph Ozasek (Linke) und die SPD für die Schusterbahn und beantragte, die zusätzlichen Fahrten dort noch mit ins aktuelle Paket zu nehmen. Auch auf die zusätzlichen Nacht-S-Bahnen will Breitenbücher eigentlich „ungern bis Dezember 2016 warten“.

Ärger um die Freien Wähler

Die Freien Wähler um den früheren Böblinger Landrat Bernhard Maier sorgten mit einem Antrag, den die FDP unterstützte, dafür, dass die Regionalversammlung im September das letzte Wort hat. Maier will erst die von Wurmthaler genannten Spielräume in Zahlen kennen und nicht „jetzt so eine Ausgabe in 25 Minuten abhandeln“. Schließlich könnten sich die Landkreise, die den Regionalverband finanzieren, „das Geld nicht aus der Rippe schnitzen“. Damit brachte Maier die Runde gegen sich auf.

Claus Schmiedel (SPD) sprach von „lauter alten Bekannten, die entscheidungsreif sind“. Rainer Ganske echauffierte sich, weil man schon seit Jahren über diese Verbesserungen diskutiere, 2014 keine Verschlechterung der Finanzsituation der Kreise zu erwarten sei und die Ausgabe ohnehin frühestens 2015 zu Buche schlagen würde. Ganske wurde auch wütend, weil Maier nichts vom Bedarf dieser Taktverbesserungen wissen wollte: „Die Züge auf der S 1 sind voll. Sollen wir da vielleicht einen Zettel hinhängen, auf dem steht: Bitte klopfen Sie bei Herrn Maier in Renningen an und sagen Sie ihm das?“ Christoph Ozasek nannte Maiers Verhalten „heuchlerisch“, da dieser im vergangenen November unter dem Tagesordnungspunkt Verschiedenes kurzfristig bereit gewesen sei, fünf Millionen Euro für einen verbesserten Filderbahnhof auszugeben. Nun sei ein jahrelanger Vorlauf zu wenig. Mit der FDP erreichten die Freien Wähler die 25 Prozent der Stimmen, die für einen Verweis des Themas in die Regionalversammlung nötig sind, trotzdem.