Die Zeit der Notunterkünfte (hier ein Bild aus Bayern) soll im Kreis Ludwigsburg bald vorbei sein. Foto: dpa

Der Kreis Ludwigsburg muss deutlich weniger Flüchtlinge aufnehmen als erwartet, von den 5000 Plätzen in Gemeinschaftsunterkünften sind derzeit nur 4100 belegt. Jetzt stehen alle Beteiligten vor der nächsten Herkulesaufgabe.

Kreis Ludwigsburg - Viel war von Entspannung die Rede in den vergangenen Tagen, und zwar gleichermaßen im Ludwigsburger Sozialausschuss wie im Verwaltungsausschuss des Kreistags. Bemerkenswert ist das, weil sich beide Gremien einem Thema widmeten, das noch vor nicht allzu langer Zeit Schnappatmung provozierte: der Unterbringung von Flüchtlingen. Anfang des Jahres standen sowohl der Landkreis als auch die Stadt vor einer Herkulesaufgabe, jetzt zeichnet sich ab: sie ist bewältigt. Oder, wie es der Bietigheim-Bissinger Oberbürgermeister Jürgen Kessing im Kreistagsausschuss ausdrückte: „Wir sind in einer Phase, in der wir langsam wieder ausatmen können.“

Das belegen die Zahlen, die nun vorgestellt wurden. Anfang des Jahres rechneten die Experten damit, dass dem Kreis Ludwigsburg 8000 Asylbewerber zur vorläufigen Unterbringung zugewiesen werden. Weil aber nach Schließung der Balkanroute viel weniger Flüchtlinge nach Deutschlandgelangen, ist die Prognose spektakulär daneben gegangen. Aktuell rechnet der Kreis mit nur noch 3000 Flüchtlingen bis Ende des Jahres.

In Ludwigsburg kommen auf zwölf Flüchtlinge rund tausend Einheimische

In Ludwigsburg wird deutlich, was das bedeutet. Stadt und Kreis haben mit viel Geld die Kapazitäten ausgebaut, wobei der Kreis für die vorläufige Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften zuständig ist und die Stadt für die Anschlussunterbringung von Flüchtlingen, deren Anträge genehmigt wurden oder die geduldet werden. Beide Kategorien addiert, leben 1133 Flüchtlinge in der Stadt. „Um die Dimension deutlich zu machen: auf zwölf Flüchtlinge kommen tausend Ludwigsburger“, sagte der Bürgermeister Konrad Seigfried. Er ließ den Satz unkommentiert wirken, aber was er meinte, war klar: so dramatisch ist das nicht. Um den Eindruck zu untermauern, nannte er weitere Daten. Demnach sind im ersten Halbjahr rund 4000 Menschen nach Ludwigsburg gezogen – manche dauerhaft, viele übergangsweise. Ein Großteil davon stammt aus Europa, allein aus Deutschland kamen mehr als 1800 Neubürger. Flüchtlinge stellen einen vergleichsweise geringen Anteil: 222 kamen aus Syrien, 103 aus Afghanistan, 60 aus dem Irak. „Die Flüchtlingssituation spielt für uns eine große, aber nicht mehr die überwältigende Rolle“, so Seigfried.

Das Gleiche gilt auf Kreisebene. Zwei der drei Schulsporthallen, die vor Monaten in größter Not zu Flüchtlingsheimen umgewidmet wurden, sind wieder frei, die dritte wird bald ebenfalls geräumt. Im Januar sollen Notunterkünfte wie jene an der Hölderlinstraße in Tamm aufgelöst werden. Nur 4100 der 5000 Plätze in den Gemeinschaftsunterkünften sind belegt.

Der Kreis plant ein Heim für jugendliche Flüchtlinge – einige Anwohner sind besorgt

Friede, Freude Eierkuchen herrscht deswegen nicht, das Thema ist immer noch geeignet, Gemüter zu erhitzen. Der Kreis wird demnächst eine Unterkunft für bis zu 54 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge an der Strombergstraße im Nordwesten von Ludwigsburg in Betrieb nehmen. Im Ausschuss berichteten Stadträte, dass sich mehrere Anwohner an sie gewandt und Sorgen geäußert hätten. Der Tenor: 54 überwiegend junge Männer, die auf einem Fleck wohnen – das könne zu Problemen führen. Vor dem Hintergrund forderten alle Fraktionen, dass der Kreis eine ausreichende Betreuung sicherstellt. Das Landratsamt hat angekündigt, die Anwohner bald zu einer Infoveranstaltung zu laden.

Schon bald wird ein anderer Aspekt in den Vordergrund drängen, man könnte sagen: die nächste Herkulesaufgabe: Viele Flüchtlinge werden dauerhaft hier bleiben und müssen integriert werden. „Und dieses Thema“, sagt Jürgen Vogt, der zuständige Dezernatsleiter des Landratsamts, „wird uns noch sehr lange beschäftigen.“