Roland Noss (3.v.l.) hat die Videothek eröffnet. Roswitha Mayer (2.v.l.) aus Sonnenberg hat sie übernommen. Zudem auf dem Foto Susanne Roth (Frau von Noss) und Wolfgang Mayer. Foto: Sägesser

In Plieningen hat Anfang der Achziger eine Videothek eröffnet – als eine der ersten auf den Fildern. Die Reaktionen der Leute waren verhalten, die Neugier war gleichwohl groß. Heute ist die Zahl der Videotheken überschaubar.

Plieningen - Wie ein Film spult sich die Erinnerungen vor Roswitha Mayers innerem Auge ab. „Da lebe ich jetzt wieder richtig drin“, sagt die 65-jährige Frau, während sie erzählt, wie es damals in der Videothek an der Neuhauser Straße in Plieningen zuging. Es gab Kunden, die kamen nicht nur zur Ausleihe, sie haben auch einen Kaffee getrunken und mit Roswitha Mayer geplaudert. Freilich über Filme – und über Gott und die Welt. Immer donnerstags war abends großes Sortieren angesagt. Und wenn ein Streifen neu reinkam, ist er erst mal bei den Mayers daheim über den Bildschirm geflimmert. „Ich will die Zeit nicht missen“, sagt Roswitha Mayer.

Die zweite Videothek auf den Fildern

Die Plieninger Videothek war die zweite auf den Fildern, 1983 gegründet von Roland Noss. Die Erste, eine ganz kleine, war in Plattenhardt, Roland Noss kannte den Betreiber und sah darin ein lukratives Geschäftsfeld. Ein Jahr zuvor hatte sich der Elektromeister das Erdgeschoss des Mayerschen Hauses an der Neuhauser Straße in Plieningen gemietet. Für seine kleine Werkstatt war die Ladenfläche allerdings zu groß. So kam es, dass er sich mit der Videothek ein zweites Standbein zulegte. Anfangs standen 500 Filme in den Regalen, zum Schluss waren es rund 3500.

Gleich von Beginn an dabei war die sogenannte 18er-Ecke. 18er, weil die Filme erst ab 18 Jahren freigegeben waren. Dazu zählten Action- aber auch Hardcore-Pornofilme. „Das war revolutionär“, sagt Roland Noss und meint letzteres Genre. Bis dato gab es solche Filme eigentlich nirgends auszuleihen. „Ich habe schnell einen lockeren Umgang zu dem Thema gefunden“, sagt er. Die Reaktionen der Plieninger waren verhalten, doch die Neugier war groß.

Aber nicht nur die Porno-Ecke war eine Revolution. Auch die Videokassetten an sich als Nachfolger des Super-8-Formats waren eine Umwälzung des Bekannten. Dies trug dazu bei, dass die Videotheken allerorten aus dem Boden sprossen.

Die Konkurrenz halbierte die Einnahmen

Roland Noss expandierte. Er eröffnete Ausleihstationen in Nürtingen, Neuhausen und Filderstadt. In Plieningen bekam der heute 57-Jährige 1989 Konkurrenz. Die neue Videothek an der Filderhauptstraße an der Ecke zur Echterdinger Straße halbierte seine Einnahmen, wie er sagt. Aus Kostengründen musste er sich unter anderem von seinem ersten Standort trennen.

Als die Mayers, also die Vermieter, das hörten, schliefen sie erst einmal eine Nacht drüber. Am nächsten Tag stand fest, dass die Hausfrau Roswitha Mayer neue Wege gehen würde. Als Betreiberin der Videothek im eigenen Haus. „Die lief ja gut“, sagt sie. Das hielt rund sechs Jahre.

Wer die Geschichte von heute aus denkt, weiß, wie sie endete: Die Videokassette wurde spätestens zum Jahrtausendwechsel abgelöst von modernen Techniken wie DVDs und Blu-ray, aber natürlich auch vom Internet, wo inzwischen so gut wie jeder Streifen zu bekommen ist.

Die wenigsten Videotheken haben überlebt

Der Videotheken-Markt war ohnehin hart umkämpft, den Wettbewerb mit dem World Wide Web haben die wenigsten überlebt. „Wir sind die Tante-Emma-Läden der Neuzeit“, sagt Roland Noss. Die Mayers wohnen inzwischen in Sonnenberg, und in ihrem Haus an der Neuhauser Straße schneidet im Erdgeschoss eine Friseurin den Kunden die Haare.

Im Jahre 2013 hat der frühere Konkurrent in Plieningen übrigens dichtgemacht. Das Internet hatte ihm das Geschäft kaputt gemacht. Heute gibt es noch zwei Videotheken auf den Fildern: eine in Vaihingen, eine in Filderstadt. Der Inhaber von Letzterer ist – Roland Noss. Er hat die Ausleihstation mit einer Prägestelle für Autokennzeichen verknüpft. Als zweites Standbein, wie an der Neuhauser Straße. Nur dass die Videothek damals der aufstrebende Geschäftszweig war.