Jürgen Kramny hat doppelt Grund zum Jubeln: Foto: Baumann

Kein Hätte, Wäre, Wenn – sondern die klare Botschaft: Jürgen Kramny wird die Profimannschaft auch in der Rückrunde der Saison 2015/16 betreuen. Zweifel an der Bundesligatauglichkeit aber bleiben.

Stuttgart - Glaubt man Robin Dutt, dann war der viel umjubelte Vorrundenabschluss gegen den VfL Wolfsburg nur die Bestätigung einer längst getroffenen Entscheidung. „Wir haben Jürgen schon früh signalisiert, dass es in diese Richtung gehen wird“, sagte der Sportvorstand einen Tag nach dem 3:1-Sieg. Da hatte Dutt gut reden. Nur: Was wäre bei einer Niederlage, einer deutlichen zumal, passiert? Hätte er dann ebenfalls die Beförderung des bisherigen U-23-Coaches verkündet? Der Sportchef musste schmunzeln in Erwartung dieser Frage. Seine knappe Antwort: „Wir müssen jetzt nicht mehr über Eventualitäten oder einen Plan B sprechen.“

Kein Hätte, Wäre, Wenn – sondern die klare Botschaft: Jürgen Kramny wird die Profimannschaft auch in der Rückrunde der Saison 2015/16 betreuen – und, sofern erfolgreich, auch darüber hinaus. Der bis 2017 laufende Vertrag des Ludwigsburgers wurde an Profi-Konditionen angepasst.

Für Kramny geht damit ein Lebenstraum in Erfüllung. „Irgendwann konnte ich das Wort Interimstrainer nicht mehr hören“, sagte er und lachte. Nun ist der frühere Profi (u. a. VfB und Mainz 05) auch als Coach im Oberhaus angekommen. Der Schwere seiner Aufgabe ist sich der als pragmatischer Arbeiter geltende Trainer vollauf bewusst. „Es wird keine einfache Rückrunde, aber wir sind alle heiß darauf, es anzupacken.“

Die Mannschaft, so Kramnys Fazit nach fünf Spielen, habe gesehen, wie es nicht geht; aber eben auch, wie es gehen kann. Idealerweise so wie gegen den VfL Wolfsburg: Da boten die Roten aus einer halbwegs sicheren Defensive mit zum Teil sehr ansehnlichen Ballstafetten blitzsauberen Konterfußball. Nur öffnete der so auswärtsschwache Vizemeister dem VfB in seltener Offenheit auch freundlich die Räume. Am Samstag kam für den VfB – im positivem Sinne – vieles zusammen. „Wir dürfen uns von dem Spiel nicht blenden lassen“, erkannte Dutt und kündigte in der Winterpause Verstärkungen an. Keine Frage: Ein neuer Trainer allein wird kaum reichen.

Die Mannschaft

Robin Dutt hatte eine klare Vorstellung von seinem Programm am Abend nach dem Spiel gegen den VfL Wolfsburg: „Ich werde in einen Stuhl sacken und den Herrgott einen lieben Mann sein lassen.“ Ein letztes Mal verschnaufen, ehe für den Sportvorstand des VfB die Arbeit richtig losgeht: Wer kann, wer soll die Mannschaft verlassen? Und vor allem: Wer soll kommen?

Dass Bedarf an frischen Kräften besteht, darüber herrscht auf dem Wasen Einigkeit – bis hin zu Finanzvorstand Stefan Heim. Ein Innenverteidiger, ein (rechter) Außenverteidiger und ein Angreifer stehen auf der Einkaufsliste des Sportchefs, der aber Realist genug ist zu wissen, wohl nicht alle Wünsche erfüllt zu bekommen. Er orientiert sich an folgender Faustregel: Das Geld reicht für einen Einkauf oder zwei Leihgeschäfte. In den kommenden Tagen wird sich Dutt mit dem neuen Cheftrainer abstimmen.

Ein paar Entscheidungen sind bereits gefallen. So ist ein Verkauf von Daniel Didavi im Winter kein Thema. „Dazu müsste mich jemand an einen Baum binden“, sagt Dutt, und auch Didavi hegt keine Ambitionen: „Ich bleibe in der Rückrunde zu 100 Prozent hier.“ Gleiches gilt für Filip Kostic und den schon ausgemusterten Georg Niedermeier, der dem Mannschaftsgeist neues Leben verliehen hat: „Ich brauche ihn auf jeden Fall“, sagte Kramny und schloss einen Wechsel aus.

Das Transferfenster öffnet am 1. und schließt am 31. Januar. An Urlaub ist für Robin Dutt erst einmal nicht zu denken.

Die Spielphilosophie

Es war einmal eine schöne Vorstellung, orientiert an den ganz Großen der Branche wie dem FC Barcelona – die Vision vom einheitlich vermittelten Angriffsfußball, oben von den Profis bis hinunter zu den Jugendmannschaften. Jetzt würde der Sportvorstand des VfB Stuttgart alle Visionäre frei nach Helmut Schmidt am liebsten zum Arzt schicken. „Unser Modus muss erst einmal lauten: Spiele gewinnen mit den Profis“, sagte Robin Dutt am Sonntag.

Kurioserweise hat jetzt ausgerechnet jener Trainer das Sagen, der den halsbrecherischen Attacke-Fußball seines Vorgängers Alexander Zorniger bei der zweiten Mannschaft als Erster aufgeweicht hatte. So gelang es ihm, die U 23 nach einem katastrophalen Saisonstart wieder in die Spur zu bringen. Laut Dutt wird es nun vor allem darum gehen, die enge Verzahnung zwischen Profis, Amateuren und Jugend aufrechtzuerhalten. Die künftige Spielphilosophie soll dann vom neuen Trainerteam ausgearbeitet werden und sich durch „Mentalität, Aktivität und Emotionalität“ (Dutt) auszeichnen. Was wiederum für alles und nichts stehen kann. Aber für Visionen bleibt zurzeit ohnehin wenig Spielraum.

Die Fans

Nach dem Duell gegen Wolfsburg hatte der VfB mal wieder gefühlt eine Meisterschaft für sich entschieden – zumindest war die Stimmung in der Mercedes-Benz-Arena nach dem 3:1-Erfolg gegen den Vizemeister ganz danach. „Oh, wie ist das schön“, sangen die Fans schon vor dem Schlusspfiff. Kapitän Christian Genter wusste die weiß-rote Glückseligkeit als Momentaufnahme aber richtig einzuordnen. „Das letzte Mal, dass die Fans ,Oh, wie ist das schön‘ gesungen haben, war nach dem Augsburg-Spiel.“ Es war das 0:4-Debakel – dem die Entlassung von Alexander Zorniger folgte.

Tatsächlich hat es die Mannschaft in den vergangenen Spielen geschafft, wieder eine Einheit mit den Fans zu bilden. Das ging auch aus Spruchbändern in der Cannstatter Kurve hervor, die schon vor den Toren der Gastgeber Zusammenhalt demonstrierten („Together we’ll never fall“). Die Atmosphäre im Stadion gibt die Stimmungslage des weiß-roten Anhangs aber nur bedingt wieder. In den Foren ist der Kredit für Sportvorstand Robin Dutt so gut wie aufgebraucht, die Wertschätzung für Kramny hält sich ebenfalls in Grenzen. Viele machen sich über das Konzept des VfB lustig und vergleichen es mit einem Irrgarten. Zustimmung gibt es eher selten – kein Wunder nach dieser Vorrunde!

Das Trainerteam

Jürgen Kramny als Chef ist klar – doch wer steht künftig an seiner Seite? Offizieller Co bleibt der bisherige U-17-Trainer Kai Oswald. Marco Langner trainiert die Torhüter, Philipp Laux bleibt Mentalcoach. „Gut möglich, dass noch einer dazukommt“, sagte Dutt zu einer möglichen Aufstockung des Trainerstabes. Der zuletzt gehandelte Damir Buric ist aber kein Thema. Erstens, weil er als Chef von Hajduk Split kaum bestrebt sein dürfte, als Assistent in die Bundesliga zu wechseln. Außerdem wird sich Robin Dutt hüten, nach Marco Langner einen weiteren alten Bekannten auf dem Wasen zu installieren.

Bei der zweiten Mannschaft wird weiter Walter Thomae das Sagen haben, dessen Bilanz in der dritten Liga sich sehen lassen kann: darunter ein Unentschieden gegen Spitzenreiter Dynamo Dresden und ein Sieg gegen Preußen Münster. „Der Austausch mit Jürgen war immer sehr eng, und das wird er auch bleiben“, sagt Thomae. Beim VfB hoffen sie darauf, das Zusammenwirken zwischen erster und zweiter Mannschaft durch Kramnys Aufstieg zu optimieren. Und noch eine Personalie: Ex-VfB-Profi Heiko Gerber übernimmt fest die U-17-Junioren.