Massive Kritik auch von den Fans: Ex-VfB-Sportvorstand Fredi Bobic Foto: dpa

Er begann als VfB-Sportdirektor vor vier Jahren in einer Atmosphäre der Zuversicht. Jetzt hinterlässt Sportvorstand Fredi Bobic (42) ein sportliches Trümmerfeld. Die Gründe seines Scheiterns.

Er begann als VfB-Sportdirektor vor vier Jahren in einer Atmosphäre der Zuversicht. Jetzt hinterlässt Sportvorstand Fredi Bobic (42) ein sportliches Trümmerfeld. Die Gründe seines Scheiterns.

Stuttgart - Es gab dann doch noch einiges zu bereden zwischen der Firma und einem ihrer wichtigsten Angestellten. Weshalb sich der Trennungsakt so unendlich dehnte wie einer dieser Kaugummis, die Fredi Bobic immer dann zwischen den Kiefern zermalmte, wenn das Geschehen zwischen den beiden Toren wachsende Spannung versprach. Am Ende kam es, wie unsere Zeitung schon tags zuvor exklusiv gemeldet hatte: VfB-Präsident Bernd Wahler eröffnete dem Sportvorstand mit brüchiger Stimme, was ihm die Mehrheit der Aufsichtsräte längst angeraten und aufgetragen hatte: die Beendigung eines über vier Jahre währenden Arbeitsverhältnisses.

Fredi Bobic eilte noch am Nachmittag zurück aus Dortmund, wo der VfB am Abend gegen den deutschen Vizemeister anzutreten hatte. Es ging um die im Vertrag fixierte Abfindung (geschätzt: 500 000 Euro), die offizielle Sprachregelung (im beiderseitigen Einvernehmen) und um das gegenseitige Versprechen, nach der Trennung keine schmutzige Wäsche zu waschen. Was am 27. Juli 2010 in einer Atmosphäre großer Zuversicht begonnen hatte, endete vor der deprimierenden Kulisse eines sportlichen Trümmerfelds. Die Hoffnung, der soziale Aufsteiger aus dem Cannstatter Hallschlag habe sich bei seiner Tour durch den internationalen Fußball zu einer eloquenten Führungskraft mit sozialer Intelligenz entwickelt, erfüllte sich nicht. Der Steilpass mit dem Ex-Torjäger landete voll im Aus.

Keine Aussichten auf baldige Besserung

Der Verein dagegen steckt unverändert in einer der tiefsten Krisen seiner Vereinsgeschichte. Und die Aussichten auf baldige Besserung erscheinen so realistisch wie ein Hitzehoch im November. Dass dafür in erster Linie der Manager und Sportvorstand verantwortlich zeichnet, hat Fredi Bobic nie bestritten. Versäumt hat es der aufrechte Geist aber, aus einer Kette von Fehlern die passenden Konsequenzen zu ziehen. „Die Saison nehme ich auf meine Kappe“, rief er mit gespannter Brust vor der Mitgliederversammlung, nachdem der VfB in der vergangenen Saison nur mit viel Glück den Abstieg verhindert hatte. Schuldig blieb er die Antwort auf die Frage, was aus dieser Selbstbezichtigung folgt. Bocksbeinig, bisweilen besserwisserisch und häufig mit dem Verweis auf das schmale Vereinsbudget dozierte er über das schwierige Wesen des Transfergeschäfts. Dass er dabei zuletzt den Eindruck vermittelte, eher beliebig als gezielt ins Regal zu greifen, minderte in atemberaubender Geschwindigkeit seinen Kredit bei Medien und Fans. Als er nach dem neuerlichen Fehlstart in die Saison bei Vorstand und Aufsichtsrat die Bedenken mit Banalitäten zu zerstreuen versuchte, weder überzeugende Pläne noch Zukunftskonzepte präsentieren konnte, lag die Lunte am Fass, das jetzt mit lautem Knall explodierte.

Bobic ist gescheitert. Auch weil sich beim VfB lange Zeit kein Meister fand, der ihn zur Räson rief, wenn sich der Sportsfreund mal wieder in den Strafräumen öffentlicher Aufmerksamkeit verdribbelte. An Warnungen immerhin hat es zuletzt nicht gefehlt. Bernd Wahler bat ihn des Öfteren zum Mitarbeiter-gespräch. „Die Diplomatie“, brummte der VfB-Chef, „hat der Fredi halt nicht erfunden.“ Sponsoren rümpften zunehmend die Nase, wenn „das Bürschle aus Ditzingen“ in den Vip-Gemächern mit grobem Gerät hobelte. Und als sich im Sommer der neue Aufsichtsrat formierte, stellte sich neben der Frage nach der Ausgliederung der Lizenzspieler-Abteilung die nach dem Vertrauen in die Qualitäten des Managers. Die Antwort: „Warum sollten wir jemandem Millionen anvertrauen, der keinen Plan hat?“

Bobic bot von allem ein bisschen zu wenig

Ganz gleich, unter welchem Aspekt sich die Kontrolleure die Causa Bobic auch besahen, ihr Eindruck blieb immer derselbe: Er bot von allem ein bisschen zu wenig. Bobic arbeitete zu unstrukturiert, sein betriebswirtschaftlicher Sachverstand hielt sich – an den Erfordernissen der Liga gemessen – in Grenzen. Sein Instinkt bei der Wahl des passenden Personals schien verkümmert. Den mangelnden Gestaltungswillen im Club reklamierte er zwar wortgewaltig, Bobic selbst bevorzugte aber die schützende Nähe seiner Kumpels aus alten Zeiten. Als er am Ende des missratenen Trainer-Intermezzos mit Thomas Schneider seine Spezi Krassimir Balakov und Frank Verlaat zu installieren gedachte, verfiel selbst einer in Schnappatmung, der es bis dahin immer gut mit Bobic gemeint hatte: Aufsichtsrat Eduardo Garcia. Alternativen Fehlanzeige. Einen Plan B hatte der VfB-Manager nicht zu bieten.

Statt seine Arbeit kritisch zu reflektieren, wiegte sich Bobic weiter in der Überzeugung, seine Kompetenz gründe zuvorderst darauf, in jungen Jahren häufiger ins Tor getroffen zu haben als andere. Wie er sich den VfB der Zukunft vorstelle? „Erfolgreich“, antwortete der VfB-Sportvorstand mit spöttischer Miene. Aufkommende Kritik summierte er unter der Wehleidigkeit jener, die es nie erlebt haben, „wenn 50 000 im Stadion brüllen: Bobic, du Arschloch“.

Eine narzisstische Attitüde, die ihm den Blick darauf verbaute, dass sich ein Unternehmen wie der VfB Stuttgart in einer Umgebung zunehmend gnadenloser Konkurrenz nicht mehr führen lässt wie ein Gemischtwarenladen. Während er noch auf den unbestrittenen Erfolg seiner Sparbemühungen verwies, arbeiteten andernorts emsige Scouting-Abteilungen mit weitsichtigen Managern daran, mit wenig Geld viel Erfolg zu generieren. Prototypen dieser Generation wie in Freiburg, Augsburg oder jetzt in Paderborn pflegte der Sportsfreund geflissentlich zu ignorieren: „Ach, was. Das kann man nicht vergleichen.“

Vielleicht doch. Die neue Führungscrew beim VfB will das Bobic-Erbe auf Herz und Nieren prüfen. Möglich, dass dann Kompetenzen anders verteilt, Führungskräfte ausgetauscht und Konzepte eingefordert werden. Trainer Armin Veh soll zusammen mit dem sportlichen Leiter Rainer Adrion die Management-Aufgaben bis auf weiteres mit übernehmen. „Wir wollen jetzt nicht schnell irgendeinen möglichst prominenten Nachfolger präsentieren“, sagt ein VfB-Kontrolleur. Kein Fehler wäre es auch, die alte Erkenntnis des VfB-Ehrenpräsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder zu beherzigen: „Nicht jeder, der mal einen Freistoß um eine Mauer zirkeln konnte, ist auch ein guter Manager.“