Sebastian Polter (Union, v. li.), Domi Kumbela (Braunschweig), Simon Terodde (VfB) und Martin Harnik (Hannover) wollen ihre Clubs in die erste Liga schießen. Foto: Baumann

Neun Spieltage vor dem Saisonende der zweiten Bundesliga ringt der VfB Stuttgart als Zweiter mit dem neuen Spitzenreiter Union Berlin, Eintracht Braunschweig (Dritter) und Hannover 96 (Vierter) um die direkten Aufstiegsplätze.

Stuttgart - Das Aufstiegsrennen in der zweiten Fußball-Bundesliga ist zu einem Vierkampf geworden. Dabei hat das Quartett eine unterschiedliche Ausgangslage.

Union Berlin

Da schwingt der Ritter Keule, das Club-Maskottchen von Union Berlin, zu deftigem Hardrock freudig-erregt seine gezackte Eisenkugel. Sechs Siege haben die „Eisernen“ aus den Wäldern Köpenicks inzwischen hintereinander eingefahren – das ist ein Vereinsrekord. Doch damit nicht genug: Durch das 0:0 in Dresden und den 2:1-Sieg gegen den VfL Bochum in den Spielen zuvor kommt der neue Tabellenführer nach der Winterpause auf 22 von 24 möglichen Punkten.

„Union ist eine große Familie. Überall anders wünscht man sich das, hier ist das wirklich so. Jeder tut alles dafür, dass wir optimale Bedingungen haben“, erklärt der Trainer Jens Keller, ein zu Stuttgarter und Schalker Zeiten gerne mal knurriger Trainertyp, den man nun aber getrost als den Vater des Berliner Erfolgs bezeichnen darf. Keller begann im Sommer an der Alten Försterei, also beim Sechsten der Vorsaison, der damals noch in dem Ruf stand, zwar etwas anders, weil ein bisschen weniger kommerziell zu sein. Dafür war man bei Union aber auch gerne mal mit weniger zufrieden.

Der Trainer bot seinen Spielern bei Amtsantritt im vergangenen Juni gleich das Du an, was Nähe schaffte, doch er gibt sich vor dem Auftritt an diesem Samstag beim Dritten Hannover 96 auch fordernd. „Wir spielen guten Fußball und sind nicht zufällig Erster. Jetzt wollen wir mit aller Macht oben bleiben“, sagt Jens Keller – und ist damit nicht allein bei einem Club, der 2005 noch in der Oberliga spielte, von der Insolvenz bedroht war und auch mittels der Fan-Spendenaktion „Bluten für Union“ am Leben gehalten wurde.

Jetzt wird sich zeigen, wie die Berliner mit der Rolle des Gejagten umgehen. Mit dem Stürmer Sebastian Polter haben sie einen guten Fang gemacht. Der ehemalige Wolfsburger und Mainzer kam aus England von den Queens Park Rangers – und erzielte in acht Spielen für Union fünf Tore. Nächste Runde darf nun gerne die Hertha aus dem Westen zu Erstligaduellen vorbeischauen in der Alten Försterei, wo unlängst ein humorvolles Plakat zu sehen war: „Scheiße, wir steigen auf . . .!“ stand drauf.

VfB Stuttgart

Nur zwei Punkte brachte der VfB Stuttgart aus den vergangenen drei Partien bei Eintracht Braunschweig (1:1), gegen den VfL Bochum (1:1) sowie bei Greuther Fürth (0:1) mit. Das Zwischentief – es ist nicht das erste in dieser Saison – löste bei den Fans prompt wieder dieses mulmige Gefühl aus, es könne mit dem direkten Wiederaufstieg noch einmal eng werden. Auf den Torjäger Simon Terodde aber, der inzwischen seit drei Spieltagen nicht mehr getroffen hat, wirkt das Szenario grundlegend anders. „Wir müssen jetzt nicht nervös werden, denn wir stehen immer noch besser da als in der Winterpause und haben alles selbst in der Hand“, sagt der Stürmer, dem die Zahlen recht geben: Zwei Punkte Vorsprung besitzt der VfB als Zweiter auf den Dritten Eintracht Braunschweig, drei sind es auf Hannover 96 auf Rang vier. Nach Ablauf der Hinserie rangierte man derweil nur auf Platz drei.

Der VfB zehrt also weiterhin von seinem Zwischenspurt zu Jahresbeginn, als man nach fünf Siegen in Serie das einzige Team im deutschen Profifußball stellte, das noch überhaupt keine Punkte abgegeben hatte. „Wir müssen den Jungs helfen, damit sie wieder in die Spur finden“, sagt der Manager Jan Schindelmeiser nun. Ob die Länderspielpause seinen Profis mit Blick auf die „Woche der Wahrheit“ mit Spielen gegen Dynamo Dresden (Sonntag, 13.30 Uhr), beim TSV 1860 München (Mittwoch, 5. April, 17.30 Uhr) sowie dem Derby gegen den Karlsruher SC (Sonntag, 9. April, 13.30 Uhr) gutgetan hat? Stammspieler wie der australische Torhüter Mitch Langerak oder der japanische Offensivflitzer Takuma Asano hatten weite Reisen zu bestreiten.

Andererseits blieb etwa dem Stürmer Daniel Ginczek genug Zeit, um seinen unglücklichen Auftritt von Fürth, den ersten in der Startelf in dieser Saison, aufzuarbeiten. Auch der Trainer Hannes Wolf dürfte an seinem taktischen Konzept, das vielen zuletzt eine zu wilde Mischung war, weiter gefeilt haben. Obendrein zählt der große, auch qualitativ breite Kader zu den Pluspunkten für den VfB, der auch Union Berlin noch zu Hause empfängt, ehe es am vorletzten Spieltag zu Hannover 96 geht.

Eintracht Braunschweig

Als der VfB Stuttgart am 6. März gelb-rot-geschwächt und durchnässt nach 45 Minuten in Unterzahl beim direkten Konkurrenten Eintracht Braunschweig ein 1:1 ertrotzt hatte, da warf der Löwen-Trainer hinterher auf dem Pressepodium scheinbar die Flinte ins Korn: „Der VfB wird hier definitiv nicht mehr vorbei schauen, denn ich bin überzeugt, dass sie aufsteigen“, sagte Torsten Lieberknecht, seit 2008 im Amt und damit Braunschweiger Rekordtrainer.

Hatte Lieberknecht sein Team aufgegeben? Tatsächlich erschienen die Stuttgarter in diesem Augenblick übermächtig, weil der VfB überragend und die Blau-Gelben mit drei Unentschieden und einer Niederlage schwach aus der Winterpause gekommen waren. Das hatte davor noch ganz anders ausgesehen: Nach 15 der 17 Hinrunden-Spieltagen der zweiten Liga hieß der Tabellenführer stets Eintracht Braunschweig. Nach 21 Spieltagen aber lagen die spielstarken Niedersachsen erstmals nicht mehr auf einem der ersten drei Plätze.

Bald aber stellten sich auch bei Torsten Lieberknecht („Mir war früh klar, dass diesmal keine Mannschaft einen alleinigen Durchmarsch macht“), dem emotionalen Fußballlehrer aus der Pfalz, wieder Frühlingsgefühle ein. Denn gegen Düsseldorf und Heidenheim fuhren seine Profis wie bereits vor dem VfB-Spiel gegen Sandhausen einen Dreier ein – und haben sich damit wieder an die Spitze herangepirscht.

Anders als bei den Konkurrenten aus Stuttgart und Hannover, die auch die Etat-Könige im Bundesliga-Unterhaus sind, müssen sie in Braunschweig nicht aufsteigen. „Obwohl es mich natürlich reizen würde, dies hier noch einmal zu schaffen“, sagt Lieberknecht, der in der Saison 2013/14 die zuvor 28 Jahre währende Erstliga-Abstinenz der Eintracht beendet hatte: „Denn Braunschweig ist ein Club, dem nicht allzu viele die erste Liga zutrauen.“

Doch die Eintracht mischt weiter vorne mit, muss am Sonntag nach Kaiserslautern, ehe am Ostersonntag das Spiel der Spiele ansteht: Dann geht es zum Niedersachsenderby nach Hannover, wo man dem Lokalrivalen allzu gerne ein Bein stellen will.

Hannover 96

Die Ansage mit Blick auf das Spitzenspiel am Samstag vor mit 49 000 Zuschauern ausverkauftem Haus gegen Union Berlin ist unmissverständlich: „Ich höre erst auf, wenn wir aufgestiegen sind, das ist mein Selbstverständnis“, sagte Martin Kind (72), seines Zeichens Präsident von Hannover 96 und Fußball-Allmächtiger vom Maschsee in Personalunion. Zwar liegen die 96er momentan nur an Position vier – der Unternehmer glaubt aber weiter daran, dass den Norddeutschen schon in dieser Saison die sofortige Erstliga-Rückkehr gelingt: „Hannover ist eine tolle Stadt, 96 gehört in die Bundesliga.“ Klar ist aber auch: Sollte der Aufstieg verfehlt werden, muss abgespeckt werden. „Der Haushalt würde deutlich reduziert, ein zweites Mal könnten wir Verluste wie in dieser Saison nicht vertreten“, sagt Martin Kind, dessen Club zum 30. Juni ein Minus von rund zehn Millionen Euro aus der laufenden Spielzeit erwartet.

Um den direkten Wiederaufstieg zu schaffen, wurde in Hannover hinter den Kulissen kräftig am Rad gedreht. Der Altkanzler Gerhard Schröder wurde im Januar als neuer Aufsichtsratschef installiert, ehe Mitte März der Manager Martin Bader gefeuert und durch Horst Heldt ersetzt wurde. Letzterer holte wiederum, so war es Martin Kinds Wille, André Breitenreiter als neuen Trainer und Nachfolger von Daniel Stendel. Einen Mann also, mit dem Heldt zuvor bei Schalke 04 nicht immer reibungslos zusammengearbeitet hatte. „Wir mussten nach den letzten Ergebnissen handeln, denn dem Wiederaufstieg müssen wir alles unterordnen“, sagt Heldt angesichts des großen Saisonziels, das Präsident Kind vor einigen Wochen noch als „alternativlos“ bezeichnet hatte.

Doch die jüngsten Ergebnisse haben wohl auch den Big Boss, als Privatmann mit dem Verkauf von Hörgeräten äußerst erfolgreich, aufhorchen lassen: Von den vergangenen neun Zweitligaspielen wurden lediglich vier gewonnen. Für einen Anwärter auf die Tabellenplätze eins und zwei ist das zu wenig. Immerhin läuft es bei Martin Harnik. Der Stürmer hat nach der Winterpause bereits fünf Tore erzielt.

VfB Stuttgart - 2. Bundesliga

lade Widget...

Tabelle

lade Widget...
Komplette Tabelle