Der Rückhalt für Präsident Gerd Mäuser ist in den Reihen des VfB Stuttgart nicht eben groß. Foto: dpa

Der Chef des VfB Stuttgart hat es sich im Rekordtempo mit fast allen verscherzt - auch mit den eigenen Mitarbeitern. Gerd Mäuser ist ein besonders schwerer Fall.

Stuttgart - Eigentlich sollte es ein netter Abend mit Gerhard Mayer-Vorfelder werden. Der VfB Stuttgart lud zum Empfang. Der Ehrenpäsident war wenige Tage zuvor 80 Jahre alt geworden, viele aktuelle wie ehemalige Spieler, Trainer und Funktionäre machten ihre Aufwartung. Doch kaum hatte VfB-Chef Gerd Mäuser seine Laudatio "wie immer ein wenig angestrengt" vom Blatt gelesen, stand er im Mittelpunkt der Tuscheleien, die stets in die gleiche Frage mündeten: "Wie lange soll das noch so weitergehen?"

Selbst Aufsichtsratschef Dieter Hundt scheint inzwischen die Ausweglosigkeit der Situation zu erkennen. Mehrfache Verhaltenshinweise und Ermahnungen des Arbeitgeberpräsidenten verpufften. Beim Empfang für MV notierten die kritischen Beobachter "erste Absetzbewegungen" von dem ungeliebten Präsidenten, den er vor knapp zwei Jahren selbst als erklärten Wunschkandidaten vorgeschlagen und durchgesetzt hatte. Ein bemerkenswerter Vorgang, der auch den Chef des Aufsichtsrats in tiefe Erklärungsnöte stürzt. Hätte er ahnen müssen, dass Mäuser in die Fußballbranche so gut passt wie ein Holzfäller in die Philharmonie?

Einen Fehltritt nach dem anderen

Am 17. Juli 2011 wurde der ehemalige Porsche-Manager von den VfB-Mitgliedern mit nur 58,7 Prozent der Stimmen ins Amt gewählt. Und als hätte der Marketing-Experte diese Hypothek als Auftrag missverstanden, leistete er sich fortan einen Fehltritt nach dem anderen. "Wenn Sie so weitermachen", las ihm neulich der Chef des Premiumsponsors Kärcher, Hartmut Jenner, die Leviten, "dann sind Sie im Juli nicht mehr Präsident des VfB Stuttgart." Am 22. Juli findet die Mitgliederversammlung statt.

Nach Recherchen unserer Zeitung könnte Mäuser da schon längst nicht mehr im Amt sein. Dieter Hundt ist angeblich schon auf der Suche. Er wird nach Informationen unserer Zeitung im kommenden Jahr nicht wieder für den VfB-Aufsichtsrat kandidieren, jetzt muss er in der Präsidentenfrage eine Lösung präsentieren, die den Club nicht spaltet. Eine heikle Mission: S-21-Sprecher und Quattrex-Chef Wolfgang Dietrich ist im Gespräch, Über eine Interimslösung mit Ex-Präsident Erwin Staudt denken die Club-Bosse nach, auch ein Tandem aus dem ehemaligen Daimler-Sprecher Matthias Kleinert als ehrenamtlichem Präsidenten und Ex-Celesio-Chef Fritz Oesterle als geschäftsführendem Vorstandsmitglied wird diskutiert. Und wie immer werden ehemalige VfB-Spieler gehandelt. Hermann Ohlicher, Kapitän der 84er Meistermannschaft und Vorsitzender des VfB-Ehrenrats oder Karl Allgöwer und Aufsichtsratsmitglied Hansi Müller.

Führungsstil stieß vom ersten Tag an auf kopfschüttelndes Unverständnis

Wann immer Gerd Mäuser seinen Stuhl räumen wird, das Bedauern der rund 120 Mitarbeiter in der Mercedesstraße über den fälligen Chefwechsel dürfte sich in Grenzen halten. Der Führungsstil des Präsidenten stieß vom ersten Tag an auf das kopfschüttelnde Unverständnis der Belegschaft. Anstatt ein eingespieltes Team mit auf seine Reise in die Zukunft zu nehmen, wischte er vergangene Leistungen mit wenig einfühlsamer Wortwahl vom Tisch. Seinem Vorgänger Erwin Staudt ließ er kaum Zeit, sein Büro zu räumen. In Vorstandssitzungen und -klausuren stauchte er Direktoren derart brüsk zusammen, dass einer sogar unter Tränen den Raum verließ. "Sie verstehen das nicht, Sie können das nicht, ich will das anders haben!"

Im ehrenwerten Bemühen, mehr Transparenz bei Transfers oder wichtigen Entscheidungen zu schaffen, entfachte Mäuser einen Formalismus und Papierkrieg, den erzürnte Mitarbeiter leicht überspitzt so beschreiben:"Demnächst fordert er auch noch eine 30-seitige Entscheidungsvorlage für die Anschaffung eines Bürostuhls."

Hartleibig und beratungsresistent verlangte er beispielsweise den traditionellen Neujahrsempfang ("stinklangweilig") durch ein rauschendes Sommerfest zu ersetzen, dessen Dramaturgie er selbst bestimmte. Analog zu Porsche plante Mäuser, dem staunenden Publikum die neuesten Modelle, sprich Spieler, zu präsentieren. Stattdessen strapazierte er die Geduld seiner auf der Haupttribüne fröstelnden Zuhörer mit einer langatmigen Rede, die Party kam erst einigermaßen in Schwung, als die meisten Gäste das Business Center nörgelnd wieder verlassen hatten.

Dauerhaft beseelt vom Gedanken, aus dem Schatten seines umtriebigen Vorgängers Erwin Staudt zu treten, fühlte sich Gerd Mäuser zu Höherem berufen und verhandelte den Transfer von Bernd Leno nach Leverkusen höchstselbst. Unter zehn Millionen Euro, mahnte er seine Direktoren, sei das Torhüter-Talent auf keinen Fall zu haben. Als er dann mit Bayer-Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser bei fünf Millionen Euro handelseinig wurde und flugs unterschreiben wollte, stoppte Sportdirektor Fredi Bobic leicht genervt den Deal. "Abwarten, die zahlen mehr." Am Ende flossen 8,5 Millionen Euro in die VfB-Kasse.

Auftrag mit "Geschmäckle" für Vereinstrilogie

Nicht mehr bremsen ließ sich der Tatendrang des Präsidenten dagegen im Bemühen, Geschichte zu schreiben. Ohne einen Gedanken an ein "Geschmäckle" zu verschwenden, gab er bei seinem Ex-Kollegen, dem früheren Porsche-Pressechef Anton Hunger, eine aufwendige Vereinstrilogie in Auftrag. Die Kosten liegen nach Branchenschätzungen zwischen 160.000 und 200.000 Euro. Wer die 100 Euro teuren Bände zum vom Präsidenten ausgerufenen "120-Jahr-Jubiläum" im kommenden Weihnachtsgeschäft kaufen soll, ist noch unklar. Die Lust der weiß-roten Gemeinde auf solche Werke war in der Vergangenheit eher gering. Allerdings handelt es sich nach Einschätzung des Präsidenten um das bisher "einzig brauchbare Buch" über den VfB. Dass die Edelfeder Hans Blickensdörfer und andere Autoren die Club-Geschichte bereits beschrieben haben, kümmerte Mäuser wenig.

Kosten durften auch die Headhunter, die er auf der Personalsuche für einen Pressedirektor und seinen persönlichen Referenten einschaltete. Sky-Fußballmann Max Jung hatte sich zu diesem Zeitpunkt aber schon vorgestellt und war nach Meinung aller Beteiligten die Topbesetzung als Kommunikationschef. Auch die Vakanz auf der Stelle seines persönlichen Referenten wäre wohl ohne Headhunter zu beheben gewesen. Vorschläge gab es genug. So liefen noch einmal Kosten in Höhe von rund 30.000 Euro auf.

Weniger Geschick im Umgang mit Sponsoren

Dass sich Finanzvorstand Ulrich Ruf in seiner Rolle als sonst so gestrenger Hüter der Zahlen bei all dem vornehm zurückhielt, erklärt sich womöglich damit, dass auch er von Mäuser auf Bonsai-Format zurückgeschnitten wurde. Der neue Präsident hatte kurz nach seinem Amtsantritt Rufs auslaufenden Vertrag überraschend verlängert.

Weniger Geschick legte Gerd Mäser von Beginn an im Umgang mit Sponsoren an den Tag. Seine uninspirierten und lustlosen Auftritte in den Vip-Logen lieferten ständig Anlass zu verärgerten Diskussionen. Professor Klaus Fischer, Chef des Edelsponsors Dübel-Fischer, ließ er im Business Center nach knapper Begrüßung stehen wie einen Schuljungen - mit der Begründung, er habe noch einen wichtigen Termin. Fischer soll ihn nach Informationen unserer Zeitung in einem Brief auf die notwendige Etikette hingewiesen haben. Auch mit der Deutschen Fußball-Liga (DFL) gab es Stress, nachdem Mäuser " in leidiger Erinnerung an seine Kür" bei der DFL ein wenig barsch mit der Forderung vorstellig geworden war, die Liga-Statuten so zu ändern, dass der Aufsichtsrat künftig der Mitgliederversammlung nur einen einzigen Präsidentschaftskandidaten vorschlagen könne. Die juristischen Bedenken des DFL-Chefs Christian Seifert konterte Mäuser mit der wenig hilfreichen Ermahnung: "Ihr müsst hier mal aufräumen."

Anscheinend teamunfähig und ohne jede Kompromissbereitschaft verspielte der Club-Chef schnell Respekt und Autorität, weshalb sie Gerd Mäuser auf der VfB-Geschäftsstelle nur noch den "Kleinen" nennen und milde lächeln, wenn er bei Sponsoren-Terminen sein "Transfer-Sicherungs-System" preist, das im Kern kein Fehler ist, in der Schnelllebigkeit der Branche aber häufig ins Leere stößt. Gegen jede Warnung seiner Direktoren schloss er den Vertrag mit der Ticketbörse Viagogo ab und brachte die Fans gegen sich auf. Bis heute propagiert er gegen den Rat der Experten die Marke der Jungen Wilden, die sich immer mehr als leeres Produktversprechen erweist. Hartnäckig besteht er zudem auf seiner Vorstellung vom "Stuttgarter Weg", der nach Lage der aktuellen Dinge jährliche Transfereinnahmen von zehn Millionen Euro erfordert. Dass der VfB mit dieser Politik mehr und mehr an Substanz verliert, schert ihn so wenig wie der Hinweis, dass schon einmal ein Club mit dieser Strategie bis in die Viertklassigkeit abschmierte: die Stuttgarter Kickers.

Statt eine zukunftsfähige Taktik zu entwickeln, schimpft er lieber über "geizige Schwaben" und weist bei jeder Gelegenheit darauf hin, dass er auf den Job beim VfB nicht angewiesen ist. "Ich bin finanziell unabhängig. Dann gehe ich eben wieder Powerbootfahren nach Kroatien."

So betrachtet, drängt sich fast zwei Jahre nach seinem Amtsantritt der Eindruck auf, dass Gerd Mäuser weder im Fußballgeschäft noch beim VfB Stuttgart angekommen ist. Vielleicht zog er deshalb jüngst zwei Medienprofis zurate, um seine Außendarstellung zu verbessern: den früheren Porsche-Pressechef Anton Hunger und Ex-Daimler-Sprecher Matthias Kleinert. Zumindest der Letztere berichtete danach von einem besonders schweren Fall.