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Wer behauptet, es sei zuletzt nicht gut gelaufen für Vedad Ibisevic, untertreibt maßlos. Der Profi des VfB Stuttgart ist in der Bedeutungslosigkeit versunken. Jetzt nimmt der einst gefürchtete Torjäger einen neuen Anlauf.

Lagos - Ein Testlauf gegen einen albanischen Erstligisten ist bestimmt nicht der Maßstab, der Vedad Ibisevic großartige Aufschlüsse über seinen aktuellen Leistungsstand liefert. Doch der Bosnier ist genügsam geworden. Er nimmt alles mit, was ihm auf dem Weg zurück nach oben förderlich ist. Und so freut er sich auch über seine beiden Tore beim 5:0-Erfolg gegen KF Laçi im Trainingslager an der Algarve: „Das macht Spaß und gibt Selbstvertrauen.“ Mehr jedenfalls als die Erfahrungen, die er in den vergangenen Monaten gemacht hat, „als ich in jedem Spiel fünf Chancen verballert habe“. Wenn er denn überhaupt gespielt hat.

„Noch nie“ ist er in einem ganzen Jahr ohne Torerfolg geblieben. Wenn er am 31. Januar zum Rückrundenstart mit dem VfB auf Borussia Mönchengladbach trifft, währt seine Durststrecke sogar ein Jahr und zwei Tage. Am 29. Januar 2014 hat er im Spiel gegen Bayern München sein letztes Pflichtspieltor erzielt. Seither ist viel passiert – viel Positives war nicht dabei für Vedad Ibisevic. „2014 war mein Seuchenjahr“, sagt der 30-Jährige, „aber ich war auch selbst daran schuld.“

Im Februar war er im Spiel gegen den FC Augsburg nach einer Unbeherrschtheit gegen Jan-Ingwer Callsen-Bracker vom Platz geflogen: Rote Karte, fünf Spiele Sperre, 20 000 Euro Geldstrafe. Als er zurückkehrte, war Huub Stevens neuer VfB-Trainer. Er setzte zunächst auf Ibisevic und, als er nicht traf, auf die Spieler, die voll im Saft standen. Ibisevic hatte keinen Rhythmus, war nicht in Form, und auch in der neuen Saison traf er das Tor nicht. Schlimmer noch: Im Oktober nahm ihn ein beginnender Ermüdungsbruch in der rechten Fußwurzel komplett aus dem Spiel. In der Partie gegen Bayer Leverkusen hatte er zur Halbzeit „unglaubliche Schmerzen“, beim Stand von 0:3 wollte er „die Mannschaft nicht im Stich lassen“, biss sich durch, doch danach machte er bis Weihnachten keinen Stich mehr.

Vier Wochen nach Weihnachten sitzt Vedad Ibisevic in der Hotellobby und bricht sein Schweigen. Denn geredet hat er seit Monaten nicht mehr. Stattdessen hat er sich eingeigelt, erst recht als Meldungen die Runde machten, er wolle den VfB verlassen. Das hat er damals umgehend dementiert, gleichwohl ist er nach der WM-Teilnahme mit Bosnien, seinem einzigen Lichtblick im Jahr 2014, ins Grübeln gekommen: „Danach gab es Angebote und Überlegungen.“ Letztendlich hat er sich zum Bleiben entschlossen, ausgestattet mit einem neuen Vertrag bis 2017: „Ich weiß, was ich an Stuttgart habe.“

Und bald sollen auch Stuttgart, der VfB und seine Fans wieder wissen, was sie an Vedad Ibisevic haben: einen Torjäger, der 33 Tore in 79 Bundesliga-Spielen erzielt und 15 Vorlagen geliefert hat und dem zuweilen das Prädikat „Lebensversicherung“ angehaftet hat. Der zuletzt aber auch viele Menschen enttäuscht hat – Mitspieler, Trainer, Fans. Und sich selbst. „Die Rote Karte“, sagt er, „wird immer in meinem Hinterkopf bleiben. Das möchte ich nie wieder erleben. Mein Ziel ist es, dass so etwas nie wieder passiert.“

Daran wird er sich messen lassen müssen. Und an seiner Torquote, die seit einem Jahr bei null steht. „Ich kann nachvollziehen, dass die Fans enttäuscht von mir sind“, sagt er, „das ist eine Last, die ich tragen muss.“ Ein Stürmer ohne Tore hat nun mal wenige Argumente, umso mehr sehnt er sich nach Torerfolgen, nicht nur gegen Laçi: „Eines verspreche ich: Ich habe das Toreschießen nicht verlernt. Ich weiß noch, wie das geht.“

Nach seiner überstandenen Verletzung kehrt der Spaß so langsam zurück, und den will er sich nicht gleich wieder nehmen lassen. Deshalb habe er auch so harsch reagiert, als ihn Martin Harnik dieser Tage im Training rüde abgegrätscht hatte. Ibisevic war aufgesprungen und dem Österreicher an die Gurgel gegangen. „In diesen Sekunden ist mir durch den Kopf geschossen, dass ich wochenlang aus dem Rennen war, dass ich die ganze Zeit allein im Kraftraum geschuftet habe und keinen Spaß hatte. Ich dachte: Mann, jetzt kommst du gerade aus einer Verletzung, dann muss das doch nicht sein.“

Inzwischen vertragen sich die beiden wieder. Gegen Gladbach gehen sie wieder gemeinsam auf Torejagd. „Ich bin vorsichtig, was die Rückrunde angeht. Wir werden sicher nicht jeden Gegner wegschießen und am Ende Dritter werden“, sagt Vedad Ibisevic. Es reicht ja zunächst, wenn es Stück für Stück nach oben geht. Er hat es selbst in der Hand. Oder besser auf dem Fuß.