Sprung nach vorne: Przemyslaw Tyton will sich als VfB-Keeper in der Bundesliga beweisen Foto: Pressefoto Baumann

Cristiano Ronaldo und Lionel Messi kennt er schon, nun ist Przemyslaw Tyton heiß darauf, sich in der Bundesliga zu beweisen – als neue Nummer eins des VfB Stuttgart.

St. Gallen - Auf einmal befällt den Schlaks mit den großen Händen doch tatsächlich die Amnesie. „Ich weiß nicht, wovon Sie reden“, sagt Przemyslaw Tyton, setzt ein schelmisches Grinsen auf und ergänzt: „An einen solchen Vorfall kann ich mich nicht erinnern.“ Netter Versuch – doch von der Kopfverletzung, die der Keeper in seiner Zeit beim PSV Eindhoven erlitten hat, wissen sowohl Fragesteller als auch Befragter. Nur: Für Przemyslaw Tyton spielt das längst keine Rolle mehr. Und damit nicht doch einer auf die Idee kommt, der Zwischenfall vom Herbst 2011 sei heute noch ein Hemmnis für den polnischen Torhüter, versichert er: „Ich sitze hier, mir geht es gut, ich bin gesund und top in Form.“ All das ist auch notwendig.

Der VfB Stuttgart nämlich ist in den kommenden Wochen auf das Wohlergehen des 1,95 Meter großen Torhüters angewiesen. Denn mittlerweile ist klar: Przemyslaw Tyton ist die neue Nummer eins im Tor der Roten. Vorerst zumindest.

Tyton freut sich auf das Abenteuer Bundesliga

Mit Mitch Langerak hätte sich der Pole einen Zweikampf um den Stammplatz liefern sollen. Schon nach wenigen Tagen der Saisonvorbereitung aber verletzte sich der von Borussia Dortmund gekommene Australier. Am Freitag kam Langerak zwar im Trainingslager in St. Gallen an, den Bundesligastart verpasst er aber wohl noch. Weshalb sich nun Tyton einreiht in die wohlklingende Liste der VfB-Stammkeeper – die dem Neuzugang zumindest in Teilen bekannt ist.

„Sven Ulreich“, zählt der sympathische Schlaks auf, „Jens Lehmann, Timo Hildebrand.“ Gut, mit anderen Namen kann er weniger anfangen. Franz Wohlfahrt? Nie gehört. Eike Immel? Ein Schulterzucken. Ein Tipp vielleicht? Immel war 1988 Deutschlands EM-Torhüter. „1988?“, entgegnet Tyton und lacht entschuldigend, „hey, da war ich gerade mal ein Jahr alt.“

Nun ist er 28, hat schon einiges erlebt in seinem Fußballerleben und freut sich nun auf ein „neues Abenteuer“: die Bundesliga. Im Training hat er bisher wenig größere Unterschiede zu seinen bisherigen Stationen beim PSV Eindhoven und beim FC Elche ausmachen können: „Es sind Details, die anders sind.“ Und auch die bevorstehende Saison, so scheint es, macht den ruhenden Pol nicht nervös. Womöglich, weil er schon Erfahrungen gegen die ganz Großen gesammelt hat.

Tyton entscheidet je nach Situation

In der Primera Division stand er Offensivstars wie Lionel Messi oder Cristiano Ronaldo gegenüber, doch bestreitet er, dass ebendiese Begegnungen besonders wertvoll für seine Entwicklung gewesen wären. „Ich analysiere natürlich jeden Gegner“, sagt Tyton, unnötig belasten will er sich aber auch nicht: „Ich versuche, mich zu fokussieren und meine Leistung abzurufen, ganz egal, wie der Gegner heißt.“ Einer heißt bald Robert Lewandowski.

Den polnischen Nationalstürmer vom FC Bayern bezeichnet Tyton als „guten Freund“. Und er ist Beispiel für die These des VfB-Keepers, die da lautet: „In der Bundesliga sind die Stürmer athletischer und stärker.“ Was für ihn bedeutet: „Also muss auch ich stärker sein.“ Entsprechend schuftet er im Training, „er arbeitet wie die anderen Torhüter hart und konzentriert“, lobt Torwarttrainer Andreas Menger, „Przemyslaw hat den guten Eindruck, den wir von ihm hatten, bisher bestätigt“. Und sich auch schon ans neue System gewöhnt.

Zuletzt in Elche spielte Tyton oft lange Bälle von hinten heraus, sein Team stand meist eher defensiv. Beim VfB soll sich nun beides ändern. „Der Trainer will, dass der Torhüter weit vor dem Tor mitspielt“, sagt der polnische Nationalkeeper, der sich müht, den Spielaufbau schnell zu machen. Der aber auch warnt: „Du kannst den Ball nicht immer nur schnell nach vorne spielen, ohne nachzudenken.“ Soll heißen: Tyton entscheidet je nach Situation – in der Hoffnung, es Alexander Zorniger oft recht zu machen. Der Trainer, der ein Wechselspiel der Keeper in Liga und Pokal ausschließt, sagt: „Tyton ist gerade unsere Nummer eins, jetzt muss man sehen, was er daraus macht.“

Geht es nach der Nummer eins, die die 22 auf dem Rücken trägt, soll der Stammplatz von Dauer sein. „Ich will in der Bundesliga zeigen, was ich drauf habe“, sagt Tyton. Er will zudem in den Kreis der Nationalmannschaft zurückkehren. Und er möchte weitere sportliche Höhepunkte erleben. So wie 2012.

Im EM-Eröffnungsspiel wurde er in seiner Heimat eingewechselt und hielt gleich einen Elfmeter. „Ich hoffe, der größte Moment meiner Karriere kommt erst noch“, sagt Tyton, „aber klar: Das war damals ein toller Moment, der mein Leben verändert hat. Wenn ich mal 65 Jahre alt bin, kann ich mich daran erinnern.“ Zunächst allerdings zählt nur die Gegenwart – also auch nicht diese geheimnisvolle Verletzung aus grauer Vorzeit.