Liest dem VfB Stuttgart die Leviten: Martin Harnik (vorn, gegen den Münchner David Alaba) beklagt die fehlende Konstanz Foto: Baumann

Eine gute Mannschaft ist diejenige, die es fertigbringt, ihre Leistung auf konstant hohem Niveau abzurufen. Der VfB Stuttgart kann das nicht. Deshalb ist er nur Zwölfter, drei Punkte vor dem Relegationsrang. Eine Frage der Qualität – und mehr noch der Mentalität.

Stuttgart - Es dauerte nicht lange, da ging Fredi Bobic das ständige Gepiepse in seiner Hosentasche auf die Nerven. „Mein Handy quillt über, aber ich brauche diese blöden Glückwunsch-SMS nicht. Wir haben null Punkte“, ärgerte sich der Sportdirektor nach dem 1:2 (1:0) gegen den FC Bayern.

Einsatz, Kampf, Leidenschaft – es hat alles gestimmt. Trotzdem steht der VfB mit leeren Händen da, mit nur 19 Punkten in der Tabelle, mit der Furcht, ganz schweren Zeiten entgegenzugehen – und mit dem Makel, eine launische Diva zu sein. Warum haut sich die Mannschaft gegen die Überflieger von der Isar rein, als gäbe es kein Morgen, warum schenkt sie Spiele gegen vermeintlich einfachere Gegner wie zuletzt Mainz 05 leichtfertig her? Das fragen sich die Fans, die Trainer, die sportliche Leitung – und auch einzelne Spieler. Allen voran Martin Harnik. Nach dem Schlusspfiff platzte dem Österreicher der Kragen. „Ich bin weniger vom Spiel enttäuscht als davon, dass wir es sonst nicht schaffen, so aufzutreten. Das ist das eigentliche Armutszeugnis“, wetterte Harnik. Die Mannschaft trete „immer nur zwei oder drei Spiele in der Saison gegen große Gegner“ so auf: „Wir müssen uns nicht in die Tasche lügen, wie toll wir heute waren. Wir müssen versuchen, das jede Woche abzurufen.“

Gut gebrüllt, Löwe. Nur: Warum gelingt das nicht? Wie stellt der VfB dieses Manko ab? Und: Folgt auf das Festmahl nun womöglich wieder die übliche, fade Alltagskost?

Keine Frage, es macht schon einen Unterschied, ob es in einem halbleeren Stadion gegen Mainz (oder im nächsten Heimspiel am 9. Februar gegen den FC Augsburg) geht, was beide Male nicht das ganz große Prickeln auslöst – oder vor vollem Haus unter Flutlicht gegen die derzeit weltbeste Mannschaft. Gegen die Bayern spielen andere Emotionen mit, da sind die Spieler zu 100 Prozent fokussiert, da hält das Adrenalin die Leistung hoch. Gegen weniger attraktive Mannschaften ist die Konzentration nicht am oberen Anschlag, und, schwuppdiwupp, schon verliert ein Durchschnittsteam wie der VfB. „Das kann man nicht vergleichen“, betont Vedad Ibisevic. Warum nicht? Selbst wenn es menschlich ist, zwei Gesichter zu zeigen, lässt sich das mit den Anforderungen an eine Profimannschaft nicht vereinbaren.

Schon eher lässt es Rückschlüsse zu auf deren Qualität, aber auch auf deren Charakter und Mentalität. Nette Jungs sind sie alle, die VfB-Profis. Wenn es auf dem Platz läuft, kann ihnen kaum einer was. Ein Selbstläufer ist das freilich nicht, wie die vielen Negativerlebnisse in dieser Saison zeigen. Dann braucht es Anstöße – von außen und von innen. Kämpfen, beißen, rackern, die anderen mitreißen: Solche Eigenschaften liegen manch einem im Naturell, andere müssen sie immer wieder abrufen, was mal mehr, mal weniger gut gelingt. Gegen Mainz habe „die Gier gefehlt“, sagt Bobic – aber welches andere Ziel sollte eine Mannschaft haben, als auf Teufel komm raus in jedem Spiel drei Punkte zu erobern?

„Gegen die Bayern“, legte Harnik nach, „war es kein Problem, so zu spielen. Aber der Alltag sieht eben anders aus. Um den müssen wir uns kümmern. Es bringt jetzt nichts, uns gegenseitig den Hintern zu pudern.“ Vielleicht müssen sie einfach mehr miteinander reden. „So oft habe ich in der Kabine so kritische Worte noch nicht gehört“, sagt Harnik. Jetzt ist das Thema zumindest gesetzt.

Besonders eklatant klaffen beim VfB Anspruch und Wirklichkeit auseinander, wenn die Mannschaft ihr größtes Problem lösen muss – das Spiel zu machen. Gegen die Bayern entfiel diese Aufgabe weitgehend, das übernahmen die Münchner, die 74 Prozent Ballbesitz hatten. Der VfB verteidigte bravourös und setzte auch nach vorn Akzente, was leichter fiel als gegen defensiv eingestellte Gegner, weil die Bayern nicht mit Mann und Maus verteidigten und sich dem VfB somit mehr Räume boten als sonst.

So hatte die Heimpartie fast den Charakter eines Auswärtsspiels, was für die bevorstehende Aufgabe bei Bayer Leverkusen an diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky) mehr Mut macht als für das folgende Heimspiel gegen Augsburg, in dem wieder Kärrnerarbeit auf die Mannschaft wartet. Allerdings auch nur bedingt: Gegen die Topteams hat der VfB in der gesamten Saison noch nicht gepunktet.

Die Mannschaft habe „gezeigt, wozu wir fähig sind“, sagt Trainer Thomas Schneider. Auch da widerspricht ihm Harnik: „Man sieht, dass es uns an Qualität fehlt. Sonst müssten wir es schaffen, dass wir 30-mal in der Saison ans Limit gehen.“ Gerade gegen sogenannte leichtere Gegner. Gegen sie entscheidet sich, ob der VfB in der unteren oder in der oberen Tabellenhälfte steht, ob er sich vor der Relegation fürchten muss oder auf die Europa League hoffen darf. Wobei drei Punkte gegen das Topteam aus Leverkusen auch herzlichst willkommen wären.