Vier Saisontore sind passabel für einen 19-Jährigen. Andererseits wäre viel mehr drin für Timo Werner, wenn der Stürmer des VfB Stuttgart effizienter wäre. So wie Alex Meier, auf den er an diesem Samstag trifft. Ein spannendes Duell.

Stuttgart - Die Bälle kommen von links und von rechts, sie kommen flach und hoch, mal scharf und mal lässig, und vor dem Tor übt Timo Werner das, was er noch am wenigsten kann – den Abschluss. Nach jedem Training legt der VfB-Stürmer eine Extraschicht ein, allerdings mit bisher überschaubarem Erfolg. Siehe das 2:1 gegen den Hamburger SV. Da hatte Werner Torchancen in Hülle und Fülle – und vergab sie alle.

Und was sagte Werner dazu? Er sagte: „Darüber mache ich mir keinen Kopf.“

Das klingt ziemlich wurstig, ist aber das einzig richtige Rezept. Augen zu und durch. „Als Stürmer geht es immer weiter“, sagt Timo Werner, „im Spiel gegen Wolfsburg war es ähnlich: viele Chancen, kein Tor. Gegen Köln hatte ich dann weniger Chancen, aber da habe ich ein Tor gemacht und eines vorbereitet.“ Auf und Ab – das Los eines Stürmers.

Duell mit Alex Meier: Der Frankfurter ist die Effizienz in Person

Wobei: Es gibt Ausnahmen. An diesem Samstag trifft er in Frankfurt auf Alex Meier. Vor vier Jahren kam der Eintracht-Kapitän auf 17 Saisontore, vor drei Jahren waren es 16. Vergangene Saison wurde er mit 19 Treffern Torschützenkönig, jetzt steht er wieder bei zehn. „Gib’ ihm den Ball, und er schießt ihn rein“, staunt Neuzugang Marco Fabian. Meier ist der Ballermann der Liga – im positiven Sinn. Werner ist auch ein Ballermann – in anderer Hinsicht: Kein anderer Bundesligaprofi verballert so viele Hundertprozentige wie er (neun von zwölf). Und doch sagt Sportvorstand Robin Dutt: „Timo muss einfach so weitermachen.“

Bis vor kurzem ist Timo Werner ziemlich vogelwild durch die Strafräume der Liga gekurvt. Laufwege, Ballbehandlung, Torabschluss: Alles sah reichlich planlos aus. Überhastet wirkt er immer noch. Aber es stimmt auch, wenn er sagt: „Ich habe mein Spiel weiterentwickelt. Jetzt komme ich zu guten Torchancen.“ Das ist die nächste Stufe seines Reifeprozesses. „Diese Chancen muss ein Stürmer erst mal haben“, sagt Robin Dutt, „Timo lässt die Innenverteidiger oft sehr schlecht aussehen, weil sie nicht in der Lage sind, ihn am Torschuss zu hindern.“

Jetzt muss er die Bälle nur noch verwandeln – eine Frage der Zeit?

Schließlich war auch Alex Meier nicht gleich der Stürmer mit der eingebauten Torgarantie. Zum Vergleich: Werner ist 19 Jahre jung, Meier 33 Jahre alt. Mit 19 Jahren hat Werner schon 80 Bundesligaspiele auf dem Buckel, Meier hat in diesem Alter für den Absteiger FC St. Pauli erst sein Ligadebüt gefeiert. Werner hat elf Ligatore erzielt, Meier hatte mit 19 sechsmal getroffen – in der zweiten Liga. „Mit 19 habe ich noch Zeit. Ich kann noch alles lernen“, sagt Timo Werner. Übersicht, Kaltschnäuzigkeit, Abgeklärtheit. „Die Ruhe fehlt mir noch ein bisschen“, sagt er. Andererseits: „Ich stehe nicht nur im Strafraum herum und warte auf meine Chancen. Ich setze meine Mitspieler ein.“

Timo Werner stand schon 34 Mal im Abseits: „Ich spiele immer auf Kante“

Alex Meier ist da eigennütziger. Neulich, beim 3:2 gegen den VfL Wolfsburg, hatte er nach mehr als einer Stunde Spielzeit erst 13 Ballkontakte. „Alex macht im Spiel nicht allzu viel“, sagt sein Kollege Marc Stendera, „aber vorne ist er Weltklasse.“ Meiers 14. Ballkontakt landete im Tor. Am Ende hatte er alle drei Frankfurter Treffer erzielt.

So ist das häufig: Hopp oder top. Dazu passt auch dies: Timo Werner stand diese Saison 34 Mal im Abseits, so häufig wie kein anderer Bundesligaprofi. „Ich spiele immer auf Kante“, sagt er, „da muss ich noch häufiger das richtige Timing erwischen.“ Auch das hat viel mit Erfahrung zu tun. Die wächst stetig weiter. „Timo ist gesetzt, das ist keine Frage“, sagt Trainer Jürgen Kramny, „gegen Köln und Wolfsburg hat er richtig gute Spiele abgeliefert. Und was den Abschluss angeht, kann er aus jeder Situation lernen.“ Im Training. Im Spiel. Aber bitte nicht am Samstag von Alex Meier.

Denn der spielt seine Qualitäten vor allem in der heimischen Commerzbank-Arena aus: Seit 2012 hat er 37 seiner 53 Tore – also 70 Prozent – dort erzielt. Noch extremer: Neun seiner zehn Tore in dieser Saison fielen zu Hause. „Meier ist schwer zu neutralisieren. Er schleicht herum und ist plötzlich da“, sagt Kramny – und hofft, dass Timo Werner in diesem Spiel keinen Anschauungsunterricht in Sachen Toreffizienz bekommt.