100 Tage ist Gerd Mäuser als Präsident des VfB Stuttgart im Amt - Zeit für eine Bilanz.

Stuttgart - 100 Tage ist Gerd Mäuser als Präsident des VfB Stuttgart im Amt. Zeit, eine erste Bilanz zu ziehen. Zeit, sich beim Besuch in unserer Redaktion den Fragen zu stellen. Und Zeit, nach vorn zu blicken. "Wir müssen eine Lücke schließen", sagt Mäuser, erklärt aber auch: "Wir tun das Maximale für den sportlichen Erfolg."

Herr Mäuser, Sie sind nun 100 Tage als Präsident des VfB Stuttgart im Amt. Haben Sie sich schon eingelebt?

Ja. Die Arbeit macht Spaß, auch wenn es etwas mehr ist, als ich zunächst gedacht habe. Und ehrlich gesagt, bin ich ganz offen, das heißt ohne bestimmte Erwartungen, an die Sache herangegangen.

Aber mit einem Plan.

Ich hatte mich mit meinem Zehn-Punkte-Plan beworben, dafür bin ich gewählt worden, und den setze ich jetzt auch um.

Wie genau?

Zunächst ging es für mich darum, die Mitarbeiter kennenzulernen, das ist logischerweise bei insgesamt rund 250 Mitarbeitern immer noch nicht abgeschlossen. Darüber hinaus haben wir begonnen, alle internen Prozesse anzuschauen, und sind dabei, diese effizienter zu takten. Schließlich sind die Punkte aus dem Zehn-Punkte-Plan in konkrete Projekte umgesetzt worden.

Wie oft hat eigentlich der neu geschaffene Sportbeirat schon getagt?

Einmal, und das zweite Treffen ist gerade in Vorbereitung. Dabei wird es um eine mittel- bis langfristige Strategie von der U 19 bis zu den Profis gehen. Und um die Frage: Auf welchen Positionen können wir eigene junge Leute einsetzen, und auf welchen müssen wir taktisch und strategisch Leute von außen zu uns holen. Wenn das klar und mit den übrigen, vor allem wirtschaftlichen Planungen des Vereins abgestimmt ist, haben Fredi Bobic und Jochen Schneider als sportlich Verantwortliche ein klares Briefing für die nächsten Transferperioden.

Wie geht es dann weiter?

Dann konkretisieren unsere Scouts den Kreis geeigneter Kandidaten. Wenn sie diese haben, greift unser neues Transfer-Qualitäts-Sicherungssystem. Dabei werden die Kandidaten nach unterschiedlichsten Kriterien bewertet, um zu erkennen, ob ein Spieler zu uns passt oder nicht.

Beim VfB passt derzeit wieder vieles. Warum läuft es denn derzeit so gut?

Fakt ist, dass wir einen hervorragenden Trainer haben, der, seit er da ist, 47 Punkte geholt hat - das ist eine tolle Leistung. Darüber hinaus hat Fredi Bobic bei seinen Transfers ein gutes Händchen gehabt. Diese beiden Dinge zusammen haben dafür gesorgt, dass die Mannschaft wieder stabiler spielt als in der Vorrunde der vergangenen Saison.

"Wir brauchen eine ausgeglichene Bilanz"

Dennoch stellt sich die Frage: Wie geht es langfristig weiter? Wir hören immer nur von einem Sparplan, der als Stuttgarter Weg verpackt wurde?

Der Stuttgarter Weg ist kein Sparplan. Klar ist doch: Man kann nicht auf Dauer mehr ausgeben, als man einnimmt. Punkt. Aus. Ende. Wer das immer noch nicht kapiert hat, dem kann man einfach nicht helfen. Das Grundübel, das uns alle im Moment beschäftigt, ist doch, dass Personen, Institutionen oder auch ganze Staaten über ihre Verhältnisse leben. Das geht nicht - auch nicht bei einem Sportverein.

Was also beschreibt der Stuttgarter Weg?

Dass wir das Maximale für den sportlichen Erfolg tun, ohne die wirtschaftliche Existenz des Vereins zu gefährden. Das heißt: Auf Dauer brauchen wir eine ausgeglichene Bilanz - und das ist dann kein Sparplan, sondern normales Wirtschaften.

Das heißt aber auch, dass der VfB derzeit noch über seine Verhältnisse lebt.

Erstens: Wir sind im Sommer mit den Verpflichtungen von Maza und Kvist sowie den acht Profiverträgen für Jugendspieler ins Risiko gegangen. Zweitens: Wir konnten Transfererlöse nicht in dem Umfang erwirtschaften, wie wir das geplant hatten. Das verursacht bei uns im Moment eine Lücke, aber wir glauben, dass wir sie bis Jahresende schließen können.

Etwa durch den Verkauf von Bernd Leno, der an Bayer Leverkusen ausgeliehen ist.

Wir müssen ihn nicht verkaufen, um die Lücke zu füllen. Abgesehen davon liegt uns bis jetzt kein Angebot vor, das uns schwindelig macht und bei dem wir sagen: Da müssen wir ernsthaft darüber nachdenken.

Leverkusens Geschäftsführer Wolfgang Holzhauser hat sich doch schon gemeldet, oder?

Das hat er, dabei hat er aber kein Angebot abgegeben, sondern nur eines angekündigt. Außerdem entspricht Bernd Leno ja auch unseren Idealvorstellungen eines Jungen Wilden: jung, deutsch, hochtalentiert, hier aus der Region...

Umso kniffliger ist doch aber der Fall.

Ich war am Montagabend in meinem Wohnort beim FSV 08 Bissingen eingeladen, um dort einen Vortrag zu halten - und wer kommt da reinmarschiert? Der Bernd Leno, da er auch dort wohnt, meine beiden Söhne haben früher mit ihm zusammen auf dem Bolzplatz gekickt. Wir haben uns also unterhalten, und ich sagte: Jetzt bist du ja bald wieder bei uns. Da sagte er: Ach, ich würde so gerne in Leverkusen bleiben. Trotzdem gilt: Faktisch gibt es bis jetzt nichts anderes, als dass er am 1. Januar wieder bei uns ist.

Angeblich gab es ein Angebot über fünf Millionen Euro.

Das gab es nicht. Und für fünf Millionen geben wir ihn auch nicht ab. Wir geben ihn nicht unter Wert ab.

"Wir haben ein super Verhältnis zu Gazi"

Was ist mit zehn Millionen?

Da würden wir zumindest hinschauen.

Sollte das Geld nicht wie erwünscht fließen, braucht der VfB andere Einnahmequellen. Wo gibt es da noch Potenzial?

Wir haben die gleichen Einnahmequellen wie alle anderen Bundesligaclubs: TV-Gelder, das Ticketing, Vermarktungs- und Werberechte sowie Sponsoring und Transfererlöse. Bei alldem gilt aber: Die Grenzen des Wachstums sind so gut wie erreicht, da alle Bundesligavereine in den meisten Bereichen schon sehr gut aufgestellt sind. Ich wüsste nicht, wo da die großen zusätzlichen Geldquellen noch herkommen sollten.

In der Fußballbranche wirkt es verwunderlich, wenn einer das Ende des Wachstums ausruft. Keiner nimmt den Fans gern die Illusion.

Das ist auch nicht mein Ziel. Ich bin aber Realist und stelle mir die Frage: Woher soll das Geld denn kommen? Wie gesagt: Wir leben hier im Schwabenland, nicht in einem hoch verschuldeten Land.

An einem Punkt könnten Sie die Einnahmen schon noch erhöhen - beim Trikotsponsor.

Wieso? Wir haben doch einen.

Mit dem Sie aber nicht das erlösen konnten, was sie sich seinerzeit vorgestellt hatten. Und über dessen Ausstieg zum Saisonende spekuliert wird.

Der Abschluss fiel zusammen mit dem Tiefpunkt der Wirtschaftskrise, und die Firma Gazi hat uns damals sehr geholfen. Seitdem haben wir einen Hauptsponsor, mit dem wir ein super Verhältnis haben und der einen adäquaten Preis zahlt.

Also suchen Sie noch nicht nach einem Nachfolger?

Nein, ich habe von Eduardo Garcia auch kein Zeichen bekommen, das darauf hindeutet, dass er nicht als Hauptsponsor weitermachen möchte. Außerdem gilt auch hier: Eine enorme Steigerung bei einem neuen Vertrag, mit wem auch immer, wird nicht drin sein.

Also müssen Sie die wenigen Mehreinnahmen, die Sie noch erzielen können, am ehesten in die Jugendarbeit stecken - um dann wieder Transfererlöse zu generieren.

Genau das ist der Weg. Da müssen wir investieren, wir müssen die gesamte Jugendarbeit und das Scouting weiter professionalisieren - obwohl wir da schon sehr gut sind.

"Labbadia macht einen Riesenjob"

Wie wird man da noch besser?

Wir haben Benchmark-Untersuchungen initiiert, um zu sehen, wie wir im internationalen Vergleich dastehen. Dafür werden wir uns mit dem FC Barcelona, dem FC Porto und dem FC Arsenal, was Jugendarbeit und Scouting angeht, vergleichen und schauen, was diese Vereine anders und womöglich besser machen.

Und die Clubs geben Ihnen einfach so Einblick in ihre Methoden?

Ja. Zwar nicht in alle Bereiche, aber die wesentlichen Dinge können wir schon sehen. Im Bereich Jugendarbeit ist der VfB ja auch kein Niemand, sondern bereits sehr gut. Wir hospitieren bei diesen Clubs, deren Mitarbeiter kommen aber auch teilweise zu uns.

Ihren derzeitigen Cheftrainer haben Sie schon gelobt. Gab es bereits Gespräche über eine vorzeitige Vertragsverlängerung?

Nein. Aber die wird es geben, da wir idealerweise langfristig mit ihm zusammenarbeiten möchten.

Wenn er weiter erfolgreich arbeitet, könnte irgendwann der FC Bayern locken.

Ich weiß doch wirklich nicht, was in drei Jahren ist. Wenn Bruno Labbadia einen Riesenjob macht - und den macht er gerade -, wird er natürlich interessant für andere Vereine.

Zwei Dinge möchten wir noch ansprechen, die bereits vor Ihrer Wahl für Kritik am Verein geführt haben: Die Fankarte in der Mercedes-Benz-Arena und mangelnde Transparenz.

Zur Fankarte kann ich sagen: Das lief bisher sicher nicht perfekt. Wir arbeiten aber daran, dass erstens die Netzkapazität im Stadion verbessert wird und dadurch der Service an den mobilen Ladestationen. Zweitens haben wir beantragt, dass künftig Einwegbecher, deren Einsatz sogar ökologischer wäre, benutzt werden dürfen. Und drittens entspannt sich die Lage im Bereich der Cannstatter Kurve, wenn der Fantreff in Betrieb genommen wird.

Und wie wird der VfB für Fans und Mitglieder transparenter?

Wir planen ein zentrales Online-Forum für Mitglieder, Fan-Clubs und Dauerkartenbesitzer. Wir wollen kommunizieren, auch über bestimmte Entscheidungen könnte dort abgestimmt werden. Klar ist aber auch: Wir können und dürfen nicht alles offenlegen.