Die Abwehrpatzer wiegen schwerer als die Stürmertore Foto: Fotolia/pitris

Seit sechs Spielen ballern die Angreifer des VfB Stuttgart um die Wette. Dumm nur: Der Sturm muss stets ein Tor mehr erzielen, als die Abwehr Fehler macht. In den seltensten Fällen geht das gut.

Stuttgart - Huub Stevens hat ausnehmend gute Laune. Das macht misstrauisch in Zeiten, in denen im Umfeld des Tabellenletzten den wenigsten noch zum Lachen zumute ist. Für Stevens aber ist das mehr als gute Miene zum erfolglosen Spiel, für ihn gehört es zum Repertoire eines modernen Trainers, der auch psychologisch nicht ganz unbedarft ist. „Natürlich ist der Druck da. Aber Fußball muss doch Spaß machen“, sagt der Niederländer, „es muss Spaß machen, um etwas zu spielen, um etwas zu kämpfen. Deshalb sage ich den Jungs: Habt Spaß, macht euren Job mit aller Freude, die in euch steckt.“

Auf Platz 18 fällt das naturgemäß nicht leicht. Und auch innerhalb der Mannschaft gibt es Unterschiede. Die Stürmer etwa treffen seit einiger Zeit zuverlässig und häufig, das beflügelt. Den Verteidigern dagegen fehlt zunehmend die Leichtigkeit des Seins. Bei ihnen reihen sich Fehler an Fehler, häufig mit fatalen Folgen: Die Spiele gehen verloren, weil die Stürmer gar nicht so viele Tore erzielen können, wie die Abwehrspieler Fehler machen. Was da hilft? „Du musst Vertrauen haben“, sagt Huub Stevens.

Bei den Stürmern schlägt das Vertrauen an. Gegen Schalke 04 war er wieder zu bestaunen, der ganz spezielle Torjubel, den Daniel Ginczek und Martin Harnik seit einiger Zeit zelebrieren: Trifft einer der beiden ins Tor, springt Harnik in die ausgestreckten Arme von Ginczek und lässt sich wie ein Baby wiegen. Die Botschaft scheint klar: Da ist Nachwuchs unterwegs – ist aber ein Irrtum. Vielmehr ist die Idee im Training entstanden. Bei Ginczeks erstem Treffer im VfB-Trikot gegen Frankfurt gab es die Bundesliga-Premiere, seither haben die beiden ihren Torjubel beibehalten.

Defensive reißt ein, was die Offensive aufbaut

Gelegenheit dazu gab es zuletzt zuhauf: In den letzten sechs Spielen hat Ginczek (24) sechs Tore erzielt (und zwei Torvorlagen geliefert), Harnik (27) kam auf drei Tore und drei Vorlagen. Und dann ist da ja noch Filip Kostic (22): Er hat in diesen sechs Spielen ein Tor und vier Vorlagen beigesteuert. Da kommt Freude auf – auch beim ehemaligen Vorzeigestürmer des VfB. „Ginczek ist athletisch, groß und kopfballstark“, sagt Fritz Walter (54) über seine Nach-Nach-Nachfolger im Trikot mit dem Brustring, „Harnik riskiert im Spiel viel, macht deshalb auch einige Fehler, aber eben auch viele Tore. Und Kostic, der ist ja richtig schnell, seit er abgenommen hat.“ Fritz Walter, der Bundesliga-Torschützenkönig von 1992 und Stammgast in der Mercedes-Benz-Arena, hat deshalb am Sturm wenig zu kritteln: „Mehr als zwei, drei Tore pro Spiel kannst du nicht machen.“

Genau das ist aber auch das Problem des VfB. Viel zu selten reichen die Treffer, die vorne fallen, für Siege aus. Weil die Fehler, die hinten passieren, noch schwerer wiegen. Zehn Tore hat der VfB in diesen letzten sechs Spielen erzielt, aber 13 kassiert: Die Defensive reißt ein, was die Offensive aufbaut.

Dies abzustellen, daran arbeitet der VfB Tag für Tag. In allen erdenklichen Trainingsformen wirkt Huub Stevens darauf hin, die Abwehrschnitzer abzustellen – bislang mit mäßigem Erfolg. Womöglich auch deshalb, weil die Patzer alle Defensivspieler befallen – reihum, immer einen anderen. „Ich habe mit Waldhof Mannheim jahrelang gegen den Abstieg gespielt“, sagt Fritz Walter, „das zermürbt. Weil du da Fehler machst, die du wahrscheinlich nicht machen würdest, wenn die Mannschaft weiter oben stünde.“

Wenn das Schlechte schon nicht gut wird, muss das Gute eben noch besser werden. Daniel Ginczek trifft am Fließband – geht das überhaupt besser? „Natürlich“, sagt Huub Stevens, „ich sehe bei ihm noch viel Potenzial. Selbst Lionel Messi, der Beste der Welt, wird noch besser werden.“ Weil das im Wesen großer Sportler steckt, weil das deren große Karriere ausmacht, wie Huub Stevens einst beim Training des AC Mailand selbst erlebt hat. „Damals“, sagt er mit der Weisheit des erfahrenen Weltmannes, „hat Franco Baresi mit dem jungen Paolo Maldini Torschüsse geübt. Baresi war damals 34, der hat die Bälle reihenweise in den Strafraum geschaufelt. Das hat er nicht nur wegen Maldini getan, das hat er auch für sich gemacht. Solche Ambitionen musst du als Profi haben.“

Auf den VfB übertragen heißt das im Idealfall: Mit jedem Training wird Ginczek besser. Harnik auch. Und Kostic ebenso. Das hebt die Hoffnung auf Tore, noch mehr Tore. Es muss am Ende eben eines mehr sein, als die Abwehr Fehler produziert. Und schnell, bitte schön, sollte es auch gehen. Konkret: bis morgen. Dann kommt der FSV Mainz 05.