Huub Stevens geht an seine Aufgabe beim VfB Stuttgart sehr pragmatisch ran Foto: Baumann

Kämpferisch und taktisch ordentlich, spielerisch beim 1:1 gegen den FSV Mainz 05 aber nur knapp über der Armutsgrenze: Huub Stevens will den taumelnden Bundesligisten VfB Stuttgart mit viel Pragmatismus aus dem Tabellenkeller führen.

Mainz - Kurz nach der Halbzeitpause hatte auch das Spielgerät plötzlich keine Lust mehr. Als ob es sagen wollte: Ich bin ein Fußball, ich will doch nur spielen, versagte es kurz vor einem Eckstoß von Adam Hlousek seinen Dienst. Offenbar wollte der Ball von den VfB-Akteuren nicht länger nur mit Füßen getreten werden, sondern trachtete nach einer pfleglicheren Behandlung – pffft, die Luft war raus.

Dass die Roten in der Folge sich doch noch besonnen, dass zu einem erfolgreichen Fußballspiel mehr gehört, als selbiges nur dem Gegner schwerzumachen, hatte viel mit dem zu tun, was die Gastgeber hinterher als „Gurkentor“ schmähten. VfB-Trainer Huub Stevens sprach nach dem Ausgleichstreffer von Filip Kostic zum 1:1 (72.) dagegen davon, dass du in so einer Situation auch mal „das Quäntchen Glück“ benötigst. „Ob das ein Torschuss oder eine Flanke war, ist mir völlig egal“, sagte der gut gelaunte Coach. Und grinste nur.

Ihm war auch völlig egal, wie das glückliche Unentschieden gegen bessere, aber keinesfalls gute Mainzer zustande gekommen war. Nämlich durch Beton-Fußball in bester „Die Null muss stehen“-Manier. Der Niederländer setzte dort an, wo es bei seinen Patienten vom Tabellenende zuletzt am ärgsten gekrankt hatte. In der Defensive, genauer: bei Standardsituationen. Also installierte er einen Abwehrverbund aus zwei Viererketten. Sechs, wenn nicht sieben Akteure waren im Wesentlichen mit Defensivaufgaben betraut und hatten keinen anderen Auftrag, als die schreckliche Bilanz von 31 Gegentoren im Zaum zu halten. Bis auf den Führungstreffer durch Johannes Geis (36.) ging das Vorhaben auch einigermaßen auf.

„Wenn du mit 31 Gegentoren nach Mainz fährst, musst du erst einmal Stabilität reinbringen“, befand Stevens. „Das ist uns ganz gut gelungen.“ Sein stechender Blick in Richtung der Journalisten konnte Nachfragen nach der spielerischen Wertigkeit der Partie nicht verhindern. Aber auch das war ihm letztlich wurscht. Was zählt, ist das Ergebnis, und ansonsten gilt in der aktuellen Situation: Erlaubt ist, was hilft.

Von offensivem Feingeist-Fußball, den Stevens Vorgänger Armin Veh nach Stuttgart zurückbringen wollte und der in Ansätzen sogar schon zu erkennen war, ist die Mannschaft nach drei Spielen unter dem 61-Jährigen derzeit so weit entfernt wie vom Einzug in die Champions League.

Pragmatismus lautet Stevens Gebot der Stunde. Konkret heißt das, die von den vielen Trainer- und Systemwechseln verunsicherte Mannschaft das trainieren und spielen zu lassen, was für die Prügelknaben der Liga zurzeit im Bereich des Möglichen liegt. Konsequent in die Zweikämpfe, genaue Zuordnungen, Räume zustellen, einfache Pässe. Der doppelte Rittberger muss warten.

Die Mannschaft scheint dies auch anzunehmen. „Klar war es nicht schön anzuschauen heute“, meinte Torhüter Sven Ulreich am Ende eines nasskalten und ungemütlichen Abends. „Aber wenn wir weiter konzentriert arbeiten und wenig zulassen, geht es auch bald wieder nach vorn.“ Spielerisch und in der Tabelle, wohlgemerkt. Ähnlich fiel die Analyse von Daniel Ginczek aus. Er war nach seiner langen Verletzung vor allem froh, „mal wieder 90 Minuten durchgespielt zu haben“. Dass der Sturmspitze die Bindung zum Spiel völlig fehlte und ihm fast nichts gelang, war an diesem Abend auch für den 23-Jährigen Nebensache.

Die Hauptsache sind Punkte, und da sieht es trotz des einen Zugewinns von Mainz weiter düster aus. Um nicht auf einem Abstiegsplatz zu überwintern, was für die Moral der Truppe wenig förderlich wäre, vom schweren Auftaktprogramm nach der Winterpause ganz zu schweigen, sollte in den beiden ausstehenden Begegnungen am Dienstag (20 Uhr) beim Hamburger SV und am Samstag im Heimspiel gegen den SC Paderborn (15.30 Uhr/beide Sky) wenigstens ein Sieg her.

Wie er in Hamburg zu spielen gedenke? Stevens scherzhaft: „Am liebsten mit 14 Spielern. Das wäre gut für die Stabilität.“ Es würde dem VfB sicherlich helfen. Ist aber leider nicht erlaubt.