Diskussionen in der Cannstatter Kurve: VfB-Verteidiger Schwaab und die Fans Foto: Bm

Rang 14, fünf Niederlagen in Folge, ein 1:4-Debakel im eigenen Stadion gegen den FC Augsburg. Dem VfB Stuttgart steht das Wasser bis Oberkante Unterlippe. Und die Mannschaft leistet sich unnötige Streitereien.

Stuttgart - Wenn es stimmt, was Max Frisch uns lehrte, dann kann die Krise ein produktiver Zustand sein. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen. Die Krise, das ist seit Sonntagabend sicher, ist beim VfB ein wiederkehrender Gast. So wie zuletzt in der Saison 2010/2011.

Und die Katastrophe, so macht es den Eindruck, ist nun auch nicht mehr weit. Wer gegen den FC Augsburg im eigenen Stadion mit 1:4 verliert, noch dazu seinen Kapitän wegen einer Tätlichkeit einbüßt, die fünfte Niederlage in Folge einfährt und auf Rang 14 steht, der hat ein dickes Problem, dem man womöglich nicht allein mit der Empfehlung von Fredi Bobic begegnen kann.

„Wir müssen die Ruhe bewahren“, sagte der Sportvorstand des akut abstiegsgefährdeten VfB und machte ein Gesicht wie vor dem nächsten Migräneanfall. Im Schulterschluss mit Präsident Bernd Wahler versuchte er das zu verhindern, was in solchen Situationen so selbstverständlich kommt wie der Gong zur vollen Stunde: die Diskussion um den Trainer. „Das ist überhaupt keine Frage“, wehrte Bobic alle Anwürfe ab, und Wahler sprach vom „Vertrauen in Thomas Schneider, an dem sich nichts geändert hat. Wir haben ein Konzept, und dazu stehen wir“. Es wäre wohl auch zu einfach gewesen, an diesem Abend auf den jungen Coach zu zeigen, der hilflos mit ansehen musste, wie das weiß-rote Ensemble schon nach dem ersten Treffer der Augsburger innerlich zerfiel, anstatt gemeinsam Größe zu zeigen. „Ich bin sehr, sehr enttäuscht“, sagte Thomas Schneider, „wir haben ganz gut begonnen. Aber die Leistung nach dem Rückstand war indiskutabel.“

Dabei hatte er zuvor noch Zeichen gesetzt, die Bernd Wahler in „ihrer Konsequenz“ lobte. Stürmer Martin Harnik saß nur auf der Tribüne. Nach dem 1:2 gegen die Bayern hatte er davon gesprochen, dass es nicht hilfreich sei, „sich jetzt den Hintern zu pudern“. Weil die Leistung des Österreichers nach Schneiders Meinung danach in Leverkusen nicht reichte und auch im Training keine Reaktion zu erkennen war, nahm ihn der Coach aus dem Kader. „Er kann sich durch gute Leistungen wieder hineinspielen“, sagte der VfB-Trainer und deutete an, dass ähnliche Schicksale für die Zukunft nicht auszuschließen sind. Warum auch?

Zögerlich und schuldbewusst, als hätte sie die Polizei im Überholverbot erwischt, schlichen die Spieler nach dem Schlusspfiff in die Cannstatter Kurve. Die erstaunlich gefassten Fans hatten Fragen, auf die es auf die Schnelle allerdings keine Antwort gab. Warum war die Mannschaft nach dem Führungstreffer der Augsburger durch Arkadiusz Milik (35.) zusammengesackt wie ein misslungenes Soufflé? Wo doch der VfB Stuttgart unter den Augen von Bundestrainer Joachim Löw begonnen hatte, wie es sich gehört für den Herren im eigenen Haus: überlegen in der Spielanlage, engagiert in den Zweikämpfen, mit Zug zum Augsburger Tor. Nur dass der Ball mal wieder nicht über die Linie wollte. So wie nach sechs Minuten, als Vedad Ibisevic einen Schuss von Mohammed Abdellaoue auf seinem sicheren Weg ins Gehäuse ablenkte. Auch danach kam der VfB noch zu Chancen.

„Dass man dann mal in Rückstand gerät, kann passieren“, knurrte Fredi Bobic, der jedoch „überrascht und bestürzt“ darüber war, wie die Mannschaft darauf reagierte. Sie stritten untereinander wie die Kesselflicker. „Und das“, ärgerte sich der Manager, „hat mir gar nicht gefallen. Da müssen sie zusammenstehen und wieder zu ihrem Spiel finden. Wir haben Tendenzen gezeigt, die tödlich sind.“ Plötzlich fehlte dem VfB die Linie, die der Gast jetzt wieder gefunden hatte. Acht Minuten danach stand es 2:0 für den FCA durch André Hahn – und das, was sich beim VfB die Defensive nannte, war nur noch ein Haufen, der wild durcheinander rannte.

Dass die Gegenwehr nach der Pause schon nach 56 Minuten endete, hatte dann viel damit zu tun, dass der Kapitän als Erster die Nerven verlor und nach einem Ellbogenschlag gegen Jan-Ingwer Callsen-Bracker seinen Dienst beenden musste. Rot! Der Rest war ein Akt der Demütigung. Für Augsburg trafen noch mal Hahn (56.), dann Tobias Werner (64.). Der Treffer von Konstantin Rausch (62.) hatte nur kurz für Hoffnung gesorgt.

Jetzt steht dem VfB in den kommenden Wochen das bevor, was Fredi Bobic als „richtig große Prüfung“ bezeichnet. Er ließ jedenfalls keine Zweifel daran, dass Rot in Not unbeirrt auf den Nachwuchs setzen wird. Krise ja, Katastrophe nein. „Da gehen wir durch. Die Jugend ist unser Weg.“ Und dazu gehört selbstverständlich auch der Trainer.