Der abstiegsbedrohte VfB Stuttgart hat seinen Trainer Thomas Schneider freigestellt. Nun soll Routinier Huub Stevens mit den Schwaben den Klassenverbleib in der Fußball-Bundesliga schaffen.

Der Punktgewinn gegen Schlusslicht Braunschweig war zu wenig: Der abstiegsbedrohte VfB Stuttgart hat seinen Trainer Thomas Schneider freigestellt. Nun soll Routinier Huub Stevens mit den Schwaben den Klassenverbleib in der Fußball-Bundesliga schaffen.

Stuttgart - Der „Knurrer von Kerkrade“ soll den krisengeschüttelten VfB Stuttgart vor dem Absturz bewahren. Routinier Huub Stevens löst den seit Wochen glück- und erfolglosen Thomas Schneider bei dem schwäbischen Fußball-Bundesligisten als Trainer ab. „Jetzt geht es nur um den Klassenerhalt“, begründete Sportvorstand Fredi Bobic am Sonntag die sofortige Trennung von Schneider rund 15 Stunden nach dem enttäuschenden Remis gegen Schlusslicht Eintracht Braunschweig. Stevens erhält einen Vertrag bis Saisonende und steht am kommenden Samstag in Bremen vor seiner ersten Bewährungsprobe.

Der Niederländer ist hochmotiviert. „Ich bin seit ein paar Tagen wieder in Eindhoven und merke: Ich brenne, ich bin richtig heiß“, sagte Stevens in einem Interview mit „sport1.de“. Der als Trainer vom alten Schlag geltende Stevens war erst vergangene Woche beim griechischen Erstligisten PAOK Saloniki entlassen worden.

Nach zuvor acht Niederlagen in Serie war der Punktgewinn beim 2:2 (2:1) gegen Neuling Braunschweig zu wenig, um dem quasi nur auf Bewährung tätigen Schneider weiterhin den Job zu sichern. „Wir mussten einen neuen Reiz sichern“, betonte Bobic bei einer Presserunde am Rande der VfB-Geschäftsstelle. „Es ging weniger um die Person.“ Der Manager bescheinigte Schneider und seinen beiden ebenfalls freigestellten Assistenten Alfons Higl und Tomislav Maric, alles für den Verein getan zu haben: „Man kann ihnen keinen Vorwurf machen.“ Dies sei seine „bislang schwierigste Personalentscheidung“ gewesen. Zuvor hatte der Manager nach nur drei Spieltagen Bruno Labbadia entlassen, unter dem der VfB ohne Punkt geblieben war.

VfB-Präsident Bernd Wahler hatte zuvor in einer Pressemitteilung erklärt: „Die aktuelle sportliche Situation erforderte im Bewusstsein der Verantwortung dem Verein gegenüber, diesen schweren Schritt zu tun.“ Der Vorstand hatte unmittelbar nach dem nächsten Rückschlag mit Schneider die kritische Situation intensiv bis in die Nacht analysiert und dann die Freistellung beschlossen. Bobic berichtete, es sei für alle Beteiligten „sehr emotional“ gewesen.

Stevens tritt seine Mission Klassenerhalt am Montag an. Der 60 Jahre alte Niederländer mit reichlich Erfahrung auch in der Bundesliga wird um 13.00 Uhr offiziell vorgestellt. Zwei Stunden später wird er dann seine erste Trainingseinheit leiten. „Er vertritt eine klare Linie, setzt auf klare Disziplin, hat sehr viel Erfahrung und ist ein absoluter Fachmann“, strich Bobic die Fähigkeiten des Hoffnungsträgers heraus.

Bobic und Stevens kennen sich aus Berliner Zeiten

„Ich kenne ihn sehr gut“, sagte Bobic. Bemerkungen, es habe während ihrer gemeinsamen Zeit bei Hertha BSC häufig Reibereien zwischen ihnen gegeben, bezeichnete der ehemalige Nationalstürmer als „Legenden“. Stevens hatte nach seiner Entlassung in Berlin im Dezember 2003 geklagt, Bobic habe ihn im Stich gelassen. Nun soll er als 41. Trainer der VfB-Geschichte die Schwaben vor dem zweiten Erstliga-Abstieg nach 1975 retten. Erfahrung im Abstiegskampf kann Stevens aus seiner Hamburger Zeit vorweisen, als er den HSV in einer ähnlich misslichen Situation gerettet hat.

Stevens erklärte, er wolle mit Schneider reden. „Der Junge ist ein super Bursche. Er kennt diesen Verein, er lebt für diesen Verein“, sagte er. „Es ist doch ganz klar, dass er die Mannschaft besser kennt als ich. Deshalb werde ich natürlich das Gespräch mit ihm suchen.“

Schneider verließ am Sonntag nach nur sechseinhalb Monaten als Cheftrainer um 9.51 Uhr die Geschäftsstelle gemeinsam mit Higl und Maric. Erst am 26. August hatte der VfB den ehemaligen Meistercoach seiner B-Jugend als Nachfolger von Labbadia ins Chefamt befördert. Die Wende glückte zunächst, aber noch vor der Winterpause begann der Absturz ins beinahe Bodenlose. Nach dem 4:2-Sieg gegen Hannover folgten acht Pleiten. Selbst gegen das Schlusslicht reichte es nun nur zum ersten Punktgewinn seither.

Kommentarlos fuhren sie anschließend an den Journalisten und den wenigen Fans vorbei. Von der aufgeheizten Stimmung am Samstag, als Bobic, Wahler und Finanzchef Ulrich Ruf die aggressiven Anhänger in der Cannstatter Kurve beruhigen mussten, war bei Sonnenschein nichts zu spüren.

Bobic versicherte, dass der Wutausbruch und die teilweisen Pöbeleien hartgesottener Fans die Entscheidung nicht beeinflusst hätten. Für die VfB-Verantwortlichen und Profis war dieser radikale Stimmungswandel indes ein Schlag. Der Manager appellierte wie bereits nach dem Schlusspfiff auch am Sonntag erneut an alle, dass der Abstieg nur gemeinsam verhindert werden könne.

Mit 20 Zählern belegt der Traditionsverein vor dem Sonntagsspiel des SC Freiburg nur den 15. Tabellenplatz unmittelbar vor dem punktgleichen Hamburger SV. Das Risiko, mit dem ehemaligen VfB-Verteidiger Schneider noch tiefer abzustürzen, war den Machern nun zu groß. „Der Vorstand hat diese Entscheidung gemeinsam mit Thomas Schneider getroffen. Der Aufsichtsrat trägt diese einheitlich mit“, sagte Wahler und kündigte an: „Thomas Schneider ist ein VfB'ler und soll auch zukünftig für den Verein tätig sein.“ Bobic ergänzte, das beurlaubte Trio solle erstmal „bis zum Sommer durchschnaufen“.

Bei einem Erfolg gegen Schlusslicht Braunschweig hätte Schneider als Chefcoach weiterarbeiten dürfen. Aber wie so oft in den zurückliegenden Monaten brachte ein später Gegentreffer den Trainer und das Team um den Sieg. Zudem scheiterte Kapitän Christian Gentner mit einem Foulelfmeter an Eintracht-Torwart Daniel Davari (52.). Alexandru Maxim (30.) und Martin Harnik (35.) hatten den Rückstand durch Jan Hochscheidt (24.) gedreht. Aber dem Ex-Stuttgarter Ermin Bicakcic glückte noch der Ausgleich (82.).