Soll Georg Niedermeier beim VfB Stuttgart bleiben - oder nicht? Foto: dpa

Georg Niedermeier steht beim VfB Stuttgart kurz vor der Vertragsverlängerung. Die Diskussionen, ob diese Entscheidung richtig ist, gehen nicht nur bei den Fans weit auseinander. Zwei unserer Redakteure nehmen die Diskussion auf. Ein Pro und Contra.

Stuttgart - Hat Georg Niedermeier eine Zukunft beim VfB Stuttgart - oder nicht? Aktuell stehen die Zeichen auf Vertragsverlängerung. Was die Fans zu teils hitzigen Diskussionen treibt, ob diese Entscheidung richtig oder falsch ist. Auch in unserer Redaktion gehen die Meinungen auseinander.

Ein Pro und Contra zu Niedermeier:

Pro Niedermeier

Als der VfB Stuttgart im Januar 2009 für eine Leihgebühr von 100000 Euro die Ausleihe des Verteidigers Georg Niedermeier von Bayern II bekanntgab, da griff unter den (VfB-)Fans der in solchen Fällen übliche Beißreflex. „Was, von Bayerns zweiter Mannschaft? Und auch noch für so wenig Geld? Der kann ja nichts können!“ Eineinhalb Jahre später schlug der Club zu und verpflichte „Schorsch“ für kolportierte drei Millionen Euro fest. Nun, fünfeinhalb Jahre später, steht der Verteidiger kurz vor einer erneuten Vertragsverlängerung. Und womit? Mit Recht!

Denn Georg Niedermeier, den alle eigentlich nur „Niederstrecker“ nennen, hat in den vergangenen Jahren vor allem eines bewiesen: Dass man es verdammt weit bringen kann, auch wenn man mit signifikant weniger Talent gesegnet ist als andere. Dass man mit unglaublichem Ehrgeiz, konsequentem Verfolgen einer Linie und unbändigem Willen einer der dienstältesten Spieler eines Traditionsclubs werden kann und sich in Deutschlands höchster Spielklasse vor keinem verstecken braucht. Niedermeier hat etwas erreicht, was der „kleine Mann aus der Kurve“ auch gern geschafft hätte. Als Jugendspieler beim Heimatclub aussortiert, durchgebissen, hochgekämpft, als Führungsspieler etabliert in der Eliteklasse. Vom Tellerwäscher zum Millionär – und das nicht nur im übertragenen Sinne.

Damit liefert Niedermeier den Stoff, aus dem die Träume sind. Noch dazu bringt er etwas mit, das im modernen Fußballbusiness selten geworden ist: Totale Identifikation mit seinem Arbeitgeber. Wo heute Spieler schneller Clubs als Unterhosen wechseln hält Niedermeier seinem Verein die Treue. Hat den vielbeschworenen Brustring eintätowiert. Will nirgendwo anders hin. Hat seine Bestimmung gefunden. Welchen Wert er haben kann sieht man immer wieder wenn ein Spiel im Stadion schon verloren geglaubt ist oder zumindest auf der Kippe steht und Niedermeier sich irgendwann vor der Cannstatter Kurve aufbaut, die Menge anheizt, das Publikum wieder zurück ins Spiel holt. Im Gros der Fälle steht danach ein Heimsieg des VfB Stuttgart auf der Anzeigetafel.

Sicher, dem im letzten Absatz Beschriebenen mögen nur noch Fußball-Romantiker etwas abgewinnen können. Und ja, Niedermeier ist ein Anachronismus im Zeitalter der vertikal spielenden, nach außen abkippenden und polyvalenten Defensiv-Rastellis, die heutzutage jeder Trainer gern in seinem Kader hat. Doch spielerisches Können macht eben nur einen Teil des Gesamtpakets aus. In allen anderen Kriterien ist Niedermeier Weltklasse. Was nur wenig andere Spieler für sich geltend machen können.

Philipp Maisel

Contra Niedermeier

Contra Niedermeier

Georg Niedermeier ist ein Teamplayer, einer, der sich mit dem VfB Stuttgart identifiziert und für einen Verteidiger vergleichsweise oft ins Tor trifft. Aber reicht das? Muss ein Verteidiger nicht eben vor allem das können? Nämlich verteidigen?

Seit 2009 trägt der ehemalige Bayern-Spieler das Trikot des VfB Stuttgart, seit der Saison 2010/11 stand Niedermeier in mindestens der Hälfte der Spiele einer Saison auf dem Platz – und hat maßgeblichen Anteil daran, dass der VfB in dieser Zeit mehrfach der 2. Liga nahe war und sich zu den schlechtesten Abwehrreihen in der Bundesliga entwickelt hat. In vier der fünf Spielzeiten hat der VfB mit Niedermeier 55 oder mehr Gegentore bekommen.

Ja, Georg Niedermeier mag für den Überlebenskampf um den Klassenverbleib der richtige Mann sein, nicht aber für das Ziel des Vereins sich weiterzuentwickeln. Im Umfeld des VfB ist immer wieder von höheren Ansprüchen die Rede. Diesen genügt der mittlerweile 30-Jährige nicht. Oder warum hat es nie ernsthafte Angebote anderer (ambitionierter) Vereine gegeben? Auch jetzt nicht, da der Vertrag ausläuft. Noch im November stand ein Wechsel zum TSV 1860 München im Raum. Einem abstiegsbedrohten Zweitligisten also.

In all den Jahren mit Niedermeier musste sich die Mannschaft (vor allem von Seiten der Fans) zudem den Vorwurf gefallen lassen, sich nur in echten Notsituationen motivieren zu können. Niedermeier ist schon länger Teil des Mannschaftsrats, verwaltet die Mannschaftskasse und trägt immer mal wieder die Kapitänsbinde. Doch hat sich das Team in den vergangenen Jahren stetig zurückentwickelt. Jetzt, da der Vertrag (wie auch der von Martin Harnik und Daniel Schwaab) ausläuft, wäre der perfekte Zeitpunkt für einen reibungslosen Wechsel – hin zu neuen Köpfen.

Niedermeier ist ein Auslaufmodell in der Fußball-Bundesliga. Das hatte selbst der gescheiterte Alexander Zorniger erkannt. Für die Post-Zorniger-Zeit mag „Schorsch“ der richtige Stabilisator sein – ist es doch einfach für ihn, jetzt positiv(er) aufzufallen.

Außerdem: Spätestens seit Anfang dieser Saison befindet sich Georg Niedermeier in seiner ganz persönlichen Notsituation. Die Zukunft ungewiss, das üppige Gehalt (1,5 Millionen) in Gefahr – da fällt die offen zur Schau gestellte Identifikation mit dem Verein besonders leicht. Und sich zu motivieren sowieso.

Markus Merz