Jubel 2011: Timo Gebhart und der VfB siegen in Gladbach. Foto: Baumann

Für den VfB Stuttgart geht es gegen Hertha BSC fast schon um alles. Zwar wäre er auch bei einer Niederlage noch nicht abgestiegen, doch der Blick in die Vergangenheit zeigt: Für die Wende wird es höchste Zeit.

Stuttgart - Noch immer belegt der VfB Stuttgart in der ewigen Bundesligatabelle einen beachtlichen vierten Rang. In seiner 50-jährigen Geschichte hat der Club mehr Endspiele um Meisterschaften und Europapokalplätze als Abstiegs-Endspiele bestritten. Doch Letztere häufen sich. Die Partie gegen Hertha BSC an diesem Freitag ist dabei auch ein Endspiel für Trainer Huub Stevens – ein Sieg ist fast schon Pflicht, ansonsten dürfte Stevens’ Zeit beim VfB zu Ende sein. Ein kurzer Rückblick auf zurückliegende Dramen:

Saison 2013/2014, 24. Spieltag: Vor dem 24. Spieltag haben die Roten unter Trainer Thomas Schneider achtmal in Folge verloren. Jetzt trennt sie nur noch das bessere Torverhältnis vom Relegationsplatz. Das Spiel wird zum Endspiel für den jungen Trainer – die Vorzeichen zum aktuellen Duell gegen Hertha BSC (20.30 Uhr/Sky) sind ähnlich. Gegen Braunschweig biegt der VfB einen Rückstand um, das ausverkaufte Stadion tobt. Doch die Knie der Spieler schlottern, kurz vor Schluss kassiert der VfB den Ausgleich zum 2:2. Tags drauf ist Schneider entlassen. Huub Stevens übernimmt und rettet den VfB mit Ach und Krach ins Ziel.

Saison 2010/11, 21. Spieltag: Der VfB steckt schon die ganze Saison im Keller, über Platz 14 geht es nie hinaus. Vor dem Auswärtsspiel bei Borussia Mönchengladbach stehen mickrige 16 Punkte zu Buche. Zur Pause liegt der Tabellenvorletzte beim Letzten 0:2 zurück. Er spielt nicht nur wie ein Absteiger, in den Gedanken vieler Fans ist er zu jenem Zeitpunkt bereits einer. Doch wie aus dem Nichts gleichen Pawel Pogrebnjak und Martin Harnik aus. Drei Minuten vor dem Ende gibt Schiedsrichter Torsten Kinhöfer einen strittigen Elfmeter für den VfB. Timo Gebhart haut den Ball in die Maschen, als ginge es um einen Freizeitpokal – 3:2. „Der Sieg war überlebenswichtig“, sagt Torhüter Sven Ulreich. Der VfB kommt danach wieder in die Spur und rettet sich am Ende als Zwölfter. Die Borussia, lange Zeit ein hoffnungsloser Fall, schafft es noch auf Rang 16 und gewinnt die Relegation. Seither geht es für die Elf vom Niederrhein steil nach oben.

Saison 2009/10, 15. Spieltag: Das Heimspiel gegen den VfL Bochum wird zum Endspiel für Markus Babbel. Der Coach ist auf einmal vom Glück verlassen, die Roten verlieren Woche für Woche. Gegen Bochum gehen sie als Tabellenvorletzter trotz schwachen Spiels in Führung, zwei Minuten vor dem Ende gleichen die Gäste aus – durch ein Freistoßtor. Obwohl die Saison noch vergleichsweise jung ist, verlieren die Fans die Nerven und gehen auf die Barrikaden. Am nächsten Tag ist Babbel seinen Job los. Christian Gross übernimmt, der VfB startet durch bis auf Platz sechs. „Ich habe nur schöne Erinnerungen an meine Zeit in Stuttgart, der Abend nach dem Bochum-Spiel gehört nicht dazu“, sagt Babbel.

Saison 2000/01, 33. Spieltag: Die Mutter aller Abstiegs-Endspiele des VfB: Am vorletzten Spieltag ist der Tabellenzweite Schalke 04 mit Trainer Huub Stevens zu Gast im Daimlerstadion. Die Königsblauen haben die Meisterschaft dicht vor Augen, der VfB den Abstieg. Nur drei Punkte trennen ihn von der Spvgg Unterhaching auf Platz 16, der damals direkt in die zweite Liga führt. In einem nervösen Spiel schießt Krassimir Balakov die Roten mit einem satten Linksschuss in der Schlussminute ins Glück. Für die Schalker ist die 0:1-Niederlage der Anfang vom Ende des Meisterschaftstraums, eine Woche später folgt das legendäre Meister-der-Herzen-Finale. Dem VfB bleibt durch den Sieg ein echtes Endspiel am letzten Spiel beim späteren Absteiger Eintracht Frankfurt erspart. Aus heutiger Sicht erscheint der damalige Kampf gegen den Abstieg vergleichsweise harmlos. Dem widerspricht Ex-Coach Felix Magath vehement: „Es stand Spitz auf Knopf damals.“

Saison 1998/99, 34. Spieltag: Vor dem letzten Spieltag zählt der VfB zu den Hauptdarstellern des größten Abstiegskrimis der Bundesliga-Geschichte. Ihn trennen nur zwei Punkte vom Abstiegsplatz, von dem insgesamt sechs Teams bedroht sind. Nur 38 000 Zuschauer – aus heutiger Sicht kaum vorstellbar – wollen das finale Duell gegen Werder Bremen sehen, das der VfB durch ein Tor von Fredi Bobic 1:0 für sich entscheidet. Bei einer Niederlage wären die Roten abgestiegen – so erwischt es den 1. FC Nürnberg.

Saison 1974/75, 28. Spieltag: In der Abstiegssaison besiegelt Werder Bremen das Schicksal des VfB – so nehmen es zumindest die meisten Beteiligten damals wahr. „Jeder wusste, dass es in diesem Spiel darauf ankommen wird“, erinnert sich Hermann Ohlicher. Trotz zweimaliger Führung schafft der VfB nur ein 2:2. „Danach waren wir gefühlt abgestiegen.“ Den jetzigen VfB-Ehrenrat ärgert bis heute, dass die Mannschaft danach nicht noch einmal alles versucht hat, denn abgestiegen war sie noch längst nicht. „Das ist mir seit damals eine Lehre“, sagt Ohlicher: „Niemals aufgeben!“

So lautet auch die Devise des aktuellen Übungsleiters vor dem Spiel gegen Hertha BSC. Huub Stevens betont: „Danach sind immer noch zehn Endspiele.“ Eines sollten er und seine Mannen sich aber gewiss sein: So schlecht wie heute stand der VfB elf Spieltage vor Schluss noch nie da.