Später Schock: Christoph Kramer (Mi.) trifft in der 90. Minute zum 1:1, das die VfB-Profis Daniel Schwaab, Antonio Rüdiger, Sven Ulreich, Gotoku Sakai und Filip Kostic (v.li.) nicht verhindern können Foto: Baumann

Die erste Halbzeit macht Hoffnung auf bessere Zeiten, die zweite dagegen eher weniger – der VfB Stuttgart zeigt in seiner Auftaktpartie bei Borussia Mönchengladbach zwei Gesichter.

Mönchengladbach - Armin Veh ist lange dabei im Fußballgeschäft, er kennt sich aus mit den Emotionen, die dieser Sport auslösen kann. Nun, nach dem 1:1 (0:0) bei Borussia Mönchengladbach im ersten Saisonspiel, brachte er die Gefühlswelt des VfB trocken zum Ausdruck: „Wenn man ein spätes Gegentor kassiert“, sagte der Coach und legte die Stirn in Falten, „dann ist man traurig.“

Das war der VfB schon in der vergangenen Saison oft gewesen, als die Jungs in Weiß und Rot ein Gegentor nach dem anderen in der Schlussphase kassierten und sich so in den Tabellenkeller beförderten. Nun, nach dem Gegentor zum 1:1 durch den Mönchengladbacher Christoph Kramer in der 90. Minute, glaubten einige VfB-Fans an eine böse Erscheinung. Es herrschte Ernüchterung – und eine Frage drängte sich danach fast schon auf: Geht das Drama in den Schlussminuten in der neuen Spielzeit einfach so weiter?

Armin Veh hatte dazu am Sonntagabend eine klare Meinung. „Völliger Quatsch“, sagte der Trainer – und holte zum Gegenschlag aus: „Ich bin mir sicher, dass wir Spiele haben werden, bei denen wir in der Schlussphase die Tore machen werden.“

Warum aber ging der Schuss in Mönchengladbach wieder nach hinten los? Zum einen, weil der VfB laut Veh müde geworden sei und läuferisch nachgelassen habe. Und weil die Borussia nach schwacher erster Hälfte mit Wucht und Vehemenz aufs Tor drängte und die Jungs aus Cannstatt dem Ansturm nicht mehr gewachsen waren. Für all das hatte Veh eine Erklärung parat: „Gladbach war nach dem Spiel in der Europa League unter der Woche mehr im Rhythmus“, sagte der Coach, „das ist in der frühen Phase der Saison im Vorteil.“ Erst hinten heraus werde die Belastung drei Tage vor einem Spiel zum Nachteil, ergänzte Veh.

Wie auch immer – der VfB gab den Sieg aus der Hand, weil er dem Mönchengladbacher Alvaro Dominguez in der 90. Minute auf der linken Angriffsseite zu viel Platz ließ. Dominguez passte zurück auf Christoph Kramer, der zum Ausgleich traf. „Immerhin macht das dann nicht mehr so viel aus, weil danach weniger passieren kann, als wenn du den Ausgleich nach 70 Minuten bekommst“, sagte VfB-Sportvorstand Fredi Bobic.

Tatsächlich wäre der VfB wohl ordentlich in Bedrängnis geraten, wenn der Ausgleich früher gefallen wäre. Die Borussia war in der zweiten Halbzeit das klar bessere Team und erspielte sich viele Chancen.

Die größte vergab Branimir Hrgota, als er den Ball beim Stand von 0:0 aus kurzer Distanz am Tor vorbeischob, nachdem VfB-Keeper Sven Ulreich den Ball nach einem Querpass nicht erwischt hatte. Der VfB dagegen fand in der zweiten Halbzeit in der Offensive nicht statt – bis auf zwei Ausnahmen. In der 51. Minute lupfte Kapitän Christian Gentner den Ball zu Alexandru Maxim in den Strafraum, und der Rumäne traf aus halbrechter Position zum 1:0 ins lange Eck.

Später dann, nachdem die Gladbacher einige Chancen vergeben hatten, kam Christian Gentner noch zum Abschluss, scheiterte aber an Torhüter Yann Sommer (84.).

Am Ende war Armin Veh ernüchtert – aber gleichzeitig auch irgendwie zufrieden. Denn was der Coach in der ersten Hälfte von seinen Jungs gesehen hatte, stimmte ihn zufrieden. „Das war sehr gut, wir haben lange Zeit richtig gut gespielt und uns so verhalten, wie ich mir das vorstelle“, sagte er. Damit meinte er die Defensive, die kompakt und sicher stand. Und die Offensive, die immer wieder Nadelstiche gesetzt habe. Das Bild änderte sich in Hälfte zwei – und der späte Ausgleich war fast schon eine logische Konsequenz.