Präsident Gerd Mäuser (rechts) ist „extrem guter Dinge“, dass sich der VfB Stuttgart im Vertragspoker mit Bruno Labbadia (links) einigt. Die Frage ist, wie weit der Trainer bereit ist, den Jugendkurs mitzutragen. Foto: Pressefoto Baumann

Präsident Gerd Mäuser ist „extrem guter Dinge“, dass sich der VfB Stuttgart im Vertragspoker mit Bruno Labbadia einigt. Die Frage ist, wie weit der Trainer bereit ist, den Jugendkurs mitzutragen.

Belek - Verlängert er seinen Vertrag über diese Saison hinaus, springt er ab, wie entscheidet sich Bruno Labbadia? Das sind die Fragen, die den Verein und sein Umfeld seit Wochen umtreiben. Die Hängepartie lässt auch die Mannschaft im Trainingslager in Belek nicht kalt. „Wir wissen nicht, was im Kopf des Trainers vorgeht“, sagt Tamas Hajnal und verrät eine gewisse Ratlosigkeit.

Sicher ist nur: Am gestrigen Mittwochabend setzten sich Mäuser und Labbadia zusammen, in einer weiteren Verhandlungsrunde soll Sportdirektor Fredi Bobic hinzustoßen. „Wir liegen genau im Zeitplan“, betont Mäuser, „mich wundert die Hektik, die in der Öffentlichkeit ausgebrochen ist. Intern ist das nicht der Fall. Wir haben einen Plan und keinen Zeitdruck.“

Der Trainer lässt seine Zukunft bewusst offen

Beides ist relativ. Bobic hatte erst unlängst eine Einigung noch im Januar angemahnt. Die strebt auch Gerd Mäuser an, allerdings würde er notfalls auch ohne das Ja-Wort des Trainers in die Rückrunde gehen: „Dann geht die Welt auch nicht unter.“

Die andere Möglichkeit spart er vorerst aus. Denn wer sagt ihm, dass Labbadia nicht über kurz oder lang „Nein“ sagt? Der Trainer jedenfalls lässt seine Zukunft bewusst offen – und das nicht ohne Grund.

Tag für Tag hat der VfB in Belek bisher Vertragsverlängerungen verkündet: mit Christian Gentner, Tamas Hajnal, den Trainern Christos Papadopoulos und Andreas Menger und am Mittwoch mit Georg Niedermeier. „Wir setzen Schritt für Schritt um, was wir bei unserer Klausurtagung beschlossen haben“, sagt Gerd Mäuser zufrieden, zeigt fröhlich zum Trainingsplatz und zählt Namen auf: Raphael Holzhauser, Antonio Rüdiger, Benedikt Röcker, André Weis, Kevin Stöger, Rani Khedira, Milos Degenek und Rastko Suljagic – lauter junge, talentierte Spieler. „Da geht einem das Herz auf“, sagt Mäuser, „alle haben nach Jungen Wilden gerufen – hier sind sie.“

„Die Jungen Wilden sind unsere Zukunft.“

Mit allen genannten Spielern hält der VfB seinen bisherigen Kader zusammen oder baut ihn perspektivisch für die Zukunft aus. Dass er Jahr für Jahr an Substanz verloren hat wie zuletzt durch den Abgang von Innenverteidiger Maza, sagt Mäuser lieber nicht. Stattdessen verweist er auf die vier Säulen, die den Verein tragen: Ticketing, Sponsoring, TV-Gelder und Jugendarbeit. „Die ersten beiden Punkte sind finanziell ausgereizt, und der neue Fernsehvertrag greift erst nächste Saison“, sagt Mäuser und folgert: „Die Jungen Wilden sind unsere Zukunft.“

Genau das will Labbadia näher wissen.

Der Trainer beobachtet seit geraumer Zeit mit Widerwillen, dass seinem Kader Substanz entzogen wird. Gleichzeitig propagiert der VfB unbeirrt die altbekannten Ziele – den Einzug ins internationale Geschäft. Auch die Kundschaft im wirtschaftlich vergleichsweise gut situierten Südwesten mag sich nicht mit dem Gedanken anfreunden, der VfB verkümmere zu einem Ausbildungsverein. Also müsste er investieren, womöglich auch mal groß investieren. Dagegen spricht, dass Mäuser den Mitgliedern in Kürze einen Verlust von rund zehn Millionen Euro im vergangenen Geschäftsjahr verkünden muss: „Das zeigt im Nachhinein, dass es richtig war, nicht noch mehr zu investieren. Trotzdem haben wir indirekt investiert, indem wir diese Verluste zugelassen haben.“

Vorstand und Aufsichtsrat weigern sich Kurs zu ändern

Damit kann Bruno Labbadia vermutlich nicht viel anfangen. Er fühlt sich nicht dafür verantwortlich, dass der VfB vor Jahren zu viele durchschnittlich begabte Spieler geholt und sie mit überhöhten Gehältern ausgestattet hat. Daran knabbert der Verein bis heute. Vorstand und Aufsichtsrat weigern sich aber standhaft, mit Blick auf zurückliegende Fehler offiziell den Kurs zu ändern und die sportlichen Ziele anzupassen. Stattdessen sollen Labbadia und Manager Bobic die verfehlte Transferpolitik mit den Millionenverlusten ausbaden. „Trainer, Sportdirektor, Vorstand, alle haben unterschiedliche Interessen“, sagt Mäuser, „die Kunst besteht darin, sie zusammenzuführen. Da kann ein Trainer mitgehen – oder nicht.“

Gut möglich, dass er damit den Bruch mit Bruno Labbadia riskiert. Jedenfalls ist nicht anzunehmen, dass der Trainer ihm am Mittwoch freudestrahlend um den Hals gefallen ist, als die Fakten auf den Tisch kamen.