VfB-Sportvorstand Dutt, Chefcoach Zorniger: Volles Vertrauen Foto: Baumann

Nach außen lässt VfB-Sportchef Robin Dutt keinerlei Zweifel an der Arbeit von Coach Alexander Zorniger aufkommen. Im Verein selbst wächst aber die Besorgnis: Ist Zorniger ein Coach ohne Fortüne?

Stuttgart - Mit ein bisschen Geschick erklärt der Ideologe je nach Bedarf, warum der Sozialismus die gerechteste aller Gesellschaftsformen ist. Oder er belegt in schlüssigen Sätzen, weshalb man damit die Armut nur gleichmäßig verteilt. Und wenn er im einen wie im anderen Fall zum Beleg seiner Thesen die Statistik bemüht, ist er gefährlich nah am VfB Stuttgart, wo der Streit um das Spielsystem, um Daten und Fakten, vom eigentlichen Problem nur noch ablenkt: Der VfB steht nach sieben Spieltagen mit kümmerlichen drei Zählern auf dem zweitletzten Rang der Tabelle.

Wieder einmal steht die Existenz auf dem Spiel. Und die Hoffnung darauf, dass bald schon bessere Zeiten anbrechen könnten, speist sich in erster Linie aus dem Eindruck, dass die Mannschaft mit ihrem offensiven Spiel-Stil nah dran ist, den einen oder anderen Gegner auf die Matte zu zwingen. Das beruhigt zwar, liefert aber keine Zähler. „Alle Fehler, die wir in den bisherigen Spielen gemacht haben,“ sagt Sportvorstand Robin Dutt, „dürfen nicht dazu führen, dass wir bisher nur drei Punkte haben.“

Das ist nett gesagt und klingt so, als meinten es die Mächte des Schicksals nicht gut mit dem VfB, der sich seit Jahren scheinbar unaufhaltsam in den Boden schraubt. Alexander Zorniger glaubt das passende Opium parat zu haben gegen den dauernden Schmerz im und um den Verein. Ein bisschen großspurig zwar, aber nicht aufdringlich missioniert er die Ungläubigen in Weiß und Rot: Wir machen alles anders.

Idealisten gegen Realisten

Das sorgt bisher zwar für den erwünschten Unterhaltungswert unter den Party-Gängern im Stadion, unterschlägt aber die unumstößliche Tatsache, dass sich der eigentliche Wert der Trainerarbeit Woche für Woche unbarmherzig am Tabellenstand misst. Weshalb sich in der Glaubensgemeinde mehr und mehr ein Streit zwischen Idealisten und Realisten entzündet, der mit jeder weiteren Niederlage an Schärfe gewinnt. Überfordert Zorniger seine mittelmäßig besetzte Mannschaft mit seiner Art Harakiri-Fußball? Oder sind die entschlossenen Attacken weit in der Hälfte des Gegners die alternativlose Methode, um dem Fast-Absteiger der vergangenen Saison neue Zuversicht einzuflößen?

Weil die Wahrheit vermutlich irgendwo zwischen den beiden Polen liegt und der Weg dorthin auch für Zorniger gar nicht so „alternativlos“ scheint, wie der Coach bisweilen vorgibt, eilt Robin Dutt in diesen Wochen hin und her zwischen den ex- und internen Welten des Geschäfts. Hier lobt er die Fans für ihre Geduld, dankt den Medien für die Sachlichkeit der Diskussion und macht ganz den Eindruck, als passe zwischen ihn und seinen Trainer kein Blatt Papier. Dort vertieft er sich in intensive Diskussionen mit dem so forsch auftretenden Fußballlehrer, der in mancherlei Hinsicht an Vorgänger beim VfB erinnert, die sich ebenso wenig „verbiegen“ lassen wollten, aber samt und sonders scheiterten: Egon Coordes, Rolf Fringer oder Jürgen Röber.

Er prüfe täglich die Parameter der Trainer-Arbeit, sagt Robin Dutt ein wenig kryptisch, und könne dabei keinerlei Defizite erkennen. „So lange ich sehe, dass der Trainer die Lösung ist und nicht das Problem“, ergänzt der VfB-Sportchef, gebe es keinen Grund zu zweifeln. „Er genießt mein ganz großes Vertrauen.“ Gern verweist er in diesem Zusammenhang auf Markus Weinzierl und den FC Augsburg. „Die gingen mit sieben Punkten in die Winterpause. Aber Stefan Reuter hat der Arbeit des Trainers vertraut.“ Der Abstieg wurde verhindert.

Ein Trainer braucht Fortüne

Nun ist der FC Augsburg nicht der VfB. Und die Schwaben aus Bayern hatten seinerzeit als Aufsteiger weit weniger zu verlieren als aktuell der VfB. Trotzdem weigert sich Dutt aus verständlichen Gründen, nur im Ansatz Lieferfristen zu nennen für die Punkte, die der VfB so dringend braucht.

Bei interner Prüfung der Dinge dürfte er allerdings nicht die Augen davor verschließen, dass ein Trainer auch „Fortüne“ braucht, wie es Gerhard Mayer-Vorfelder einst nannte. Sonst könnte der Streit bald nicht mehr ums System gehen, sondern um Stevens oder Favre.