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Werden die Randalierer von Kopenhagen identifiziert, werden sie vom VfB zur Rechenschaft gezogen – Fangruppen distanzieren sich.

Kopenhagen/Stuttgart - Dröhnende Böller, dicke Rauchschwaden, Leuchtraketen auf dem Platz – VfB-Präsident Gerd Mäuser fand nach dem Chaos in Kopenhagen deutliche Worte: „Ich find’s zum Kotzen“, sagte er. Von einem Krawallproblem wollte er aber nicht sprechen: „Es ist nun einmal schiefgegangen, wir haben aber kein Zerwürfnis mit unseren Fans.“ Was bleibt also vom 2:0-Sieg gegen Kopenhagen außer der Tatsache, dass der VfB als Zweiter der Gruppe E nun alle Trümpfe in der Hand hält? Entsetzte Fans, ein wütender Manager und offene Fragen.

Wer waren die Chaoten? Noch konnten die etwa zehn bis 15 Randalierer nicht identifiziert werden. Die Stadionkameras haben sie zwar erfasst, allerdings waren alle vermummt. „Mehr als die Augen sieht man nicht“, sagt VfB-Fanbetreuer Christian Schmidt, der die Ereignisse im Block miterlebte: „Das kam absolut überraschend.“ Von Augenzeugen war zu erfahren, dass die Übeltäter nicht aus der Stuttgarter Fanszene stammen. Von Hooligans aus Kaiserslautern und Cottbus war die Rede. Hools, die in Deutschland Stadionverbot haben. Öffentlich äußern wollte sich keiner der Fans. Zu groß scheint die Angst vor den gewaltbereiten Chaoten. Nach dem Vorfall machten sich die Randalierer aus dem Staub. Jetzt werden die Videoaufnahmen gesichtet. Fredi Bobic aber macht sich kaum Hoffnungen, dass die Täter dadurch überführt werden. „Das beste Mittel wäre, wenn unsere Fans diese Idioten anzeigen würden“, sagte der Sportdirektor.

Wie gelangten die Randalierer ins Stadion? Deutsche Stadionverbote gelten im Ausland nicht. Allerdings können „Fans“, die mit einem Verbot belegt sind, beim VfB keine Tickets für Europa-League-Spiele kaufen. „Die Namen sind in unserem System gespeichert, da leuchtet sofort ein Signal auf“, sagt Schmidt. Karten für den Fanblock gibt es bei Auswärtsspielen aber nur beim Gastverein. Allerdings hat jeder die Möglichkeit, mehrere Tickets zu ordern und diese dann zu verteilen – im ungünstigsten Fall an Hools. „Dagegen sind wir machtlos“, sagt Schmidt. Selbst personalisierte Tickets seien kein Ausweg: „Auch die können getauscht werden.“

Waren die Einlasskontrollen streng genug? Die Chaoten waren gut vorbereitet und hatten jede Menge Munition. Hätte dies den Ordnern beim Einlass nicht auffallen müssen? Bobic winkt ab. „Es wird immer Wege geben, so etwas ins Stadion zu bringen. Manchmal werden die Knallkörper schon Tage vorher irgendwo versteckt. Oder sie werden von einem anderen Block herübergereicht.“

Was sagen die „echten“ Fans? Die Reaktion war deutlich. Gellende Pfiffe von den einen, andere wurden handgreiflich. „Selbstreinigung“ heißt das im Fan-Jargon. „Ich habe mich für diese Deppen geschämt“, sagte ein Anhänger nach dem Spiel, viele entschuldigten sich für das Verhalten der Chaoten. Auch das Commando Cannstatt distanzierte sich. „Aus unserem Bereich wurden keine pyrotechnischen Gegenstände geworfen, und wir verurteilen sowohl die Würfe auf das Spielfeld als auch den Abschuss der Leuchtraketen in aller Deutlichkeit“, heißt es in einer Erklärung. Zwar befürwortet die Stuttgarter Ultra-Gruppierung den „verantwortungsvollen Einsatz von Pyrotechnik in der Kurve“, Würfe, Böller und Leuchtraketen lehnen die Mitglieder aber strikt ab. „Dieser Ehrenkodex gilt in unserer gesamten Fanszene“, bestätigt Schmidt, „in Kopenhagen wurde gegen diese Grundprinzipien verstoßen.“ Die Aktion konterkariere zudem die aktuellen Bemühungen zum Erhalt der Fankultur in Deutschland. Die Supporter kämpfen gegen das neue Sicherheitskonzept der Deutschen Fußball Liga (DFL).

Welche Strafe erwartet den VfB? Eine hohe Geldbuße. Die Europäische Fußball-Union (Uefa) war zuletzt nicht zimperlich. So musste Rapid Wien 75 000 Euro bezahlen, nachdem „Fans“ während eines Europa-League-Qualifikationsspiels Leuchtkugeln und Feuerwerkskörpern in Richtung der gegnerischen Anhänger abgefeuert hatten. Zudem müssen die Wiener ein Uefa-Heimspiel vor leeren Rängen austragen. „Wir haben alles, bloß kein Geld“, ärgert sich Mäuser, „aber ob es nun unsere eigenen Fans waren oder nicht – Fakt ist, es ist in unserem Block passiert, wir waren verantwortlich.“

Können die Schuldigen zur Rechenschaft gezogen werden? Wenn man es schafft, sie zu identifizieren, ja. „Diese Möglichkeit gibt es“, sagt Schmidt. Einige Vereine haben dies bereits getan. 2004 verklagte zum Beispiel der 1. FC Köln einen Mann auf 12 000 Euro Schadenersatz. Der Randalierer hatte eine Flasche auf Ex-Bayern-Keeper Oliver Kahn geworfen – Köln war daraufhin wegen mangelnder Sicherheitsvorkehrungen vom Deutschen Fußball-Bund bestraft worden.

Was unternimmt der VfB nun? An diesem Montag tagt turnusmäßig der Fanausschuss mit Fan- und Vereinsvertretern. „Was passiert ist, ist passiert. Wir werden jetzt gemeinsam unsere Schlüsse ziehen und unser Möglichstes tun, um so etwas in Zukunft zu verhindern“, sagt Schmidt. Für Bobic gibt es dabei nur eine Vorgehensweise: „Man muss diese Menschen gnadenlos bekämpfen und aus dem Verkehr ziehen. Solche Chaoten muss man wegsperren.“ Aber auch der VfB-Manager musste am Tag nach dem Chaos eingestehen: „Es gibt Dinge, gegen die bist du als Verein machtlos.“ Bluten müssen übrigens auch die unbeteiligten Fans: Gerd Mäuser hatte ihnen 15 000 Euro für ihre Zwecke in Aussicht gestellt, sollte der VfB ohne Geldstrafe über die Saison kommen. „Das haben sie jetzt verspielt“, sagt er nun.