Auf dem Posten: VfB-Torhüter Przemyslaw Tyton Foto: Baumann

VfB-Torhüter Przemyslaw Tyton (28) hat sich als Nummer eins etabliert. Trotzdem muss er sich in der Winterpause erneut dem Konkurrenzkampf stellen. Der lange verletzte Mitch Langerak greift wieder an.

Stuttgart - Die Jungs vom VfB-Fanclub Courage in Gerlingen hatten sich penibel vorbereitet. Sogar an einen Übersetzer hatten sie gedacht, bevor Przemyslaw Tyton ihnen vor zwei Wochen bei ihrer Weihnachtsfeier einen Besuch abstattete. Was naheliegend ist, weil der Pole erst vor knapp sechs Monaten zum VfB gewechselt ist. Und dann staunten sie nicht schlecht, weil Tyton (28) nicht nur alle Fragen verstand, sondern sie auch in durchaus passablem Deutsch beantwortete. Was wiederum Tyton nicht groß wundert. „Der Fußball eröffnet viele Möglichkeiten“, sagt er, „eine davon ist es, Sprachen zu lernen.“ Deutsch ist seine fünfte.

Polnisch ist seine Muttersprache, Englisch lernte er in der Schule, Niederländisch hat er sich in seiner Zeit bei Roda Kerkrade und beim PSV Eindhoven angeeignet, Spanisch beim FC Elche. Jetzt also Deutsch. Zusammen mit Emiliano Insua, Toni Sunjic, Jan Kliment und einem Lehrer paukt er, so oft es geht – was einen willkommenen Nebeneffekt hat. „Er kommuniziert jetzt auf dem Platz ganz anders mit seinen Vorderleuten als zu Beginn seiner Zeit in Stuttgart“, sagt Sportvorstand Robin Dutt. Was sich, neben anderen Faktoren, auf seine Leistung auswirkt.

Als Tyton im Sommer vom FC Elche kam und nach der Verletzung von Mitch Langerak unversehens zur Nummer eins aufstieg, war er ein Risikofaktor. Seinen persönlichen Tiefpunkt erlebte er beim Spiel in Hoffenheim (2:2), als er beim Treffer von Kevin Volland zum 1:2 eine denkbar unglückliche Figur abgab. Tyton lief aus dem Tor, bremste unterwegs, rutschte aus, und der Ball flog hoch über ihn ins Tor. Die Folge: Die Fans stellten den Fauxpas in eine Reihe mit seinen vorangegangenen Schwächen in der Strafraumbeherrschung, seinen zwei verschuldeten Foulelfmetern in den Spielen gegen den 1. FC Köln und Eintracht Frankfurt und seinem Platzverweis gegen Frankfurt und pfiffen den eigenen Mann fortan aus.

Tyton hat auch intern die Skeptiker überzeugt

Heute, zwei Monate später, feiern sie ihn. Weil „Titi“ gegen Ingolstadt, Darmstadt, Bremen und Mainz mit zahlreichen Glanzparaden für den VfB die Kohlen aus dem Feuer geholt hat. „Darüber“, sagt Robin Dutt, „hat auch intern der eine oder andere gestaunt. Jetzt finden ihn die meisten richtig klasse.“

Warum das so ist? Weil er nun mit seiner Frau Sylwia und Töchterchen Maja (3) in Stuttgart angekommen ist. Weil er nach der Abkehr vom hektischen Prinzip des Gegner-Jagens seltener brenzligen Eins-gegen-eins-Situationen ausgesetzt ist und deutlich an Sicherheit gewonnen hat. Und weil er sowieso ein Mensch ist, der in sich ruht. Tyton entspannt sich bei Spaziergängen im Wald oder bei einem Buch. „Als Torhüter“, sagt er, „darf ich nicht zu viele Emotionen zeigen. Ich muss immer konzentriert sein. Deshalb fokussiere ich mich nur auf die nächste Aktion.“ So hat er sich vom Risikofaktor zum „totalen Ruhepol der Mannschaft“ (Dutt) und zu deren Rückhalt entwickelt. „Auf dem Platz, aber auch neben dem Platz ist er klar, deutlich und prägnant in dem, was er sagt und macht. Er ist ein Typ, an dem sich die Mannschaft aufrichten kann“, sagt Dutt, dem das nicht unrecht ist – mit Tyton war auch der Sportvorstand, der ihn verpflichtet hatte, zu Saisonbeginn in die Kritik geraten.

Jetzt hat sich der Wind gedreht. Was Tytons eigenes Verdienst ist, aber nicht nur seines. Zuletzt, beim 0:0 gegen den FSV Mainz 05, stand die Mannschaft tiefer und kompakter als zuvor, das neue Innenverteidiger-Paar Toni Sunjic und Georg Niedermeier stand sicher und harmonierte, was sich auf die Neben- und die Vorderleute auswirkte – und nicht minder auf den Hintermann. „Diese Stabilität hat er sicher auch vermisst, als er neu beim VfB war“, sagt Robin Dutt.

Mitch Langerak greift in der Winterpause wieder an

Damals, im Trainingslager im Zillertal, teilte Tyton das Zimmer mit seinem ebenfalls neuen Torhüterkollegen Mitch Langerak und rief den Konkurrenzkampf zwischen ihnen beiden aus: „Wenn sich einer mit der Nummer zwei zufriedengibt, ist etwas falsch.“ Nach der Verletzung des Australiers, einem Muskelbündelriss und einer Zyste im Knie, noch vor dem ersten Spiel erübrigte sich eine Entscheidung. Langerak, der mit einem gefühlten Vorteil angetreten war, kam unters Messer, Langerak biss sich durch.

Nun steht wieder eine Winterpause an, die Frage nach der Nummer eins im VfB-Tor stellt sich dann mit einiger Sicherheit wieder. Nachdem Langerak vor einem Monat wieder das Mannschaftstraining aufgenommen hat, fordert er seinen Rivalen im Trainingslager in Belek (5. bis 14. Januar) erneut heraus – diesmal aber hat Przemyslaw Tyton einen gefühlten Vorsprung. „Die Mannschaft braucht im Tor jemanden, auf den sie sich verlassen kann“, sagt er. Klar, an wen er dabei denkt.