Harte Zeiten: VfB-II-Trainer Jürgen Kramny. Foto: Baumann

Schwere Zeiten für den Fußball-Drittligisten VfB Stuttgart II und seinen Trainer Jürgen Kramny: Die unerfahrene Mannschaft kämpft gegen den Abstieg. Für den Verein hat die Spielpraxis für junge Spieler erste Priorität.

Schwere Zeiten für den Fußball-Drittligisten VfB Stuttgart II und seinen Trainer Jürgen Kramny: Die unerfahrene Mannschaft kämpft gegen den Abstieg. Für den Verein hat die Spielpraxis für junge Spieler erste Priorität.

Stuttgart - Jürgen Kramny suchte am freien Sonntag etwas Ablenkung. Auf dem Sportplatz an seinem Wohnort Poppenweiler kickte der Trainer des Fußball-Drittligisten VfB Stuttgart II mit seinem Sohn. „Die Lage ist ernst“, schätzt Kramny die Situation im Kampf um den Klassenverbleib realistisch ein. Aus den vergangenen sieben Spielen holte der VfB nur zwei Unentschieden. Der Vorsprung auf den ersten Abstiegsplatz ist auf einen Punkt geschrumpft. Doch der Coach gibt sich kämpferisch: „Wir können in dieser Woche die Weichen in die richtige Richtung stellen.“ Es geht gegen zwei direkte Konkurrenten im Tabellenkeller: erst am Mittwoch (19 Uhr) bei Holstein Kiel, dann am darauffolgenden Sonntag (14 Uhr) im Gazistadion gegen die SV Elversberg.

Zwei Dinge machen ihm dabei Mut: Zum einen können die Routiniers Thomas Geyer und Tobias Rathgeb wieder am Ball sein, zum anderen lieferte die Mannschaft gegen den SV Wehen Wiesbaden eine couragierte Vorstellung ab. Das Dumme dabei: Es setzte eine 1:2 -Niederlage. Weil wieder einmal (bei zwei Standardsituationen) nicht konsequent verteidigt wurde. Weil wieder einmal in den entscheidenden Situationen die Cleverness fehlte. „Ich halte dafür den Kopf hin“, stellt sich Kramny (Vertrag bis 2015) vor seine Spieler und stiehlt sich nicht aus der Verantwortung. Ob sein Stuhl wackelt? „Darüber wird nicht diskutiert“, behauptet der Sportliche Leiter Ralf Becker. „Wir definieren uns beim VfB II nicht über Ergebnisse. Der Trainer hat hier andere Aufgaben.“

Das klingt nach Harmonie. Nach Zusammenhalt. Doch das täuscht. Es ist ein offenes Geheimnis auf dem Wasen, dass Kramny und Becker selten einer Meinung sind, ein konstruktives Zusammenarbeiten findet praktisch nicht statt. Das zeigt sich bei der Zusammensetzung des Kaders. Vor der Saison beispielsweise wollte Kramny das dänische Toptalent Yussuf Poulsen, der jetzt für RB Leipzig stürmt. Kramny konnte sich nicht durchsetzen. In der Winterpause wies der Trainer hartnäckig darauf hin, wie wichtig ein erfahrener Mann wie Daniel Vier im Abwehrzentrum für seine Mannschaft ist – dennoch ließ der Verein den 31-Jährigen zu Ligarivale 1. FC Heidenheim ziehen. Da auch Benedikt Röcker an die SpVgg Greuther Fürth abgegeben wurde, fehlt es seitdem sowohl an Routine als auch an Lufthoheit in der Innenverteidigung.

Becker verteidigt diese Maßnahmen. „Das war eine ganz bewusste Entscheidung. Wir haben in Francesco Lovric einen österreichischen U-19-Nationalspieler. Er soll in der dritten Liga Spielpraxis sammeln. Dies steht bei uns über allem“, stellt er klar. Außerdem habe man in Thomas Geyer (23) einen erfahrenen Mann fürs Abwehrzentrum. Bei allem Für und Wider drängt sich unterm Strich der Verdacht auf: Die jungen Spieler kommen in der Bewertung durch den Verein zu gut weg. Vielmehr fehlt es dem VfB an sportlicher Topqualität im Unterbau.

Die gab es früher unter der Führung von Talentschmied Rainer Adrion. Und so ist es kein Zufall, dass der Name des früheren U-21-Nationaltrainers immer wieder fällt, wenn es darum geht, beim VfB eine Schlüsselposition im Nachwuchs zu besetzen. Fest steht: Vom 1. Juli an will der 60-Jährige wieder eine Aufgabe übernehmen. Sollte seine Zukunft beim VfB liegen, müssten die Kompetenzen neu verteilt werden. Adrion wäre nach menschlichem Ermessen nur bereit, als U-23-Trainer und Sportlicher Leiter in Personalunion zurückzukehren.

Doch derzeit hat keiner einen Kopf dafür, diese Planspiele zu vertiefen. Die prekäre Lage der Profis überlagert alles. Fest steht nur: Die eigene U-23-Mannschaft komplett aufzugeben, wie es zum Beispiel Bayer Leverkusen und Eintracht Frankfurt vorhaben, kommt in Stuttgart nicht infrage. Nur muss diese eben aus VfB-Sicht nicht um jeden Preis in der dritten Liga spielen.