Gute Tage, schlechte Tage Foto: Baumann

Beide sind jung und hochbegabt, und beide müssen im Tabellenkeller schier Unmögliches leisten: fehlerfrei spielen und dabei die Nerven im Zaum halten. Was Timo Werner und Timo Baumgartl häufig gelingt – aber eben nicht immer.

Stuttgart - Der Kampf gegen den Abstieg treibt zuweilen seltsame Blüten. Gegen Eintracht Frankfurt bestritt Timo Werner sein 54. Bundesligaspiel, er ist also kein richtiger Frischling mehr – und doch stand der jüngste Bundesligaprofi der VfB-Geschichte vor zwei Wochen komplett neben sich. Werner erkannte sich selbst nicht wieder. „So ein Spiel habe ich noch nie gemacht“, sagt der Stürmer. Er meint: so ein schlechtes Spiel. Schon der erste Ball war ihm versprungen, auch die nächsten Bälle kamen nicht an. „Plötzlich war ich in einer Spirale und konnte mich nicht mehr befreien“, sagt Werner (19). Zur Halbzeit ging er minutenlang in sich: „Ich habe mir gesagt: Geh raus und spiel den nächsten Pass über zwei Meter, damit du Sicherheit bekommst.“ Das klappte, dafür musste er zehn Minuten später verletzt raus.

Es war ein gebrauchter Tag. Timo Baumgartl (19) kennt dieses Gefühl, er hat auch schon so seine Erfahrungen gemacht. Gegen Hoffenheim leitete der Innenverteidiger kurz vor Schluss das 1:2 ein, gegen Dortmund ging auch ein Tor auf seine Kappe. Was zeigt: Im Überlebenskampf der Bundesliga geht beiden Talenten zuweilen das verloren, was eigentlich ihre Stärke ist – die Leichtigkeit des Seins, ihre Unbekümmertheit.Das Wissen, dass jeder Fehler den ganzen Verein näher an den Abgrund zur zweiten Liga rücken kann, lähmt. „Wenn man mehr Erfahrung hat, ist es einfacher damit umzugehen“, sagt Baumgartl. Wobei ihm da viele erfahrene Profis wohl widersprechen würden.

Auch wenn immer eine Woche dazwischen liegt: Die Spiele fliegen nur so vorbei, mit jedem Negativerlebnis steigt für die beiden Timos die nervliche Belastung, jede Niederlage erhöht den mentalen Druck. Es ist eine harte Schule für die VfB-Azubis. Deshalb haben beide die Länderspielpause für sich genutzt. In Absprache mit dem Bundestrainer Marcus Sorg hat der VfB seine Talente für drei Länderspiele in der U-19-Eliterunde abgemeldet. Stattdessen haben Werner und Baumgartl in den vergangenen beiden Wochen beim VfB trainiert, im gewohnten Umfeld, mit einem geregelten Ablauf, ohne Reisestrapazen und mit möglichst wenig Ablenkung. „So konnte ich an meinen Schwächen arbeiten. Das hat mir gut getan“, sagt Timo Werner. Für seinen Namensvetter Baumgartl, der 1. Bundesliga-Einsätze hat, gilt das gleiche. Für das Spiel beim VfL Wolfsburg an diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky) haben beide ihre Akkus aufgeladen – auch mit Unterstützung ihrer Chefs.

Nach dem Fehler gegen Dortmund hatte Baumgartl drei Spiele lang Pause. Die hatte ihm Huub Stevens verordnet, der sagt: „Wer hätte vor einem Jahr gedacht, dass Timo so viele Spiele macht? Es ist ganz normal, dass ein jüngerer Spieler gute und weniger gute Tage hat.“ Das gilt auch für Werner: „Er hat schon so viele Spiele auf dem Buckel, deshalb haben wir uns entschlossen, ihn nicht zur U 19 zu schicken. Unsere Situation ist wichtiger.“

Und sie ist, allen Beschwerlichkeiten zum Trotz, lehrreicher für Werner und Baumgartl als hohe Siege mit der DFB-Auswahl gegen häufig krass unterlegene Gegner. „Bisher ging ihr Weg nur steil nach oben“, sagt VfB-Sportvorstand Robin Dutt, „die Berater, die Eltern, die Kumpels – alle sagen dir ständig, wie toll du bist. Jetzt lernen sie beide, sich selbst zu reflektieren, und sie merken am eigenen Körper, dass es auch mal anders läuft.“

Was Timo Werner nur bestätigen kann. „So eine schwierige Situation habe ich noch nie erlebt“, sagt er, „in der Jugend geht es beim VfB nur um Meisterschaften. Wenn wir in der Liga und bei Turnieren nicht im Endspiel standen, waren wir enttäuscht.“ Jetzt ist jedes Pünktchen, das der VfB auf dem Weg zum Klassenverbleib mühsam zustande bringt, schon ein Triumph. Und ein willkommener Stabilisator für die belastete Psyche. „Der Erwartungshaltung eines ganzen Stadions oder einer ganzen Region muss man erst mal standhalten. Bisher machen beide das sehr gut“, sagt Dutt.

Von obigen Ausnahmen abgesehen.

Den Sieg gegen Frankfurt hat Timo Werner, der eine Stunde lang mehr Hemmschuh als Ankurbler auf dem linken Flügel war, dann von der Bank aus verfolgt. Als die VfB-Tore zum 3:1 fielen, saß er verletzt draußen. „Vielleicht war ja das der Auslöser, dass es plötzlich lief“, sagt er – und grinst vorsichtshalber. Nicht dass ihn Huub Stevens falsch versteht: In Wolfsburg will er wieder von Anfang an dabei sein.