Mit einem Autokonzern auf der Brust: VfB-Kapitän Christian Gentner (links) und der Wolfsburger Maximilian Arnold  Foto: AFP, dpa, Hersteller (2), Illustrationen: Ruckaberle

Zwei Clubs, zwei Autobauer – ein Duell. An diesem Samstag empfängt der VfB Stuttgart den VfL Wolfsburg in der Fußball-Bundesliga. Und wer genau hinschaut, erkennt nicht wenige Gemeinsamkeiten der Vereine.

Stuttgart - Wer in diesen Tagen Stuttgart und Wolfsburg hört, denkt an Diesel, Abgas und Skandal. An einen Krisengipfel. An diesem Samstag findet um 15.30 Uhr kein Krisengipfel statt, sondern ein Spiel der Fußball-Bundesliga. In der Mercedes-Benz-Arena treffen der VfB Stuttgart und der VfL Wolfsburg aufeinander – zwei Vereine aus zwei Städten, die wie keine anderen in Deutschland vom Automobil geprägt und von ihm abhängig sind mit allen Vor- und Nachteilen. Das gilt auch für die Fußballmannschaften, für die eine (VfL) etwas mehr als für die andere (VfB). Zuletzt haben beide Konzerne um die Gunst des Deutschen Fußball-Bundes gekämpft – VW stach den langjährigen DFB-Partner Mercedes aus und ist ab 2019 neuer Mobilitätspartner. An diesem Samstag spielt dies aber keine Rolle, wenn der VfB gegen den VfL antritt. Und so ein bisschen eben auch Daimler gegen VW. Ein Vergleich.

Die Rolle der Autokonzerne

Daimler und der VfB – die Verbindung gibt es schon Jahrzehnte. Nicht nur, weil die Weiß-Roten in der Mercedes-Benz-Arena spielen (davor im Gottlieb-Daimler-Stadion). Mit der Ausgliederung der Profiabteilung in die VfB AG hat sich die formale Basis der Beziehung verändert. „Wir sind nach wie vor ein Traditionsverein“, sagt Präsident Wolfgang Dietrich, nur eben mit „Ankerinvestor“. Daimler hält 11,75 Prozent der Anteile und hat dafür 41,5 Millionen Euro an frischem Geld in die VfB-Kasse gespült. Ziel ist es nun, dass in den nächsten zwei Jahren weitere Investoren dazu gewonnen werden. Damit soll auch dokumentiert werden, dass der VfB unabhängig bleibt und Daimler kein Interesse an einer Betriebssportmannschaft hat. „Wir wollen nicht dominieren, wir wollen keine Daimler-Werkself“, sagt Daimler-Personalvorstand Wilfried Porth. Für den Konzern geht es beim Engagement für den VfB demnach auch um „die Gesamtattraktivität dieser Region“. Neben der Summe, die der Autobauer als Investor zugeschossen hat, fließen rund neun Millionen Euro pro Jahr an Sponsorengelder aus dem Hause Daimler. Im neunköpfigen Aufsichtsrat der VfB AG sitzen zwei Vertreter des Nachbarn: Franz Reiner und Wilfried Porth. In Wolfsburg ist die jährliche Summe, die der VfL von Volkswagen erhält, deutlich höher. Schätzungsweise 60 Millionen Euro (vor Jahren sollen es bis zu 90 Millionen Euro gewesen sein) steuert VW bei – allerdings ist die Konstellation auch eine ganz andere. Die VfL Wolfsburg Fußball GmbH ist eine 100-prozentige Tochter des VW-Konzerns. Die Geschäftsführer Tim Schumacher und Wolfgang Hotze blicken auf eine Karriere beim Autobauer in Niedersachsen zurück, im neunköpfigen Aufsichtsrat gibt es viermal eine Verbindung zu VW. Chef des Kontrollgremiums ist Francisco Javier Garcia Sanz, ein Vorstandsmitglied der VW AG, die auch in anderen Bundesligavereinen als Sponsor aktiv ist (Werder Bremen, Hannover 96, RB Leipzig). Die VW-Tochter Audi ist Investor der FC Bayern AG. Porsche ist seit vielen Jahren Sponsor beim VfB Stuttgart.

Die letzte Meisterschaft

Lange hat sich der VfB Stuttgart gerühmt, der letzte eingetragene Verein zu sein, der die deutsche Fußballmeisterschaft gewonnen hat. 2007 war das und die Mannschaft um den Kapitän Fernando Meira stand vor einer verheißungsvollen Zukunft. Denn sie war jung, sie war wild und der VfB schien in der Lage, sie auch zusammenhalten zu können. Zehn Jahre später hat der VfB seine Profiabteilung in eine AG verwandelt und nicht wenige innerhalb und außerhalb des Clubs sehen im damaligen Titelgewinn den Ausgangspunkt für den späteren Niedergang. Eine verfehlte Personalpolitik sowie ein enormer Verschleiß an Trainern, Managern, Präsidenten und Aufsichtsräten gelten als Beleg für diese These. Erst mit dem Abstieg endete die Abwärtsspirale – und mit dem Aufstieg und der Ausgliederung soll nun eine neue Erfolgsära beim VfB begründet werden.Den Erfolg nachhaltig zu gestalten – das ist auch beim VfL Wolfsburg nach dem Gewinn der Meisterschaft 2009 der Plan gewesen. Nur: Dem großen Zampano Felix Magath gelang dieses Vorhaben nicht. Die Mannschaft war verbraucht und rutschte Saison für Saison ab. Erst im Herbst 2012 mit der Verpflichtung von Manager Klaus Allofs, der Dieter Hecking als Trainer holte, fand der VW-Club wieder in die Spur. Und diesmal schien der Erfolg von Dauer zu sein. Die Saison 2014/2015 beendeten die Wolfsburger als Vizemeister und Pokalsieger – mit einem Kader, der gut und teuer war. Letztlich aber zu teuer und nicht gut genug. Was zur Folge hatte, dass in der vergangenen Saison Hecking gehen musste, Allofs geschasst wurde und eine Reihe von namhaften Spielern das Weite suchte. Bis in die Relegation führte der Irrweg.

Die aktuelle Situation

Sportlich gesehen freut sich der VfB darauf, wieder ein Heimspiel zu bestreiten: Im Jahr 2017 haben die Stuttgarter noch keine Begegnung in der Mercedes-Benz-Arena verloren. Achtmal ging die Mannschaft von Trainer Hannes Wolf als Sieger vom Platz, zweimal spielte sie unentschieden. Das gibt Selbstvertrauen und vermittelt den Spielern ein gutes Gefühl. Ein Automatismus für einen weiteren Erfolg gegen den VfL Wolfsburg lässt sich daraus aber nicht ableiten. „Wir müssen an unser Limit gehen“, sagt der Trainer. Das gilt ganz grundsätzlich für die Stuttgarter, wenn sie Bundesligapartien gewinnen wollen. Und dazu muss die VfB-Elf aus den leichten Fehlern und Unkonzentriertheiten lernen, die sie sich bisher auswärts geleistet hat.Vier Punkte aus drei Spielen hat der VfL Wolfsburg bislang geholt. Das wird bei den Niedersachsen als okay gewertet, wobei sie natürlich gerne das Derby gegen Hannover (1:1) gewonnen hätten. Aber das Team von Andries Jonker steckt im Umbruch und so eine Verjüngung des Kaders bringt es mit sich, dass Geduld gefragt ist. Der niederländische Coach will diese aufbringen, nachdem die Wolfsburger nach der aufreibenden Vorsaison einen neuen Weg zu alten Erfolgen suchen. Vorbei die Zeit der großen Namen wie Julian Draxler, André Schürrle oder Luiz Gustavo. Um den verletzten Kapitän Mario Gomez wird ein Insider-Team gebaut – also eine Mannschaft, in der Experten viel Potenzial erkennen. Zum Beispiel beim belgischen Stürmer Divock Origi (22) oder beim deutschen Abwehrspieler Ohis Felix Uduokhai (20).

Das Image der Städte

Stuttgart galt lange als das größte Dorf der Republik. Die Kehrwoche stand sinnbildlich für die Provinzialität. Doch das Image hat sich gewandelt, die Stadt im Kessel gilt dank Unternehmen wie Daimler, Bosch oder Porsche als Boomtown mit urbanem Lebensgefühl im Süden und Westen. Der frühere VfB-Keeper Jens Lehmann sprach mal von der „Heile-Welt-Großstadt“. Größtes Ärgernis waren lange die Mietpreise. Zuletzt sank der Stern Stuttgarts, der Verkehrsinfarkt macht Schlagzeilen, dazu die miese Luft: Stuttgart ist die Stau- und Feinstaubhauptstadt der Republik. „Das Engagement beim VfB ist für uns auch eine Möglichkeit, einen Gegenpunkt zu setzen zu den vielen negativen Schlagzeilen, mit denen man Stuttgart zuletzt immer wieder verbunden hat“, sagte Daimler-Mann Wilfried Porth vor einiger Zeit. Wolfsburg ist eine Stadt gewordene Autofabrik. Am 26. Mai 1938 legte Adolf Hitler den Grundstein für das dortige Volkswagenwerk. Nach dem Krieg, am 25. Mai 1945, wurde der Name von „Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben“ in „Wolfsburg“ geändert. Bis heute leidet die Stadt unter einem miesen Ruf, Wolfsburg gilt als langweilig, gar hässlich, an knackigen bösen Aussagen ehemaliger Spieler mangelt es nicht. Die Stadt ist reich, naturgemäß aber ohne Altstadt, VW prägt das Stadtbild durch sein Werk und spektakuläre Bauten wie die „Autostadt“ oder das futuristische Science-Center Phaeno. Die Stadt investiert enorm viel in die Entwicklung und die Lebensqualität, etwa in Grünflächen und Kultur. „Wolfsburg ist bei Weitem nicht so schlecht, wie es manche von außen machen. Die Stadt bietet genug“, sagt der frühere VfL-Trainer Dieter Hecking.

VfB Stuttgart - 1. Bundesliga

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