Emiliano Insua will mit dem VfB schnell raus aus dem Keller. Foto: Pressefoto Baumann

Er gibt der Wackelabwehr des VfB Stuttgart (27 Gegentore) wenigstens auf der linken Seite Halt: Emiliano Insua ist einer der wenigen Lichtblicke in einer bislang enttäuschenden Saison.

- Herr Insua, gerade ist Länderspielwoche, viele Ihrer Kollegen sind mit ihren Nationalteams unterwegs. Enttäuscht, dass die argentinische Albiceleste am Freitag im Klassiker gegen Brasilien ohne Sie auskommt?
Enttäuscht ist der falsche Ausdruck. Ich verstehe eine Nichtnominierung eher als Antrieb, noch härter an mir zu arbeiten. Wir Argentinier sind sehr nationalbewusst. Jeder Fußballer träumt davon, einmal für die Albiceleste aufzulaufen. Ich werde auf jeden Fall alles dafür tun, dass zu meinen bisherigen vier Länderspielen weitere hinzukommen.
Ihr Nationaltrainer Tata Martino weiß, wo er Sie findet?
Er hat meine Nummer. Und ja, natürlich schaut er auch die Bundesliga, auch wenn gerade nicht so viele Argentinier hier spielen.
Sie sind jetzt seit vier Monaten in Stuttgart. Haben Sie sich gut eingelebt?
Absolut! Meine Familie und ich fühlen uns sehr wohl hier. Meine Frau, die auch aus Argentinien stammt, und ich lernen gerade Deutsch, wir haben eine Wohnung in Bad Cannstatt, mein Sohn geht zur Schule. Das Einleben war überhaupt kein Problem, auch sportlich nicht. Ich habe in der Bundesliga bisher jedes Spiel bestritten, das ist ein schönes Gefühl für mich.
Die Gesamtsituation beim VfB ist mit Platz 16 weniger schön.
Das stimmt, es kam vieles zusammen. Wir hatten eine gute Vorbereitung, und dann kamen solche Spiele wie gegen Köln oder Hamburg . . . Puh. Diese Spiele darfst du nie und nimmer verlieren. Aber sie haben mir auch gezeigt, was in der Truppe steckt.
Nämlich?
Dass diese Art von Fußball gut zu uns passt. Und dass sich die guten Ergebnisse bald einstellen – und wir besser dastehen werden als jetzt.
Ungeachtet des aktuellen Tabellenplatzes scheinen Sie sich sehr wohl zu fühlen hier. Zumindest sieht man Sie immer viel lachen.
Das entspricht wohl meinem Naturell! Aber es stimmt schon: Für mich passt im Moment eigentlich alles – abgesehen vom Tabellenplatz.
Fiel Ihnen der Wechsel von der spanischen Primera División in die Bundesliga denn gar nicht schwer?
Ich hatte konditionell einen gewissen Rückstand, weil ich in Spanien am Ende nicht mehr so häufig zum Einsatz kam. Den galt es in der Vorbereitung aufzuholen. Ansonsten war der Wechsel kein größeres Problem. Das Niveau beider Ligen ist vergleichbar.
Und der Umzug nach Deutschland? Muss doch ein recht fremdes Land sein für einen Argentinier.
Ich liebe es, verschiedene Länder und Kulturen kennenzulernen. Insofern war auch das überhaupt kein Problem. Gut, mit dem deutschen Winter, so er denn mal kommt, werde ich mich wahrscheinlich nicht anfreunden können. Aber alles andere: super!
Gar kein Heimweh? Was unternehmen Sie, um sich heimisch zu fühlen?
Heimweh? Eigentlich nicht. Dafür bin ich vielleicht schon zu lange weg von zu Hause. Heimisch fühle ich mich, wenn ich meine Familie um mich herum habe. Wenn ich kein Training habe, verbringe ich fast ausschließlich Zeit mit ihr.
Im Internet lassen Sie Ihre Fangemeinde viel an Ihrem Privatleben teilhaben und twittern Bilder von Ausflügen zu Schloss Neuschwanstein oder beim gemeinsamen Kochen. Sie scheinen ja viele Hobbys zu haben . . .
Ach, das würde ich gar nicht so sagen. Ich unternehme eben Dinge, an denen auch mein kleiner Sohn Spaß hat.
Mit 26 Jahren haben Sie schon in England, der Türkei, Spanien, Portugal und jetzt in Deutschland Fußball gespielt – die Vita eines wahren Globetrotters.
Das macht doch das Leben aus! Ständig neue Leute kennenzulernen, neue Stadien, andere Arten, Fußball zu spielen. Jetzt fehlt in meiner Vita eigentlich nur noch Italien. Aber bevor Sie fragen: Ich will noch lange hier beim VfB bleiben. Mein Vertrag läuft schließlich bis 2018.
Besonders lange hielt es Sie aber nie bei einem Verein. Hat das einen Grund?
Man muss die Stationen einzeln betrachten. In Liverpool zum Beispiel hatte ich zunächst eine gute Zeit. Dann kam mit Roy Hodgson ein neuer Trainer, der mir schnell klargemacht hat, dass ich nicht spielen werde. Daraufhin ging ich für ein Jahr zu Galatasaray Istanbul. Bei Sporting Lissabon hatte ich zwei gute Jahre, bei Atlético Madrid war die Konkurrenz sehr groß. So ist Fußball.
Macht es Ihnen nichts aus, im Tabellenkeller zu spielen? In Ihren früheren Teams ging es eher um Titel als um den Kampf gegen den Abstieg.
Mit Rayo Vallecano wurde ich letzte Saison Elfter. Ich denke, eine ähnliche Platzierung ist für uns dieses Jahr auch drin.
Für Atlético zu spielen, haben Sie mal als Kindheitstraum bezeichnet. Haben Sie vom VfB Stuttgart auch schon mal geträumt?
Das vielleicht nicht. Aber was ich nach meiner kurzen Zeit hier sagen kann: Der VfB ist ein toller Club mit einer fantastischen Infrastruktur, einem schönen Stadion und super Fans.
Liverpool, Galatasaray, Atlético, Stuttgart – wo gibt es die besten Fans?
Schwierige Frage. Gute Stimmung herrscht überall. Was mich hier überrascht hat: Wie unsere Anhänger uns auch bei schlechten Spielen oder Ergebnissen immer unterstützen. Das ist schon beeindruckend. Für uns Argentinier ist es wichtig, dass immer Stimmung herrscht, immer Lärm ist – wir kennen es nicht anders.
Wann zieht es Sie zurück in Ihre Heimat?
Zum Ende meiner Karriere. Ich würde sie dort gerne beenden und auch danach in Argentinien leben.
Haben Sie einen Lieblingsclub dort?
Ich habe genau wie mein Bruder zehn Jahre für Boca Juniors in Buenos Aires gespielt. Das wäre zum Abschluss natürlich noch mal ein Traum.