Georg Niedermeier, Arianit Ferati, Philip Heise und Mart Ristl studieren im Training mit Absperrband das synchrone Verschieben ein. Foto: Rudel

Drei Gegentore im Testspiel gegen Viktoria Pilsen, gegen Young Boys Bern klingelte es sogar viermal im Kasten des VfB: In der Defensive muss der neue Trainer Alexander Zorniger noch viel Basisarbeit leisten.

Bern/Stuttgart - Es ist eine alte Weisheit, dass Vorbereitungsspiele nicht überbewertet werden sollten. Schon gar nicht in einer so frühen Phase der Saison und gegen einen Gegner, der unmittelbar vor dem Start in die neue Runde steht. Dennoch hat der Auftritt der Roten am Samstag in Bern Trainer Alexander Zorniger nachdenklich zurückgelassen.

Beim ersten Gegentor durfte Berns Milan Vilotic am langen Pfosten ungehindert einköpfen. Und auch bei den Gegentoren zwei bis vier legte der Abwehrverbund der Roten eine sommerliche Schläfrigkeit an den Tag, die dem Gegner das Toreschießen nicht allzu schwer machte. Mal stimmte die Zuordnung nicht, mal ließ die Viererkette den Young Boys zu viel Raum, beim 1:4 genügte ein schlichter Pass in die Tiefe.

„Die Spieler hatten schwere Beine, dennoch hätten wir das in mehreren Situationen besser machen müssen“, grummelte Alexander Zorniger und stellte fest: „Uns hat die Kompaktheit gefehlt.“

Doch was heißt das im Spielsystem des neuen Trainers? Zunächst einmal bedeutet es höchste Gefahr, wenn die Geschlossenheit verloren geht. Denn Zornigers wilder Stil, den er selbst so postuliert hat, basiert auf einer hoch stehenden, also weit vor dem eigenen Tor verteidigenden Viererkette. Sie dient als Ausgangspunkt für ein schnelles, offensives Spiel, das maßgeblich von den beiden Außen geprägt wird. So weit, so schön anzuschauen. Die Gefahr dabei: Fehler werden schnell bestraft, wie selbst ein durchschnittlicher Gegner wie Bern den Brustring-Kickern vor Augen führte. Voraussetzung für ein funktionierendes Defensivsystem ist daher vor allem die Eingespieltheit. Personell wie taktisch.

Zorniger steckt noch in der Basisarbeit, im Training lässt er das Verschieben und Herausrücken mit Absperrbändern üben. „Beim dominanten Verteidigen gegen den Ball kommt es in der Bundesliga auf jeden halben Meter an“, sagt der 47-Jährige. Anders gesagt: Eine gute Viererkette kann niemand trennen. Schon unter Huub Stevens verteidigte der VfB sehr hoch, nun soll das Ganze mit Tempofußball gepaart werden. Bei Balleroberung gibt es künftig nur noch eine Richtung: Nach vorne!

Einer, dem dabei eine tragende Rolle zukommen soll, ist der Argentinier Emiliano Insua. Er bringt die nötige Technik, Schnelligkeit und Robustheit für einen Linksverteidiger moderner Prägung mit. Der 26-Jährige dürfte links Adam Hlousek ersetzen, ist aber auch in der Innenverteidigung einsetzbar. Auf alle Fälle „kann er gut nach vorne verteidigen und passt daher perfekt zu unserer Spielweise“, wie Zorniger meint.

Für Insua wird keine Ablöse fällig

VfB-Sportvorstand Robin Dutt reibt sich zufrieden die Hände – auch, weil für den Wandervogel, der schon in England, der Türkei, Portugal und Spanien seine Brötchen verdiente, keine Ablöse an Atlético Madrid fällig wurde. Insua machte von einem Sonderkündigungsrecht in seinem Vertrag Gebrauch und darf sich zu seinem Einstand in Stuttgart über ein Handgeld freuen, das aber deutlich unter der Summe liegt, die Atlético für ihn hätte aufrufen können.

Der Bundesligist scheint also ein gutes Geschäft gemacht zu haben. Ein sehr gutes soll nach Möglichkeit bei Antonio Rüdiger herausspringen – wenn sich endlich ein Verein findet, der die geforderten 18 Millionen Euro Ablöse zu zahlen bereit ist. An diesem Dienstag muss der wechselwillige und vorübergehend freigestellte Nationalspieler wieder auf dem Cannstatter Wasen antanzen. Ein Training mit der Mannschaft ist allerdings kaum vorstellbar.

Entweder wird der 22-Jährige alleine seine Runden drehen, oder er nimmt am Schreibtisch von Robin Dutt Platz, um die aktuelle Lage zu erörtern. Ob er am Ende womöglich doch beim VfB bleibt? Ziemlich sicher nicht. Der Markt für internationale Großtransfers kommt gerade erst in Schwung, die vergangenen ergebnislosen Verhandlungstage sind wohl eher als Teil des großen Pokerspiels zu deuten. Zum anderen hält sich auch beim VfB-Sportchef die Lust auf einen Verbleib des Innenverteidigers in überschaubaren Grenzen – Dutt weiß, dass Rüdiger beim weiß-roten Anhang kaum mehr vermittelbar sein dürfte.

Druck, auf dem Transfermarkt in puncto Defensive nochmals tätig zu werden, verspüren die Strategen im roten Haus eigenem Bekunden nach nun nicht mehr. Dennoch soll – ein Verkauf Rüdigers vorausgesetzt – noch ein Innenverteidiger her. Und das möglichst schnell. In Sachen hoch stehender Viererkette gibt es schließlich noch viel zu tun.