Wieder nichts mit einem Tor: dem VfB-Stürmer Daniel Ginczek springt der Ball zu weit vom Fuß und der Augsburger Torhüter Marwin Hitz packt zu. Foto: Baumann

Entgegen aller Erwartungen hält die Abwehr des VfB Stuttgart dicht. Doch der Angriff des Fußball-Bundesligisten geizt mit Toren – auch beim 0:0 gegen den FC Augsburg.

Stuttgart - Das Publikum in der Untertürkheimer Kurve hat es gleich gemerkt. Applaus brandete auf, als nach der Pause Bewegung in die Bank des VfB Stuttgart kam und Daniel Ginczek die Schar der Einwechselspieler anführte. Ihr „Ginni“ war nach wochenlanger Verletzungspause wieder da, und mit dem Stürmer lief sich für die Fans die Hoffnung auf Tore warm.

Später hat der Co-Trainer Miguel Moreira dann tatsächlich das Trikot mit der Nummer 33 hochgehalten und Ginczek damit signalisiert, dass er in Kürze den roten Ochsensturm komplettieren würde. Daniel Ginczek und Simon Terodde in einer Angriffsreihe, zweimal 1,90 Meter und zusammen 170 Kilogramm im gegnerischen Strafraum – was für eine Wucht. Und die beiden gemeinsam würden bestimmt ein Loch in das dicht geknüpfte Defensivnetz des FC Augsburg reißen.

Der Torgeiz der Schwaben

Der ersehnte Moment kaum auch, als Dennis Aogo auf Ginczek passte, dem 26-jährigen Stürmer sprang der Ball aber vom Fuß – weg war die Chance, und weg war die wunderbare Comeback-Geschichte. Übrig blieb nach dem 0:0 des VfB ein ganz anderes Thema: der Torgeiz der Roten. Ausgerechnet. Denn vor der Saison war von Fans und Fachleuten stets in einer Mischung aus Vorfreude und Anerkennung über die Offensive der Stuttgarter gesprochen worden. Vieles konnte man sich vorstellen, aber nicht, dass der VfB kaum Tore schießen würde. Doch so ist es gekommen.

Drei Treffer sind es bislang, zwei davon wurden im eigenen Stadion erzielt, und noch nicht einmal hat Terodde getroffen. „Das ist natürlich wenig“, sagt der Trainer Hannes Wolf, „wir können aber stolz darauf sein, dass wir defensiv stabil stehen. Das dürfen wir nicht verlieren.“ Zumal es der VfB ja geschafft hat, entgegen den allgemeinen Erwartungen, sein Spiel auf den Kopf zu stellen: Bisher galt immer die Abwehr als Problem- und der Angriff als Luxuszone. Nun halten die Stuttgarter in der Mercedes-Benz-Arena hinten dicht, spielen dafür jedoch vorne oft ohne Pep und Punch.

„Zwei Tore zu Hause, das ist nach drei Spielen sicher keine Topbilanz, aber damit sieben Punkte zu holen ist klasse“, sagt Manager Michael Reschke und steht mit dieser Einschätzung inmitten einer Debatte, die den VfB ereilt hat. Denn man kann sich diesem Team und seinem Trainer von zwei Seiten nähern. Diejenigen, die es gut meinen, loben die Stabilität beim Verteidigen und verweisen auf die akzeptable Ausbeute eines Aufsteigers. Diejenigen, die es kritischer sehen, bemängeln die Durchschlagskraft beim Angreifen und verweisen auf die Anzahl der Defensivspieler in der Startelf.

Sieben Defensivspieler – oder genug Offensivkräfte?

Sieben sind es nach landläufiger Rechnung: Die Dreierabwehrkette, die sich zu einem Fünferriegel auswächst, wenn der Gegner attackiert. Plus die beiden defensiven Mittelfeldspieler davor. Von denen einer gegen die Augsburger sogar ein Verteidiger war: Benjamin Pavard. Der leichtfüßige Franzose, der für Holger Badstuber im Abwehrzentrum Platz machen musste und nach vorne geschoben wurde.

Doch wie soll man mit dieser Grundausrichtung die ganze Mannschaft nach vorne bringen? „Wir spielen jetzt nicht defensiver als in der zweiten Liga“, sagt Wolf und macht seinerseits eine Rechnung auf: Er lasse genauso viele Offensivleute von der Leine wie vorher. Nur: Mit der Umsetzung hapert es. Weil Terodde nicht trifft. Weil die wilden und schnellen Kerle wie Anastasios Donis, Josip Brekalo und Takuma Asano über gute Ansätze noch nicht hinauskommen. Weil die Automatismen im Angriff verfeinert werden müssen und dem VfB somit als Erstligist die Kraft des letzten Wortes fehlt, die er als Zweitligist noch hatte.

„Uns fehlt nur ein Quäntchen, uns fehlen keine Welten“, sagt Wolf, auch mit Blick auf die Auswärtsauftritte, die allesamt verloren wurden. Ebenso eng wie auf fremden Plätzen ging es in den Heimpartien zu. Nur mit besserem Ausgang. Was letztlich verdeutlicht, dass sich die Stuttgarter in jedem Bundesliga-Spiel auf einer Gratwanderung befinden. Sie müssen, wie Wolf ständig betont, an ihre Leistungsgrenze kommen, um sich eine Siegchance zu erkämpfen. Selbst gegen mittelmäßige Gegner.

Als eine Herausforderung erachtet es der Trainer deshalb, die Balance zwischen Defensive und Offensive jedes Mal aufs Neue zu finden. Das nächste Mal am Samstag bei Eintracht Frankfurt. „Wir müssen Wege finden, unsere kreativen Spieler in gute Positionen zu bringen. Da nehme ich auch uns Abwehrspezialisten in die Pflicht“, sagt Badstuber. Anders herum haben ja auch die Stürmer verinnerlicht, sich defensiv voll einzubringen. „Wenn man bedenkt, was wir bisher gespielt haben, dann haben wir zu wenige Punkte geholt“, sagt Wolf. Und zu wenig Tore erzielt.

VfB Stuttgart - 1. Bundesliga

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