9.Oktober 2016: Die Mitgliederversammlung wählt Wolfgang Dietrich zum VfB-Präsidenten Foto: Baumann

Nach einem Jahr im Amt gilt: Man muss Wolfgang Dietrich nicht mögen, aber er hat es verdient, respektiert zu werden. Seine Bilanz als VfB-Boss ist positiv – und selbst seine Kritiker müssen zugeben: Es hätte schlimmer kommen können.

Stuttgart - Kaum anzunehmen, dass die Mitarbeiter beim VfB Stuttgart ein Kerzchen anzünden und dem Chef zum ersten Jahr im Amt gratulieren. Vielleicht bittet Wolfgang Dietrich (69) am Montag aber zu einem Gläschen in Ehren. Dann werden sie sagen, dass es die anstrengendste, aber auch aufregendste Zeit war, die sie beim VfB erlebt haben und seufzen: Kinder, wir sind gerade noch mal davon gekommen. Sicher war das nicht.

Skepsis, Zweifel, Misstrauen zum Einstand

Es war der 9. Oktober 2016: Sie hatten ein Vierteljahr nach dem Abstieg in der Hanns-Martin-Schleyerhalle keinen Roten Teppich für den Mann ausgerollt, den die einen als Lösung priesen, die anderen als Spalter beschimpften. Am Ende wählten die VfB-Mitglieder den ehemaligen Sprecher von Stuttgart 21 zum achten Präsidenten des Fußball-Zweitligisten. Mit 57,2 Prozent. Ein großer Vertrauensbeweis war das nicht. Skepsis, Zweifel und Misstrauen begleiteten den früheren Fußball-Investor und Unternehmer auf seinem Weg an der Spitze eines Vereins, der in der größten Krise seiner bald 125-jährigen Geschichte steckte.

Ein Jahr danach lautet die Bilanz: Einige Fans begegnen ihm immer noch mit Argwohn, aber fast alle respektieren seine Arbeit. Es hätte demnach schlimmer kommen können. Wolfgang Dietrich hat Tempo und Entschlossenheit vorgelegt, wie ihm das kaum jemand zutrauen wollte. Der strauchelnde VfB Stuttgart geht wieder aufrecht und erhobenen Hauptes. Auf steinigen Pfaden zwar, aber ausgerüstet mit den Grundlagen, die es braucht, um auf Dauer zurück zur Elite der Liga zu stoßen. Die Rückkehr in die Bundesliga blieb auch deshalb keine Illusion, weil es die neue Führungsriege verstand, wieder Ruhe in den Verein zu bringen. Auch in Phasen in denen das große Ziel in Gefahr schien, stützten die Bosse den jungen Trainer Hannes Wolf. Das war beim VfB nicht immer so. Dann setzten die Mitglieder nach Jahren nervender Diskussionen mit einer kaum für möglich gehaltenen Mehrheit den nächsten Meilenstein: 84,2 Prozent stimmten für die Ausgliederung des Profifußballs in eine Aktiengesellschaft. Daimler zahlte als Ankerinvestor 41,5 Millionen Euro für 11,75 Prozent. Wertvolles Startkapital für den Wiederaufsteiger. Wie richtig der Zeitpunkt gewählt war, bewiesen die Monate danach. Wer weiß, wie der große Nachbar angesichts der neuen Herausforderungen heute entscheiden würde? Alles in Butter, also? Nicht alles!