Armin Veh am Spielfeldrand. Wo geht die Reise hin? Foto: Baumann

In vier Pflichtspielen (samt DFB-Pokal) hat der VfB Stuttgart schon sieben Gegentore kassiert – aber nur eines erzielt. Das muss er sportlich lösen. Die Ursache aber liegt im mentalen Bereich.

Stuttgart - Da war er wieder – dieser Moment, den sie alle fürchten beim VfB. Die Mannschaft war gut unterwegs im Spiel beim FC Bayern, die Partie am vergangenen Samstag war einigermaßen ausgeglichen, da passierte es: Der VfB setzte einen Konter an, verlor den Ball, lief in den Gegenkonter. Foul, Freistoß, 0:1 – der Anfang vom Ende gegen den Rekordmeister.

Und Alarmstimmung in elf Köpfen auf dem Platz und bei allen Ersatzspielern und Trainern, die auf der VfB-Bank versammelt waren: Bloß das nicht!

Seit Wochen hat Trainer Armin Veh ihnen eingebläut: „Erst mal hinten gut stehen, erst mal hinten gut stehen!“ Jetzt hatten sie sich aus der Deckung getraut – und waren prompt ins offene Messer gelaufen. „Daran müssen wir arbeiten“, sagt Veh über das Missverhältnis zwischen sicherer Defensive und stürmischer Offensive. „Das ist zurzeit unsere größte Baustelle, die müssen wir dringend angehen“, sagt Martin Harnik.

Auf dem Platz bekommen sie es zurzeit nicht hin, doch das Problem steckt in den Köpfen. Am liebsten hätte Armin Veh elf Draufgänger auf dem Platz, die frech und mutig Ball und Gegner bearbeiten. So könnte er am besten sein Ideal erreichen: „Wir wollen Fußball spielen, der die Fans mitreißt und sie begeistert.“ Doch da ist die schwierige Findungsphase bis zum Saisonbeginn. Und vor allem ist da die Vergangenheit.

Der Fluch der späten Gegentore.

Immer wieder hatte sich der VfB in der vergangenen Saison durch Nachlässigkeiten in der Defensive selbst um die Früchte seiner Arbeit gebracht. Sportlich ging es stetig bergab – bis Huub Stevens kam. Der Niederländer zog die Bremse, verordnete der Mannschaft einen strikten Defensivkurs – und rettete so den VfB vor dem Abstieg.

Diese Bremse in den Köpfen hat bis heute niemand gelöst. Armin Veh hat sie eher noch verstärkt. „Ich habe am Anfang gesehen, dass wir in der Abwehr zu anfällig sind. Deshalb habe ich wochenlang zur Mannschaft gesagt, sie soll erst nach hinten absichern.“

Dabei ist wohl der Offensivgedanke verschüttgegangen. Christian Gentner etwa, der Kapitän, verzichtet fast gänzlich auf Vorstöße, stattdessen verpufft sein Potenzial nahezu wirkungslos im Mittelfeld. „Der Gedanke, hinten gut zu stehen, überlagert alles in den Köpfen der Spieler, auch bei Gente. Dabei brauchen wir seine Impulse nach vorn“, sagt Armin Veh. Die fehlen generell. Von außen kommen zu wenige brauchbare Flanken, und in der Sturmmitte steht Vedad Ibisevic allein auf weiter Flur und sieht entsprechend schlecht aus, weil keiner nachrückt.

In München mit einer Ausnahme: Antonio Rüdiger, der Innenverteidiger, spurtete dreimal in den gegnerischen Strafraum und kam prompt zu drei Torchancen, die er allerdings allesamt vergab. Das Signal, das er den Mitspielern und den Fans damit gab: Da traut sich einer was! Allerdings mit dem Risiko, dass er bei schnellen Kontern dann in der Abwehr fehlt. Ohnehin ist nicht jeder so gestrickt wie der Jungnationalspieler. „In München hast du doch nichts zu verlieren“, sagt Rüdiger, „da kannst du ganz ohne Druck spielen. Aber die einzigen Torchancen, die wir hatten, waren nach Standardsituationen.“ Das ist deutlich zu wenig.

An diesem Samstag (15.30 Uhr/Sky) kommt die TSG Hoffenheim in die Mercedes-Benz-Arena. „Vielleicht lasse ich die Mannschaft da mal vogelwild nach vorn spielen“, sagt Armin Veh und lacht. Natürlich wird er das nicht machen. Eher wird er sich für den VfB den Satz zunutze machen, den Otto Rehhagel einst geprägt hat: Eine kontrollierte Offensive wäre schon mal ein Anfang. Und deutlich mehr, als der VfB zuletzt gegen die Bayern und Köln gezeigt hat.