Stolze Fans, stolzer Club, aber Ernüchterung nach dem ersten Heimspiel Foto: Bm

Schon nach dem ersten Heimspiel erinnert der VfB Stuttgart an alte Schwächen. Beim 0:2 gegen den 1. FC Köln zeigte die Mannschaft erste Anzeichen einer Krise.

Stuttgart - Es ist sicher nicht falsch, die Arbeit von Armin Veh mit allen guten Wünschen zu begleiten. Sollten die Anzeichen nicht sämtlich trügen, hat er beim VfB Stuttgart die bisher schwerste Aufgabe seiner Trainerlaufbahn angetreten. Schon zwei Spieltage nach Saisonbeginn ist die erste allgemeine Verunsicherung wieder Teil des weiß-roten Programms. Der Verein jedenfalls nährt sich nur noch von den Erinnerungen auf der Resterampe seiner großen Vergangenheit. Und was das Vermögen der Mannschaft anlangt, dämmert der Fangemeinde so ganz allmählich, dass sie immer noch viel näher beim Hamburger SV liegt als beim FC Augsburg oder bei Hertha BSC. Das verspricht wenig Gutes für den weiteren Verlauf der Saison.

Armin Veh tat sich jedenfalls schwer, aus der kümmerlichen Darbietung gegen den Novizen aus Köln (0:2) ein paar Aspekte herauszulösen, die Besserung verheißen. Den statistischen Werten nach war der VfB seinem Gegner in jeder Hinsicht überlegen. Aber was nützt die Mehrzahl der gewonnenen Zweikämpfe, wenn eine Mannschaft die wichtigen nicht gewinnt? „Wenn wir so weitermachen“, sagte der Coach mit grimmiger Miene, „wird diese Saison ähnlich schwer wie die vergangene.“

Die Erneuerung im VfB verliert schon wieder an Dynamik

Es hat sich ja auch nicht viel verändert, seit Huub Stevens den Verein für Bewegungsspiele 1893 mit letzter Kraft aus dem Sturzbach in die zweite Liga gerissen hat. Die Erneuerung im Club verliert schon wieder an Dynamik, und die Charaktere der Mannschaft sind im Kern dieselben, die schon in der vergangenen Spielzeit nur mit Mühe den Eindruck achselzuckender Gleichgültigkeit zerstreuen konnten. „Sie bemühen sich ja“, sagt der Trainer, „da kann ich ihnen keinen Vorwurf machen.“ Nach der Pleite gegen den 1. FC Köln stellt sich deshalb umso dringlicher die Frage, ob sie es überhaupt können.

Der eher biederen Elf aus der Domstadt genügte eine solide Abwehrleistung, um die VfB-Offensive in tiefer Rat- und Hilflosigkeit zurückzulassen. Und im Abwehrzentrum leisteten sich Antonio Rüdiger und Daniel Schwaab die Sorte von Fehlern, die in der Bundesliga umgehend mit Toren sanktioniert werden.

Der uninspirierte Auftritt gegen den Aufsteiger war so betrachtet ein Akt seelischer Grausamkeit und ein unbarmherziger Hinweis darauf, dass es für lange Zeit vorbei sein könnte mit Qualitäts-Fußball nach Schwabenart. Womit schon Bruno Labbadia und Thomas Schneider zu kämpfen hatten, was Huub Stevens nur notdürftig und für kurze Zeit flickte, scheint nun auch zur Herkules-Aufgabe für den Meistertrainer von 2007 zu werden. Der Kader ist ein gruppendynamisches Trümmerfeld, übersät von nie aufgearbeiteten Erwartungen und Enttäuschungen. Auf dem Feld steht eine Mannschaft ohne Leidenschaft und Teamgeist. Eine desorientierte Zweckgemeinschaft, die von der Furcht bestimmt ist, nach dem ersten Fehler keine weiteren zu machen. So ist dem VfB-Spiel zwar das ehrliche Bemühen anzusehen, aber es fehlt der Drang zum Erfolg, die Entschlossenheit, vors gegnerische Tor zu kommen.

Der Mannschaft fehlt Führungspersonal

Ein Mangel, der zwar am ausbaufähigen Auftreten des ehemaligen Torjägers Vedad Ibisevic am ehesten sichtbar wird, sich aber nicht nur an ihm manifestiert. Der Mannschaft fehlen Führungspersonal, eine klare Hierarchie und eine innere Struktur, die nicht nach jedem kleinen Beben bröckelt. So ist das VfB-Spiel gefällig, aber nicht beherzt. „Wir erarbeiten uns zu wenig Torchancen“, reklamiert Armin Veh, verbunden mit dem Hinweis, „dass uns die Kölner ja nicht schnell mal an die Wand gespielt haben.“

Was die Causa aber nicht besser macht und den Verdacht erhärtet, dass solides Mittelmaß keine schnell zu kurierende Krankheit ist. Mit anderen Worten: Solange das Gros des Kaders nicht mit dem Druck umzugehen weiß, der von einem Club ausgeht, der die vergangenen drei Jahrzehnte eher auf der Sonnenseite der Liga verbrachte, werden hasenfüßige Darbietungen im eigenen Stadion nicht die Ausnahme bleiben. „Vielleicht“, sagt der Coach, „war der VfB in der Vergangenheit ja zu erfolgreich.“

Das allerdings ist ein kühner Erklärungsversuch. Und er wirft die Frage auf, warum ausgerechnet in Stuttgart zur Last wird, was andernorts als Ansporn dient. Womit zwangsläufig wieder der Verein als Ganzes ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt. Strahlt der Verein nicht hinreichend aus, was die Berufsfußballer animiert und motiviert – bedingungslose Professionalität? Fehlt die konsequente Orientierung aller Beteiligten auf Erfolg? Leistet sich das Management nach wie vor Komfortzonen?

Antworten auf diese Fragen werden Einfluss nehmen auf den Erfolg der Trainer- Arbeit und auf den weiteren Verlauf dieser Saison. Und sie werden eine Rolle spielen, wenn in dieser Woche zum ersten Mal die neuen Aufsichtsräte tagen. Gut vorstellbar, dass die Kontrolleure beherzter angreifen als der VfB gegen Köln.