Wieder am Ball: VfB-Spielmacher Daniel Didavi (li.) Foto: Baumann

Seine Karriere schien am seidenen Faden zu hängen. Doch nun könnte Daniel Didavi für den VfB Stuttgart mal wieder ein wichtiger Joker im Kampf gegen den Abstieg werden.

Stuttgart - Der Saisonschluss ist nahe, die Voraussetzungen sind geklärt, die Kandidaten bestimmt, die Protagonisten bekannt – im Kampf gegen den Abstieg gibt es drei Spieltage vor dem Abpfiff keine Geheimnisse mehr. Der VfB Stuttgart weiß, was gegen Mainz, gegen den HSV und in Paderborn auf ihn zukommt. Und in Mainz, Hamburg und Paderborn wissen sie auch Bescheid über die Roten – wenn da nicht Daniel Didavi wäre.

Gut, auch über die Fähigkeiten des Mittelfeldspielers ist Wissen im Umlauf. Dennoch ist der 25-Jährige eine Art Joker im Liga-Endspurt. Denn gerechnet hatte mit Daniel Didavi in dieser Saison kaum noch einer.

Vor Wochen schon hatte VfB-Sportvorstand Robin Dutt die Saison des Spielmachers für beendet erklärt. Zu labil schien noch immer dessen Körper, der sich nach einer zwei Jahre dauernden Zwangspause wegen eines Knorpelschadens im Knie nur langsam und unstet wieder an die Belastungen eines Profifußballers gewöhnte. Dass Didavi nun doch im Teamtraining mitmischt und sogar schon wieder in der Bundesliga zum Einsatz kam, könnte also auch er selbst als Überraschung werten. Doch Didavi sagt nur: „Ich habe ja nie eine Prognose abgegeben.“ Weil er das schon lange nicht mehr tut.

Zu oft wähnte sich der feine Techniker schon wieder in bester Verfassung, zum Beispiel am Ende der vergangenen Saison, als er überraschend noch einen großen Teil zum Klassenverbleib beitragen konnte. Zu oft aber kamen dann die Rückschläge, wie eben im Laufe dieser Saison. Erst war es ein Muskelbündelriss, dann reagierte das Knie, Didavi hatte regelmäßig Schmerzen, die eine Weile lang auszuhalten waren. Doch irgendwann war für ihn klar: „Auf Dauer geht das nicht.“ Also entschloss er sich zusammen mit den Ärzten zu einem „Neuaufbau“. „Für meine Karriere“, sagt Didavi, „war das die bessere Entscheidung.“ Was den Schluss nahelegt: Der junge Mann ist knapp am Ende seiner Laufbahn vorbeigeschrammt. Doch da widerspricht der Nürtinger energisch.

Nein, versichert er, Gedanken an ein vorzeitiges und unfreiwilliges Karriereende habe er nie gehegt, trotz der langen Leidenszeit. Und auch heute sieht er den Abpfiff noch lange nicht in Sicht – immerhin aber gibt er zu, dass ihn die Verletzungen zu einem anderen Menschen gemacht haben.

Zum einen als Sportler, der zwar versichert, ohne Angst vor neuerlichen Blessuren in die Zweikämpfe zu gehen, im Training wie im Spiel. Der aber nach den Einheiten anders mit den Belastungen umgeht. „Ich denke viel mehr über meinen Körper nach, da habe ich jetzt ein ganz anderes Bewusstsein“, sagt Didavi, für den Sonderschichten mittlerweile zum Alltag gehören. Und zum anderen ist da noch seine Entwicklung als Privatmann.

Ein gläubiger Mensch war Daniel Didavi bereits, bevor seine Verletzungsgeschichte begann. Im Laufe der Zwangspause hat sich diese Einstellung dann verfestigt und verstärkt. Dazu kam eine Reise nach Afrika, in die Heimat seines Vaters. „Dort haben die Menschen viel weniger als hier, und dennoch scheint es, als seien sie fröhlicher“, erinnert sich der 25-Jährige. Beides zusammen hat Didavis Bewusstsein dafür geschärft, welch privilegiertes Leben er als gut bezahlter Profikicker führen darf: „Ich habe heute ein ganz anderes Weltbild als noch vor einigen Jahren.“ Genügsamer ist er als Sportler deshalb aber nicht geworden.

Nach Niederlagen findet Daniel Didavi nur schwer in den Schlaf, dass sein VfB („Ich bin schon so lange hier“) erneut am Abgrund steht, nervt ihn gewaltig, an ein Abstiegsszenario will er dennoch nicht denken. „Damit darf ich mich nicht beschäftigen“, sagt er, bekennt sich aber immerhin zu den Roten: „Ich habe einen Vertrag für die erste und zweite Liga, von daher werde ich auch nächste Saison hier sein – außer der Verein sagt mir, dass ich woanders hingehen soll.“

Das wird wohl nicht geschehen, Daniel Didavi (Vertrag bis 2016) soll beim VfB noch eine wichtige Rolle spielen. In den kommenden Jahren, zunächst aber einmal in den restlichen drei Spielen. „Die beiden Heimspiele sehe ich als Viertel- und Halbfinale. Wenn wir die gewinnen, haben wir am Ende ein Finale“, sagt er und verdeutlicht den Ernst der Lage: „Wir haben nicht mehr viele Patronen, jetzt müssen die Schüsse sitzen.“