Kevin Großkreutz (re. ) und Georg Niedermeier: Zwei Garanten für den Aufschwung beim VfB Foto: dpa

Abstiegsangst? War da mal was? Nach vier Siegen in Folge fiebert der VfB Stuttgart dem Pokalhit gegen Borussia Dortmund entgegen.

Frankfurt/Stuttgart - Zu den Gepflogenheiten von Ex-Trainer Alexander Zorniger gehörte es, unmittelbar nach dem Schlusspfiff die Statistiken des Spiels stirnrunzelnd und mit ungläubigem Kopfschütteln zu quittieren. Diese wiesen den VfB Stuttgart meist als die bessere Mannschaft aus – und doch verließ er den Platz häufig als Verlierer.

Am Samstag nun hieß es 16 – 16 (Torschüsse), 57 – 43 Prozent (Ballbesitz), 51 – 49 (gewonnene Zweikämpfe), 86 – 81 (Passquote) jeweils für Eintracht Frankfurt, aber 4:2 für den VfB. Was zu der Erkenntnis führt: Fußball ist manchmal schon ein seltsames Spiel.

Tatsächlich hätte die Partie in der Commerzbank-Arena auch eine andere Wendung nehmen können, darin waren sich die Beteiligten einig. Weil der VfB aber mit dem Fußballgott im Bunde war und nach seinem vierten Sieg in Folge den Tabellenkeller im Sprinttempo verlässt, durften nach Spielschluss zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit andere Fragen diskutiert werden als die immer gleichen zur Lage im Kampf gegen den Abstieg.

Zweite Liga – das Thema ist plötzlich so weit weg wie bis vor kurzem noch die Champions League. Sportvorstand Robin Dutt sprach nach dem Sieg in Frankfurt von einem „schönen Polster nach unten“. Christian Gentner, krisenerprobter Kapitän, prophezeite ohne einen Anflug von Überheblichkeit: „Wenn wir so weitermachen, bin ich guter Dinge, dass wir bald nichts mehr mit dem Abstieg zu tun haben werden.“

Selbstvertrauen, Kompaktheit, Teamgeist

Der VfB marschiert und hat nach 20 Spieltagen schon 24 Punkte auf dem Konto – mehr waren es in der vergangenen Saison erst acht Runden später. Und sollten sich die Kicker mit dem Brustring in den kommenden Wochen im Training nicht die Beine verknoten, dürfte der weiß-rote Anhang das Bundesligafinale in diesem Jahr wohl ohne Baldrian überstehen. Zu gefestigt scheint die Mannschaft unter Trainer Jürgen Kramny, auch wenn gegen Eintracht Frankfurt wieder „einige Wackler im Spiel waren“ (Robin Dutt). Der positive Gesamteindruck überwiegt. „Selbstvertrauen, Kompaktheit, Teamgeist“, brachte Kramny das Geheimnis der jüngsten Erfolge auf den Punkt.

Vier Siege in Folge, das gab es zuletzt 2010 unter Christian Gross. Am Ende der Saison wurde der VfB Sechster. Und dieses Mal? Der Abstand zu Platz sieben, der zur Europa League berechtigen könnte, ist schon jetzt geringer als auf die direkten Abstiegsplätze. Die Akteure auf dem Wasen halten den Ball dennoch flach, das Wort Europapokal kommt niemandem über die Lippen. Viel lieber reden sie über den bevorstehenden Pokalhit gegen Borussia Dortmund am Dienstag (20.30 Uhr/ARD). Ein Spiel, das für den gesamten Verein, aber für einen von besonderer Bedeutung ist: Kevin Großkreutz.

„Aufgeregt? Ich brenne darauf“, fasst der Rechtsverteidiger seine Gefühlswelt vor dem Duell gegen seine große Liebe zusammen. Oder soll man schon sagen: seine alte Liebe? Fragen nach dem exakten Beziehungsstatus mag Großkreutz nicht so gerne. Es ist ja auch schwer für einen, der sich zeit seines Lebens wie kein anderer Bundesligaprofi einem Club verschrieben, jetzt aber bei der Konkurrenz angeheuert hat. Zwar ist der Dortmunder noch weit davon entfernt, sich neben der Skyline seiner Heimatstadt auch den Stuttgarter Fernsehturm auf die Wade zu tätowieren. Bei den Fans ist er aber jetzt schon auf dem besten Weg zum neuen Liebling. Weshalb der 27-Jährige versucht, einigermaßen ungeschoren aus der Sache herauszukommen: „Ich spiele für den VfB und werde alles raushauen, aber mein Zuhause wird immer Dortmund sein.“

Ist die Zeit reif, einen Großen zu schlagen?

Rein sportlich rechnet sich der Rechtsverteidiger gute Chancen aus, ins Halbfinale des Pokals einzuziehen: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Großkreutz hält die Zeit für reif, auch mal einen Großen zu schlagen. Auch wenn die Borussia mit ihrer „super Mannschaft natürlich der Favorit ist“– in der derzeitigen Verfassung sei eine Überraschung durchaus drin, meint auch Christian Gentner. Robin Dutt sagt bei aller Bescheidenheit: „Wir brauchen uns nicht kleiner zu machen, als wir sind.“

Das sind gänzlich andere Töne als noch nach der Auslosung vor Weihnachten. Damals schien der BVB eine unüberwindbare Hürde zu sein, plötzlich ist vieles denkbar. Der Einzug ins Halbfinale und, entsprechendes Losglück vorausgesetzt, vielleicht sogar der Sprung nach Berlin. Für den dreimaligen Berlin-Fahrer Kevin Großkreutz wäre das „natürlich ein Traum“.

Ein bisschen träumen darf in diesen Tagen beim VfB zumindest erlaubt sein.