Der VfB durfte sich gegen Manchester City freuen Foto: Bm

Der VfB muss die Euphorie nach dem 4:2-Erfolg gegen Manchester mit Erfolgen unterfüttern. Trainer Alexander Zorniger warnt vor den Gespenstern der Vergangenheit.

Stuttgart - Erwin Staudt platzte schier vor Stolz, als er im Juni 2005 den neuen VfB-Trainer präsentierte. „Habemus Mister“, sagte der Präsident bei der Präsentation von Giovanni Trapattoni. Der Verein und sein Umfeld waren elektrisiert vom Weltmann aus Italien. Und tatsächlich: Vier Wochen später machte Trap mit dem VfB dem großen FC Bayern den Garaus.

Im Halbfinale des Ligapokals siegte der VfB in München mit 2:1. Dass er im Finale Schalke 04 mit 0:1 unterlag, war da kaum der Rede wert. Über Siege gegen den Rekordmeister, zumal in dessen Arena, geht in Stuttgart nichts. Entsprechend groß war die Euphorie mit Blick auf die anstehende Bundesliga-Saison – dauerhaft hielt sie jedoch nicht an. Im Februar 2006 musste Trapattoni schon wieder seine Koffer packen, Armin Veh übernahm.

Große Erwartungen hat der VfB schon häufiger geweckt, erfüllt hat er sie zuletzt eher selten. Insofern müssten nach dem 4:2-Sieg gegen Manchester City alle genau wissen, was nun zu tun ist: den Ball flach halten, das Erfolgserlebnis kurz genießen und dann so hart weiterarbeiten wie bisher. Und tatsächlich: Wer Spieler, Trainer und den Sportvorstand reden hört, vernimmt einen wohltuenden Realitätssinn. „Wir wissen, wie sensibel das ist. Wenn Euphorie da ist, braucht es schnell Erfolgserlebnisse“, sagt Trainer Alexander Zorniger, „sonst kommen die Gespenster wieder.“ Die Gespenster der jüngeren Vergangenheit, die der VfB am Abgrund zur zweiten Liga verbracht hat. – oder als Zuschauer im DFB-Pokal.

Am Samstag muss es anders laufen

Vergangene Saison knickte der VfB schon in der ersten Runde gegen den Zweitligisten VfL Bochum ein. Jetzt geht es zum Auftakt an diesem Samstag (20.30 Uhr) zum Drittligisten Holstein Kiel. Da muss jedem klar sein, dass es diesmal anders laufen muss. „Kiel ist hochambitioniert“, ahnt Kapitän Christian Gentner, „wir haben vor zwei Jahren selbst erlebt, wie schön ein Pokalfinale ist. Deshalb wollen wir diesmal nicht stolpern.“

Das ist leicht gesagt – aber auch leicht umgesetzt? „Manchester ist ein internationales Topteam, Kiel spielt nur dritte Liga – da müssen wir in den Köpfen und auf dem Platz den Schalter umlegen“, mahnt Martin Harnik, „denn das bedeutet nicht, dass es in Kiel einfacher wird.“ Das ahnt auch Alexander Zorniger. „Wir wären nicht die erste Mannschaft, die nach einer gelungenen Generalprobe aus dem Pokal fliegt. Aber das zu verhindern ist meine Aufgabe als Trainer.“

Das gilt intern. Wobei die Euphorie im Umfeld des VfB deutlich größer ist. Deshalb rät der Sportpsychologe Werner Mickler (62) auch den Fans zur Mäßigung ihrer allzu positiven Erwartungen. „Der Trainer weiß, wie die Dinge einzuordnen sind. Alexander Zorniger wird gegenüber der Mannschaft die richtigen Worte finden“, sagt der Experte, der bei den Trainerlehrgängen des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) die psychologische Ausbildung leitet. Aber die Fans müssten den Erfolg gegen den Champions-League-Teilnehmer realistisch einordnen lernen.

Die Briten auf dem falschen Fuß erwischt

„Beide Clubs sind noch in der Vorbereitung auf die neue Saison. Um sich ein echtes Bild über den Leistungsstand zu verschaffen, müsste man die Trainingspläne beider Vereine einsehen und miteinander vergleichen.“ Zudem seien Fragen entscheidend wie: Wie viele Neuzugänge haben die Clubs geholt, wie viele von ihnen kamen zum Einsatz, oder welchen Plan hatten die Trainer für die Partie? Dann relativiert sich der Erfolg nämlich schnell. Manchester City war erst am Donnerstag von einer Gastspielreise aus Vietnam auf die Insel zurückgekehrt und am Freitag gleich nach Stuttgart weitergeflogen, dazwischen lag ein entspanntes Auslaufen.

So wurden die Briten auf dem falschen Fuß erwischt, als sie womöglich ein lockeres Testspiel erwarteten und auf einen Gegner trafen, der unbedingt nachweisen wollte, wie gut er das neue Spielsystem seines neuen Trainers schon intus hat.

Alles ist relativ – das weiß auch Robin Dutt. Als Trainer von Werder Bremen fegte er 2014 in der Vorbereitung den FC Chelsea mit 3:0 vom Platz. Bremen stand kopf, Manager Thomas Eichin frohlockte, „dass wir in dieser Saison die Überraschungsmannschaft werden könnten“. Da wäre etwas mehr Realitätssinn angebracht gewesen, auch wenn er betonte: „Wir haben früher die Niederlagen vor der Saison nicht überbewertet, heute tun wir das nicht mit unseren Siegen.“ Trotzdem stolperte der SV Werder in die Saison und fand nach den ersten Rückschlägen kein Mittel mehr, um den Negativlauf zu stoppen. Nach neun sieglosen Spielen in Folge musste Robin Dutt gehen. Jetzt sagt der VfB-Sportvorstand: „Aus unserem Sieg gegen Manchester abzuleiten, dass das jetzt immer so klappt, wäre ein Fehler.“ Und der erste Schritt in die falsche Richtung.