Der VfB und sein Kapitän Christian Gentner (re.) kommen in dieser Saison meist einen Schritt zu spät Foto: Baumann

Mit Infografik - Lange Wege, aber wenig Ertrag: Gemessen an der reinen Laufleistung belegt der VfB Stuttgart den fünften Platz - in der echten Bundesliga-Tabelle ist er dagegen Letzter.

Stuttgart - Fußball ist längt mehr als ein Spiel, Fußball ist Wissenschaft. 4-4-2 oder 4-2-3-1? Manndeckung oder ballorientierte Raumdeckung? Doppel-Sechs, falsche Neun, flache Vier? Keine Frage, das Spiel hat sich seit Lothar Matthäus („Die Spieler müssen Gras fressen“) stetig weiterentwickelt. Die Grundregeln gelten freilich weiterhin. Eine davon lautet: Ohne Laufen kann man kein Spiel gewinnen.

Dieses Wissen teilen auch die Strategen auf dem Cannstatter Wasen. Der VfB Stuttgart gehört traditionell zu den laufstärksten Teams der Liga. In dieser Saison ist das nicht anders. Das Mainz-Spiel (1:1) nicht eingerechnet, rangieren die Roten auf dem 5. Platz der Lauf-Tabelle. Nur Borussia Dortmund, Borussia Mönchengladbach, die TSG Hoffenheim und der SC Freiburg haben in den ersten 14 Saisonspielen mehr Kilometer heruntergespult. Zu den größten Dauerläufern mit dem Brustring zählen Moritz Leitner (im Schnitt zwölf Kilometer pro Spiel), Gotoku Sakai (11,5) und Christian Gentner (11,3).

Dumm nur, dass sich dieser Aufwand in keiner Weise im realen Tabellenbild widerspiegelt. Dort belegt der VfB vor dem Auswärtsspiel beim Hamburger SV (20 Uhr/Sky) bekanntlich den letzten Platz.

Lange Wege, aber wenig Ertrag. Oder: Der Negativ-Lauf des VfB. Bei Freiburg und dem BVB verhält es sich ähnlich. Erfolgreiche Mannschaften wie der FC Bayern München, der VfL Wolfsburg, der FC Augsburg und Bayer Leverkusen gehören dagegen zu den Lauffaulsten der Liga.

Wie lässt sich diese Diskrepanz erklären? Am ehesten mit der Spielstärke der anderen – beziehungsweise der eigenen Schwäche. Was auffällt: Speziell gegen Teams, die auf viel Ballbesitz aus und zu längeren Ballstafetten in der Lage sind, wie die Bayern, Dortmund oder Gladbach, laufen die Roten besonders viel. Besser gesagt: Müssen sie besonders viel laufen. Beim Auswärtsspiel in Dortmund (2:2) waren es in der Summe aller Einzelspieler 124,5 Kilometer – der bisherige Spitzenwert.

Armin Veh hatte eigentlich anderes im Sinn, als er vor der Saison in Stuttgart als Trainer antrat. Seine Vision zielte auf ein gepflegtes Kurzpassspiel, um mit dem Gegner Hase und Igel zu spielen. Doch statt in die Rolle des cleveren Stacheltieres zu schlüpfen, musste der VfB mit der des Jägers vorlieb nehmen – und Ball und Gegner hinterher rennen. In neun der 1. Bundesligapartien waren die Jungs in Weiß und Rot lauffreudiger, siegten dabei aber nur dreimal.

Langstrecken-Fußball bedeutet im Umkehrschluss aber nicht zwangsläufig Misserfolg. Bei seinen drei Siegen gegen Hannover, Frankfurt und Freiburg war der VfB dem Gegner läuferisch deutlich überlegen. Natürlich spielen bei all dem auch Parameter wie Lauftempo und Sprintfähigkeit eine Rolle. Armin Veh hat erkannt: „Es kommt nicht darauf an, wieviel du läufst, sondern dass du richtig läufst.“ Zum Beispiel, indem man die Passwege entsprechend zustellt oder sich im richtigen Moment vom Gegenspieler löst. Die VfB-Spieler tun das zu selten, müssen daher oft weite Wege zurücklegen.

Seit Huub Stevens („Die Mannschaft ist fit!“) am Ruder ist, hat sich das Laufpensum noch einmal erhöht. Was wiederum mit der zurückhaltenden Spielweise des Niederländers zusammenhängt. Sie baut auf einer massiven Defensive auf, aus der heraus mit langen Bällen operiert wird. Gut zu beobachten in Freiburg (4:1) und in Mainz. In beiden Spielen liefen die VfB-Profis weit überdurchschnittlich (122,6 und 120,6 km).

Bei den kümmerlichen Heimauftritten unterbot der VfB seine auswärts gezeigten Laufleistungen dagegen deutlich, um fast sieben Kilometer im Schnitt. Wo er selbst das Spiel machen muss, bietet er meist Standfußball. Es dürfte nicht überraschen, wenn Stevens künftig auch zu Hause dem Gegner das Feld überlässt – und die VfB-Kicker in der Mercedes-Benz-Arena genauso Kilometer fressen.