Immer mit der Ruhe, auch wenn es schwerfällt: VfB-Dauerpatient Daniel Didavi. Foto: Baumann

Torgefahr? Geht vom VfB Stuttgart viel zu wenig aus. Ein paar Ideen im Spielaufbau? Wären auch willkommen. Daniel Didavi könnte mit beidem dienen. Doch die Leiden des verletzten Offensivmannes gehen weiter.

Stuttgart - Mit gepflegtem Fußball hatte das, was der VfB am vergangenen Samstag im Spiel bei Bayer Leverkusen (1:2) veranstaltete, wenig bis nichts zu tun. Trainer Bruno Labbadia hatte die totale Defensive ausgerufen, die Mannschaft zog sich bis vors eigene Tor zurück, verteidigte mit Mann und Maus – und dachte nur vereinzelt daran, den Gegner mit dem einen oder anderen Vorstoß zu belästigen. Und diese wenigen Versuche waren allesamt untauglich. Mal stimmten die Laufwege nicht, mal versuchte es einer auf eigene Faust, ein andermal übersah ein anderer den besser postierten Mitspieler. Kurz: Es fehlt zurzeit einer, der die nötige Ruhe und den Überblick hat.

Einer wie Daniel Didavi.

In der Rückrunde der vergangenen Saison hatte der gebürtige Nürtinger als Leihspieler beim 1. FC Nürnberg acht Tore erzielt und drei Torvorlagen geliefert. Eine ähnlich gute Quote beim VfB – und die Mannschaft würde in der Tabelle anders dastehen. Weiter oben, näher bei den internationalen Plätzen. Wenn da nur nicht dieses verflixte Knie wäre, das Didavi das Leben so schwer macht. „Wir hatten in der Rückrunde fest auf ihn gebaut“, sagt Labbadia, „es ist schade, dass er so lange verletzt ist.“

Zehn Monate. Und ein Ende ist noch immer nicht abzusehen.

„Wir dürfen nichts überstürzen“, sagt Mannschaftsarzt Raymond Best. Zwei Rückschläge sind genug. Der dritte Versuch soll sitzen – wann auch immer.

Hohe Belastung neu erlernen

Im Mai 2012 hatte sich Didavi (23) in einem Testspiel für Nürnberg einen Knorpelschaden zugezogen. Die Operation beim Spezialisten Ulrich Boenisch in Augsburg verlief gut, es folgten Monate der Regeneration – nichts Ungewöhnliches. „Nach einem Knorpelschaden muss das Knie erst wieder die hohe Belastung eines Bundesligaspielers neu erlernen“, sagt Raymond Best.

Doch dann ereilten Didavi zwei Rückschläge. Ins Winter-Trainingslager nach Belek reiste er Anfang Januar mit dem Ziel, seinen Körper aufzutrainieren. Zum Rückrundenstart wollte er fit sein, doch am dritten Tag in der Türkei musste er bereits aufgeben. Schmerzen am Wadenbeinköpfchen verhinderten seine weitere Teilnahme am Mannschaftstraining, mehr als Krafttraining und eine intensive Behandlung waren nicht möglich. Beim Rückrundenstart in Wolfsburg reichte es zumindest für einen Kurzeinsatz, danach hatte er zwei Bundesligaspiele lang Ruhe. Dann kam Werder Bremen – und der zweite Rückschlag. Am Tag nach einem erneuten Kurzeinsatz spürte er wieder Schmerzen im operierten Knie und musste das Training abbrechen. Als die Beschwerden nicht abklangen, nahm Best den Patienten komplett aus dem Training.

Die letzten zehn Prozent fehlen noch

Jetzt, vier Wochen später, sagt der Mediziner: „Für den Alltag und für normales Sportlertraining ist das Knie gut belastbar. Aber für einen Hochleistungssportler, der in der Bundesliga 100 Prozent geben muss, fehlen Didavi noch die letzten zehn Prozent.“

Ein Geduldsspiel – für Didavi, aber auch für Bruno Labbadia, der das Vakuum auf der zentralen offensiven Position im Mittelfeld dringend schließen will. Tamas Hajnal hat sich dort schon häufig versucht, Raphael Holzhauser auch, Tunay Torun ebenso. Keiner war und ist die goldene Lösung. Doch bevor Labbadia auf Didavi bauen kann, wird noch ein Weilchen vergehen. Didavi arbeitet am muskulären Aufbau. Im Reha-Center des VfB absolviert er Bewegungstraining, parallel dazu unterzieht ihn Konditions- und Fitnesstrainer Christos Papadopoulos im Kraftraum einem Belastungstraining mit steigender Intensität. So soll Didavi langsam, aber sicher die maximale Belastbarkeit erreichen. „Wir werden mit ihm so lange separates Aufbautraining machen, bis wir mit Bestimmtheit sagen können: Jetzt hält sein Knie“, sagt Raymond Best.

Parallel dazu muss sich Didavi immer wieder mental auf der Höhe halten. „Das ist eine sehr schwierige Situation für ihn, aber er ist eine starke Persönlichkeit“, sagt Manager Fredi Bobic. Ray Best ist positiv überrascht: „Daniel geht gut mit der Situation um. Er hat ja selbst gesehen, dass er nichts davon hat, wenn er früher zurückkommt, aber dann die Belastung nicht aushält.“ Jetzt dauert es ein paar Tage länger – in der Hoffnung, dass der dritte Anlauf endlich Erfolg hat.