Toni Sunjic (Mitte) ist zufrieden mit seinen Kollegen aus der Offensivabteilung. Bei ihm selbst klappt es in der Abwehr noch nicht so gut. Foto: dpa

Die Abwehrschwäche, die den VfB Stuttgart in die zweite Liga führte, hat auch dort noch Bestand. Und eine Ende der Misere ist nicht in Sicht.

Stuttgart - Er hat zwar 148 Bundesligaspiele für den VfB Stuttgart bestritten – aber eine unangefochtene Instanz ist der Innenverteidiger Georg Niedermeier über all seine sieben Jahren am Wasen wohl nur als Wächter über den teaminternen Strafenkatalog und die Mannschaftskasse gewesen. „Und jetzt kommt mir nicht mit dem Niedermeier!“, höhnte einst etwa der Ex-Trainer Alexander Zorniger über die Qualitäten des Münchners. Nun spielt der „Niederstrecker“ weiter erstklassig beim SC Freiburg – und sein alter Partner Daniel Schwaab, mit dem man beim VfB ebenfalls eine Bruchstelle in der pannenreifen Viererkette der Abstiegself (75 Saison-Gegentore) ausgemacht hat, der trifft mit dem PSV Eindhoven am Dienstag in der Champions League auf Atlético Madrid.

Weil die Abwehrschwäche einer der Hauptgründe für den tiefen Fall in die Zweitklassigkeit gewesen ist, hat es beim VfB in der Tat gute Gründe gegeben, das Duo ziehen zu lassen und die Abwehrmitte umzugestalten. Allerdings drängt sich nach den ersten vier Spielen der neuen Saison der Verdacht auf, dass man im roten Haus in Sachen Innenverteidigung womöglich vom Regen in die Traufe geraten ist. „Er tat mir fast schon leid“, urteilte sogar der eigene Sportvorstand Jan Schindelmeiser über den Auftritt des Stephen Sama beim erschütternden 1:2 gegen den 1. FC Heidenheim. Denn der 22-Jährige, der über gute physische Voraussetzungen verfügt, erlebte gegen die Ostälbler einen jener Abende, an denen sich ein Fußballer womöglich die eigene Auswechslung herbei sehnt.

Kaminskis Qualitäten sind höchst umstritten

Sama zur Seite stand gegen Heidenheim in Toni Sunjic gar die tragische Figur des Spiels. Da half es alles nichts, dass der Bosnier per Kopf zum zwischenzeitlichen 1:1 traf. Bei beiden Gegentoren wurden die Schwächen des behäbigen Abwehrmannes schonungslos aufgedeckt. Weil auch Matthias Zimmermann, der vom VfB II kam, auf der Sechs überfordert ist, geht im Spielaufbau der Stuttgarter wenig bis gar nichts. „Die Spieler müssen lernen, mit dem Druck der Favoritenrolle umzugehen. Es braucht noch Zeit, bis die Mannschaft ein stabiles Gerüst hat“, sagt der VfB-Trainer Jos Luhukay, der das Duo Sama/Sunjic bisher in sämtlichen vier Zweitliga-Spielen in der Startelf aufbot. Oder sollte man sagen: aufbieten musste? Sama wurde jedenfalls ursprünglich mal zur Verstärkung des einstigen Drittligateams geholt, als dessen Abwehrrecke Daniel Vier einen Bandscheibenvorfall erlitten hatte.

Dass es dem VfB im Abwehrzentrum, wo man einst in Frank Verlaat, Fernando Meira oder Serdar Tasci über führungsstarke Nationalspielers verfügte, schlicht an Qualität mangelt, ist schließlich nicht allein mit dem Ausfall des talentierten Eigengewächses Timo Baumgartl zu erklären, der nach seiner Schambeinverletzung dicht vor der Rückkehr in den Kader steht.

Vielmehr gibt es nach Ansicht des Trainers keine Alternative zu den beiden aktuellen Wackelkandidaten in der Viererkette. Was deshalb überrascht, da der VfB zu Saisonbeginn auch noch den Innenverteidiger Marcin Kaminski von Lech Posen geholt hat. Dessen Qualitäten auf dem Trainingsplatz haben einen ehemaligen Nationalspieler des VfB, der lieber anonym bleiben will, „erschrocken“. Der Sportvorstand Jan Schindelmeiser war zum Zeitpunkt des Transfers noch nicht beim VfB, seine heutige rechte Hand, Joachim Cast, verantwortete seinerzeit zusammen mit Joas Luhukay den sportlichen Bereich.

Für Luhukay ist Pavard ein „Perspektivspieler“

Großes Geld war für den Transfer des ablösefreien, vierfachen polnischen Nationalspielers nicht vorhanden, was Cast entlastet. Der ehemalige Kickers-Manager, den der geschasste Sportvorstand Robin Dutt einst zum VfB geholt hatte, war im Sommer 2015 auch beim Sunjic-Transfer tätig. Damals flog er gemeinsam mit Ex-Chefscout Ralf Becker ins russische Krasnodar, um den bosnischen Nationalspieler zu beobachten – und ihn danach wärmstens zu empfehlen. Ein Umstand, der Cast angesichts der Leistungen von Sunjic nun zu schaffen macht.

„Halb Europa ist auf der Position des Innenverteidigers auf der Suche nach dem modernen Spielertyp“, sagt Jan Schindelmeiser über die Schwierigkeiten auf dem Transfermarkt. Mit dem 20 Jahre jungen Lockenkopf Benjamin Pavard vom OSC Lille, der auf Empfehlung von Matthieu Delpierre kam, glaubt der VfB-Manager „den für uns Passenden“ gefunden zu haben. Am Montag stand der Franzose ebenso wie Baumgartl und Kaminski in einem internen Trainingsspiel ohne die bisherigen Stammspieler auf dem Platz. Das Urteil seines Trainers hört sich zunächst allerdings weniger euphorisch an. Für den Niederländer ist Pavard ein „Perspektivspieler“, bei dem Folgendes zu beachten sei: „Er hat in den vergangenen Monaten kaum gespielt.“