Gewohntes Bild: Das Spiel ist aus – und die Spieler des VfB Stuttgart jubeln. Foto: Getty

Warum der VfB Stuttgart gut daran tut, auch nach dem fünften Sieg in Folge nicht locker zu lassen. Auch, wenn der Aufstieg in die erste Fußballbundesliga in greifbarer Nähe liegt.

Stuttgart - Hannes Wolf ist ein gebranntes Kind. Wie es sich anfühlt, das große Ziel kurz vor Schluss noch zu verpassen und aus allen Wolken zu fallen, hat er selbst schon erlebt. In der Saison 2003/04, als Aktiver bei der zweiten Mannschaft des 1. FC Nürnberg. Vom 21. bis zum 32. Spieltag genoss die Mannschaft in der Bayernliga den Platz an der Sonne. Nach einem Sieg am 28. Spieltag gegen Verfolger 1860 München II war der Aufstieg praktisch eingetütet. Doch danach verloren die Clubberer vier der letzten sechs Saisonspiele und büßten ihr sattes Neun-Punkte-Polster auf die Löwen noch ein.

So kann’s gehen. Soll es aber nach Möglichkeit nicht noch einmal, zumindest nicht für Hannes Wolf. Der trainiert nun bekanntermaßen den VfB Stuttgart und liegt nach 22 Spieltagen in der zweiten Fußball-Bundesliga souverän an der Spitze. 47 Punkte, sechs mehr als der Dritte Union Berlin und sieben vor dem Tabellenvierten Eintracht Braunschweig. Ein gemähtes Wiesle, könnte man meinen. Nach Ansicht der meisten Experten ist der VfB auf seinem Weg zurück in die Bundesliga kaum mehr aufzuhalten.

Das Ziel: Braunschweig distanzieren

Doch Hannes Wolf gibt den Mahner. Und sagt Sachen, die aus seiner Sicht wahrscheinlich das Vernünftigste sind. Dass man noch nichts erreicht habe, nicht auf die Tabelle schaue und so weiter. Wichtig ist, dass seine Spieler begriffen haben, auf was es jetzt ankommt: Keinen Millimeter nachzulassen. So richtete Simon Terodde nach dem 2:0-Sieg gegen den 1. FC Kaiserslautern gleich eine Kampfansage an den kommenden Gegner Braunschweig (6. März, 20.15 Uhr/Sport 1).

„Wir spielen dort voll auf Sieg, um uns von Braunschweig abzusetzen.“ Und auch sein Sturmvertreter Daniel Ginczek verfolgt nach zuletzt fünf Siegen in Folge mit Blickrichtung Bundesliga nur eine Devise: Volle Kraft voraus! „In Braunschweig“, sagt Ginczek, „können wir einen Riesen Schritt machen. Wenn wir wieder an unser Limit gehen, dann holen wir die drei Punkte auch dort.“

Keine Genügsamkeit, kein Anflug von Selbstzufriedenheit, kein „Wir geben uns mit einem Punkt zufrieden“ – so stellt sich die Gemütslage beim Aufstiegsfavoriten dar. Und damit ganz anders als vor einem Jahr. Damals war der VfB mit vier Siegen aus der Winterpause gestartet. Ehe er mit einem 1:1 aus Schalke zurückkehrte. Ein respektables Ergebnis zwar, gleichwohl: Es war mehr drin. Und die Siegesserie gerissen, was damals aber niemanden groß störte. Ein Unentschieden bei einem starken Gegner – was will man mehr?

Wozu das verhaltene Anspruchsdenken führte, zeigte sich eine Woche später. Gegen den Tabellenletzten Hannover 96 setzte es eine 1:2-Heimpleite. Es war der Anfang vom Ende. Danach gewann der VfB nur noch ein Spiel und stieg am Ende ab.

Ein Quartett setzt sich ab

Der Vergleich zum Frühjahr dient dem Club aus Cannstatt nun als Lehrbeispiel. The trend is your friend – sprich: Einen Lauf sollte man ausnutzen, so lange es nur geht. Und dabei möglichst viele Punkte sammeln. Denn Nachlassen könnte gefährlich werden, wie die nähere Betrachtung der Tabelle zeigt.

Mit dem VfB (47 Punkte), Hannover 96 (42), Union Berlin (41) und Braunschweig (40) zeichnet sich zwölf Spieltage vor Schluss ein festes Quartett ab, das den Aufstieg wohl unter sich ausmachen wird. Der Fünfte Dresden ist schon ziemlich abgeschlagen. Rein tabellarisch handelt es sich um ein starkes Favoritenfeld. Das schon jetzt überdurchschnittlich viele Zähler gesammelt hat. In den vergangenen Jahren war die zweite Liga ausgeglichener, mehr Mannschaften mischten oben mit – mit einer entsprechend breiter gestreuten Punkteverteilung. Dieses Mal könnten die gemeinhin für den Aufstieg angenommenen 60 Punkte am Ende nicht reichen.

Der VfB ist also weiter gefordert, speziell in den kommenden Wochen. Denn dann geht es ins direkte Duell gegen die Mit-Konkurrenten, von denen in der Hinrunde einzig gegen Braunschweig ein Sieg gelang. Der jüngste Auftritt gegen Kaiserslautern macht aber Hoffnung.

Ohne Glanz zwar, aber mit der Beständigkeit einer Maschine bearbeiteten die Mannen von Hannes Wolf einen unangenehmen Gegner. So sprang am Ende ein mühsamer, aber letztlich ungefährdeter Sieg heraus. Hält der VfB seinen Kurs, reicht das für die angepeilte Bundesliga-Rückkehr. Je eher, desto besser. Denn ein frühzeitig feststehender Aufstieg würde die Kaderplanung für die kommende Saison nur erleichtern.

Noch ist in der Geschichte der zweiten Liga jede Mannschaft aufgestiegen, die nach 22 Spieltagen mindestens 47 Zähler auf ihrem Konto vereinte. Auch wenn Hannes Wolf von derlei Zahlenspielchen sicher nichts hören will. Ein gebranntes Kind scheut schließlich das Feuer.