Der Trainer des VfB Stuttgart Bruno Labbadia knüpft eine Vertragsverlängerung an Bedingungen, sagt aber: „Ich habe eine Vision.“ Foto: dpa

Am 12. Dezember 2010 hat die Amtszeit von Bruno Labbadia als Trainer des VfB Stuttgart begonnen. Zwei Jahre später ist klar: Es war eine turbulente Zeit. Und eine erfolgreiche? „Ja“, sagt Manager Fredi Bobic, der mit Labbadia verlängern möchte. Doch der Coach wartet ab.

Stuttgart - Es war vergangene Woche, der VfB hatte in Fürth gewonnen, am Donnerstag stand das Spiel gegen Molde in der Europa League an – und Bruno Labbadia hatte einen Plan: eine Änderung der Taktik, ein neues System, etwas also, das in Ruhe trainiert, einstudiert und verinnerlicht gehört. Doch Bruno Labbadia hatte keine Ruhe. „Früher“, erinnert sich der Trainer des VfB Stuttgart, „hätte ich gewisse Dinge reingepeitscht.“ Und heute? Gönnte der Coach seinen Profis zwei freie Tage, ließ sie dann locker trainieren und schickte sie im Bewusstsein aufs Feld, dass es auch mal so klappen muss. Weniger ist mehr - das neue Motto der Arbeit des Fußballlehrers Labbadia?

Man würde dem 46-jährigen Hessen mit italienischen Wurzeln Unrecht tun, seinem Wirken beim VfB solch eine Überschrift zu geben. Zu gegensätzlich ist das, was man hört über seine Methode. Akribie, Ernsthaftigkeit, Fleiß – dafür stehen der Coach und sein Team. Für Ehrgeiz sowieso. Womöglich für zu viel davon?

Es gibt Stationen in der Trainerlaufbahn des Ex-Stürmers, wo sie diese Frage wohl mit Ja beantworten würden. Doch nach den 24 Monaten in Stuttgart ist Labbadia sicher: „Ich bin ein kompletterer Trainer geworden.“ Der loslassen kann, statt zu überfordern, der Distanz schafft, statt zu erdrücken. Der sich kleine, aber wertvolle Pausen gönnt („Die Familie ist noch wichtiger geworden“), und der weiß, wie sensibel eine Horde Männer mitunter reagiert. „Du arbeitest mit Menschen, die alle die größtmögliche Aufmerksamkeit wollen“, sagt Labbadia, „Fußball ist intensiv.“ Und war es in den vergangenen zwei Jahren.

Als Bruno Labbadia am 12. Dezember 2010 Nachfolger von Jens Keller als VfB-Trainer wurde, stand der Verein am Abgrund. Oder wie der Coach es ausdrückt: „Wir sind im Minus gestartet.“ Die Geschichte, die folgte, erzählt Labbadia gern und oft. Wie er das Team stabilisiert und den Klassenverbleib geschafft hat („Mein größter Erfolg“). Wie er Charakter und Spielweise der Mannschaft verändert hat, wie die Europa League erreicht wurde. Und wie sein Team jetzt in drei Wettbewerben, vor allem in der Bundesliga, richtig gut dasteht. Was Labbadia dabei nie vergisst zu erwähnen: die begleitenden Umstände. „Es gibt wenige Vereine, die so reduziert haben.“

„Mehr, als wir hier für die jungen Spieler tun, kann man kaum machen“

Es gibt Menschen, die raten dem Coach, diese Erklärungen sein zu lassen. „Das bringt doch nix“, würden die sagen, berichtet Labbadia, der dann entgegnet: „Ich werde nicht müde, die Leute mitzunehmen.“ Auf seiner Suche nach Verständnis, Anerkennung und einer fairen Beurteilung, die ihm nicht nur manchmal fehlt, wenn es um den sportlichen Erfolg geht – sondern vor allem, wenn man ihm vorwirft, er widme sich nur widerwillig den Talenten. Eine solche Kritik war vor Wochen der Anlass für Labbadias Wutrede („Am Arsch geleckt“), und auch heute noch hebt er die Stimme, wenn er betont: „Das war eine Beleidigung und eine Frechheit. Mehr, als wir hier für die jungen Spieler tun, kann man kaum machen.“

Die Rahmenbedingungen, da kann man dem früheren Nationalspieler kaum widersprechen, machen das Erreichte wertvoller. Das will er aufzeigen. Dem Umfeld des Vereins, das möglichst lernen soll, die Dinge positiver zu begleiten. „Ich kann die Leute nicht zwingen, aber die Erwartungshaltung hier ist schon sehr hoch“, weiß Labbadia. Und auch den Entscheidern im Verein. „Der Weg, den der VfB geht, ist der gesündere“, sagt Labbadia, „trotzdem muss ich als Verein aufpassen, nicht den Anschluss zu verlieren. Was wir erreicht haben, darf man nicht als Selbstverständlichkeit sehen.“ Es ist eine Warnung. Womöglich eine Drohung.

Am Ende der Saison läuft der Vertrag des Trainers aus. Der Verein möchte verlängern, „wir haben uns schon unterhalten“, bestätigt Sportdirektor Fredi Bobic, der die Zeit mit Labbadia gern knapp beschreibt: „Absolut positiv.“ Eine Einigung steht dennoch aus, weil Labbadia zögert – und beobachtet. Bobic hat den Trainer jederzeit gestärkt, „mehr Wertschätzung gibt es gar nicht“, findet er. Doch Labbadia geht es um mehr: „Ich habe eine Vision. Aber für mich stellt sich die Frage: Welche Vision hat der Verein?“

„Ich habe hier ein Team, mit dem die Arbeit Spaß macht“

Dem Coach geht es darum, die angefangene Entwicklung fortzuführen, aber auch abzusichern. „Um uns oben festzubeißen, brauchen wir Qualität und einen breiteren Kader“, fordert er und bezieht in der Frage nach Kontinuität beim VfB klar Stellung: „Dafür muss auch der Verein sorgen.“

Keine Frage: Labbadia knüpft eine Vertragsverlängerung an Bedingungen – betont aber auch: „Ich habe hier ein Team, mit dem die Arbeit Spaß macht.“ Und in Stuttgart hat sich der Italo-Hesse nach anfänglichen Problemen mit der Kessellage auch eingelebt. Die Menschen hier hätten ihn „mit ihrer Lebensfreude“ überrascht, sagt Labbadia. Aber auch mit ihrer Skepsis – vor allem im Stadion: „Daran muss man sich gewöhnen.“ Oder man wirbt um noch mehr Verständnis.

So wie Labbadia, der sagt: „Wenn ich das nicht mehr tun würde, hätte ich den Glauben an das Projekt VfB aufgegeben.“ Aufgeben allerdings war seine Sache noch nie.