Was bei Kindern hilft, kann bei Fußball-Profis nicht verkehrt sein: Obst immer besser in kleinen Stücken servieren! Foto: fotolia

Psychologen? Ernährungsberater? Was in früheren Zeiten der Fußball-Bundesliga bestenfalls verlacht worden wäre, zählt mittlerweile zum Standard. Der VfB macht da keine Ausnahme mehr.

Stuttgart - Gewiss, die schlimmsten Sünden gehören inzwischen der Vergangenheit an. Rauchende und trinkende Fußball-Profis sind eine aussterbende Spezies. Was nicht heißen soll, dass die Elite-Kicker in Deutschlands Profi-Ligen sämtlich zu Musterknaben mutiert sind. Beim VfB Stuttgart erzählt man sich die Geschichte von Antonio Rüdiger, der einst nach dem Vormittagstraining aus dem letzten Loch pfiff. Auf die Frage des damaligen Trainers Huub Stevens, was er denn gefrühstückt habe, zuckte der zum AS Rom gewechselte Nationalspieler nur unschuldig mit den Schultern: „Nichts.“

Auch als Folge daraus führte der Niederländer das gemeinsame Mannschaftsfrühstück ein. Seit dieser Spielzeit hat der Bundesligist sein Ernährungsprogramm weiter professionalisiert. Mit Philipp Rauscher beschäftigt der Club erstmals einen eigenen Ernährungsberater. Er unternimmt mit den Spielern Ernährungsanalysen, erstellt Pläne und räumt mit Mythen auf: Fett macht Fett? Iwo! Zu viel Eiweiß schadet dem Körper? Genauso falsch!

"Es hat sich schon einiges verändert"

„Hochinteressant“ findet Mittelfeldspieler Daniel Didavi die Zusammenarbeit mit dem Ernährungsguru. „Es hat sich schon einiges verändert zu früher.“ Die Eiweißshakes nach dem Training, um nur ein Beispiel zu nennen. Deswegen treffen Didavi und Co zwar nicht automatisch öfter ins Tor. Aber vielleicht helfen Rauschers Kniffs ja, aus den Spielern das berühmte letzte Prozent herauszuholen, das in der immer dichter zusammenrückenden Spitze im Profi-Fußball oft den Unterschied ausmacht.

„Als ich vor vier Jahren bei Bayer Leverkusen das Thema angehen wollte, bin ich noch auf große Widerstände gestoßen“, erzählt VfB-Sportvorstand Robin Dutt. Heute liegt er mit dem Ernährungsberater voll im Trend. Fast alle Vereine der Bundesliga beschäftigen mittlerweile eigenes Personal, das auf die richtige Dosierung von Kohlehydraten achtet oder darauf, dass das Obst schon geschnitten vorliegt. Apfelschnitz mundgerecht serviert – damit die Spieler auch schön zugreifen!

Rauscher selbst darf nicht über seine Arbeit reden. Dafür sei er noch zu frisch dabei, heißt es vonseiten des Vereins. Gleiches gilt für den zweiten interessanten Neuzugang im Betreuerstab – Teampsychologe Philipp Laux (42). Seine Tätigkeit ist noch geheimnisumwitterter, zählt er doch zum engsten Zirkel um Cheftrainer Alexander Zorniger. Robin Dutt umschreibt das Aufgabenprofil des früheren Bundesliga-Torhüters (SSV Ulm, Borussia Dortmund) wie folgt: „Er ist wie ein Co-Trainer, bei 70 bis 80 Prozent der Spielformen ist er auf dem Platz mit dabei. Mal gibt er einem Spieler nur einen Klaps, mal führt er ein ausführliches Gespräch.“

Mehr Co-Trainer als Psycho-Doc

Psychologie ist für viele im Hochleistungsgeschäft Profi-Fußball noch immer etwas, womit man Krankheiten entdeckt. Dabei stammt von Ex-Hertha-Profi Josip Simunic der Satz: „Jeder Fußballer hat Angst.“ Laux soll diese – sofern vorhanden – den VfB-Kickern nehmen. Dazu bittet er sie aber nicht im Stile eines Psycho-Docs auf die Couch. „Der Umgang mit ihm ist total ungezwungen“, sagt Daniel Didavi. Laux ist eher Motivationshilfe als Krisenintervention. Nach ernsthaften psychischen Krankheiten wird nicht gefahndet.

Doch auch so dürfte es dem Teampsychologen, der zuletzt bei RB Leipzig und Bayern München tätig war, nicht langweilig werden. Nach drei Pleiten zu Saisonbeginn geht vor dem Spiel am 12. September bei Hertha BSC die Angst vor dem kompletten Fehlstart um. Daraus kann schnell eine negative Eigendynamik entstehen, die ihren Anfang im Kopf nimmt.

„Erfolg verbindet Menschen, Misserfolg trennt“, weiß der Mentaltrainer Peter Boltersdorf. „Misserfolg legt die Unterschiede offen, dann gibt es Vorwürfe untereinander, und auf einmal ist aus einer starken Teamsituation eine ganz schwache geworden.“ Der VfB Stuttgart ist anfällig dafür. Das hat die letzte Saison bewiesen, als der ohnehin brüchige Teamgeist durch die Niederlagen zum Auftakt schnell weiteren Schaden nahm.

Aus Sicht von Stefan Reutter wären der VfB und Laux gut beraten, die Vergangenheit nicht auszublenden, sondern aktiv aufzuarbeiten. „Spätestens die Niederlage gegen Eintracht Frankfurt hat bei dem einen oder anderen Spieler sicher alte Muster ausgelöst“, meint der Persönlichkeitstrainer, der in der Jugend selbst bei den Roten gekickt hat. Aus Sicht des Experten ist Philipp Laux als Ex-Profi aber eine gute Wahl. Allerdings gelte auch für ihn, was für alle Psychologen gilt: Bis ins Unterbewusstsein eines Menschen vorzudringen braucht Zeit. Und davon gibt es in der Bundesliga eigentlich nie zu viel.