VfB-Fans, Info-Abend zur geplanten Ausgliederung: Steilpass oder Rückpass? Foto: Baumann

Die Mitglieder des VfB Stuttgart werden entscheiden, ob der Verein in eine Aktiengesellschaft ausgegliedert wird. Das könnte eine Chance sein – und zugleich ein großes Risiko, kommentiert StN-Autor Gunter Barner.

Stuttgart - Noch ist die Partie nicht gelaufen. Aber die Zukunftsplaner beim VfB Stuttgart haben den Ball nach intensiven Aufwärmrunden wieder ins Spiel gebracht: Am 1. Juni werden die VfB-Mitglieder entscheiden: Die Berufsfußballer vom Cannstatter Wasen sollen künftig als Aktiengesellschaft firmieren. Weil sich über den Verkauf von 24,9 Prozent der Anteile ziemlich viel Kapital einsammeln lässt. VfB-Präsident Wolfgang Dietrich und seine Schatzsucher rechnen in den kommenden Jahren mit bis zu 100 Millionen Euro. Das ist viel Geld für einen Verein, der in den vergangenen zehn Jahren mit Missmanagement fast genauso viel durch den Schornstein geblasen hat.

Spitzenfußball als weicher Standortfaktor

Aber was hilft es, die alten Wunden zu lecken, während die Karawane ungerührt weiterzieht? Es ist kein Geheimnis, dass die sieben finanzstärksten Clubs der Bundesliga über Personaletats verfügen, die zwischen 70 und 100 Millionen Euro im Jahr liegen. Vom FC Bayern gar nicht erst zu reden. Der VfB kalkuliert nach dem möglichen Wiederaufstieg mit 50 bis 60 Millionen Euro. Ausnahmen wie der SC Freiburg bestätigen die Regel, spiegeln aber nicht die Ansprüche wider, die der Wirtschaftsraum in und um Stuttgart formuliert. Wer Spitzenfußball als weichen Standortfaktor definiert, als willkommenes Lockmittel der Global Player für hochqualifiziertes Personal, wird sich mit Mittelmaß nicht zufriedengeben.

Der Trend ist nicht neu, wurde durch den Abstieg aber verstärkt: Der Verein für Bewegungsspiele 1893 ist im Wettbewerb der Fußballkonzerne nur mehr ein biederer Handwerksbetrieb – zwar mit Tradition und großer Vergangenheit, aber halt auch einer, der seine Gütesiegel nach der Jahrtausendwende mehr und mehr vernachlässigt hat. Das Wertvollste davon war die Jugendarbeit, die bundesweit als vorbildlich galt. Jetzt muss er den Anschluss an die Konkurrenz wieder herstellen – mit einem Kraftakt, der einige Geduld, kompetentes Personal und wirksame Konzepte erfordert.

Alles auf den Tisch

Die Vereinsbosse planen eine historische Zäsur, die – gemessen an der Entwicklung des Fußballs – durchaus Sinn ergibt. Aber dafür brauchen sie den Vertrauensvorschuss der VfB-Mitglieder. Weshalb Wolfgang Dietrich mit seiner Crew in den kommenden Wochen offen und ehrlich alles auf den Tisch packen sollte, das dazu beitragen könnte, Zweifel zu zerstreuen. Gut zwar, dass Daimler auch in der neuen Struktur mit am Ball sein will. Aber welche Rechte fordert ein Sponsor, der sich seinen Stammplatz in der AG rund 40 Millionen Euro kosten lässt? Wer garantiert, dass die Anteile der Investoren eines Tages nicht in die falschen Hände gelangen? In welche Bereiche und wie genau will der Verein das Geld kurz- und mittelfristig investieren? Wie wird die Nachhaltigkeit der Investments sichergestellt? Und wie muss ein Clubmodell gestrickt sein, das auch in Zukunft zuvorderst jenen Gehör verschafft, die den VfB durch dick und dünn begleiten?

Die Ausgliederung in eine Aktiengesellschaft ist Chance und Risiko zugleich. Sie erhöht die Möglichkeit, den VfB Stuttgart zu neuen Erfolgen zu führen, eine Garantie ist sie nicht. Die Mitglieder müssen entscheiden. So oder so. Steilpass oder Rückpass.

gunter.barner@stuttgarter-nachrichten.de