Mit Wucht und Technik: VfB Stuttgart-Spieler Erwin Waldner in den sechziger Jahren Foto: Baumann

Den Okocha-Trick beherrschte er schon in den fünfziger Jahren – und noch mehr. Erwin Waldner war bis heute einer der besten VfB-Stürmer – er starb im Alter von 82 Jahren.

Stuttgart - Eigentlich hätte es Erwin Waldner als Verstoß gegen das Urheberrecht werten können, als Jay-Jay Okocha in den neunziger Jahren mit einem Trick in die Geschichte einging, den die gehobene Fußballschule bis heute nach dem Frankfurter Stürmer benennt. Doch er lächelte nur und sagte leise: „Ich hab’ den Ball dann auch noch volley ins Tor gedroschen.“

So war er immer: bescheiden zwar, aber irgendwie auch selbstbewusst. Ehrgeizig natürlich, ohne jedoch egoistisch zu sein. Keiner dieser neuzeitlichen Selbstdarsteller eben, die sich mit einstudierten Posen vor dem Publikum zum Affen machen.

Erwin Waldner zelebrierte den Heber mit der Hacke schon, als Okocha noch gar nicht geboren war. Weil aber in den 50er Jahren solche Kabinettstückchen noch ein exklusives Erlebnis für die Stadionbesucher waren, hielt sich der Rummel um den schwäbischen Rastelli in Grenzen.

„Erwin, du spielst“

„Wissen Sie“, sagte er einmal, „uns hat das Fernsehen nicht gezeigt, nur weil wir uns mal die Nase geputzt haben. Und das war auch gut so.“ Wer ihn jemals spielen sah, wird entgegnen: „Schade ist es aber schon!“ Wie anders wäre die Karriere des jungen Burschen aus Neckarhausen verlaufen, hätten schon damals die Medien dem Fußball jene Aufmerksamkeit gewidmet, die ihn heute als Teil der Freizeit- und Unterhaltungsindustrie inszeniert.

Erwin Waldner war der Benjamin im Team, als ihm am Morgen des 17. April 1954 sein Trainer Georg „Schorsch“ Wurzer die Hand auf die Schulter legte: „Erwin, du spielst.“

Es war das Endspiel um den DFB-Pokal gegen den 1. FC Köln. Als er aufs Feld lief, zeigten die 50 000 im Ludwigshafener Stadion auf den 21-Jährigen und tuschelten: „Mutig, der Wurzer.“ Die Platzhirsche aus den VfB-Meistermannschaften von 1950 und 52 musterten den Nachwuchsstürmer mit skeptischen Blicken. Nach dem Spiel klopften sie ihm die Schultern platt: Robert Schlienz, Erich Retter, Kalli Barufka.

„Mit einem harten Schuss traf ich ins lange Eck"

Waldner hatte in der Verlängerung beim Stand von 0:0 den Ball links im Strafraum mit dem rechten Fuß angenommen. „Dann konnte ich die Kölner Abwehrspieler mit einer Körpertäuschung auf den falschen Fuß stellen. Mit einem harten Schuss traf ich ins lange Eck“, schilderte er den entscheidenden Treffer.

Nicht vom Kölner Wunderstürmer Hans Schäfer war nach Spielschluss die Rede, sondern von dem pfeilschnellen Waldner, dem der Ball so sehr am Fuß klebte, als sei er mit ihm verwachsen. Auch vier Jahre später, beim legendären 4:3-Erfolg (n.V.) im Pokalfinale gegen Fortuna Düsseldorf, zählte Waldner zu den Torschützen.

14-mal trug er das Nationaltrikot

In 277 Spielen im weiß-roten Trikot schoss er 97 Tore. 14-mal trug er das Nationaltrikot. Bei Sepp Herberger hatte er aber einen schweren Stand – weil andere Stürmer beim „Chef“ eine stärkere Lobby hatten. Als dessen Nachfolger Helmut Schön 1964 den aus Italien zurückgekehrten Künstler für die besonderen Momente wieder nominieren wollte, lehnte er ab. „Wer net will, hat gehabt!“

Nach dem Karriereende führte Waldner, verheiratet, zwei Söhne, das Ausflugslokal Burrenhof auf der Schwäbischen Alb nahe dem Hohenneuffen. Am Samstag starb er, geschwächt von der Parkinson-Krankheit, die er über viele Jahre tapfer ertrug.

Erwin Waldner war einer der Künstler für die besonderen Momente des Spiels. Als solcher wird er unsterblich bleiben.