Antonio Rüdiger – für das Pokalfinale kehrt er in seine Heimatstadt Berlin zurück Foto: dpa

Für Antonio Rüdiger, den Abwehrspieler des VfB Stuttgart, ist das Finale gegen den FC Bayern etwas ganz Besonderes: „Es ist ein Endspiel in der Stadt, in der ich aufgewachsen bin. In meiner Stadt.“

Stuttgart - Für die einen ist es die Chance, eine bescheidene Saison zu etwas Besonderem zu machen. Für andere ist es das erste große Finale ihrer Karriere. Und für einige ist das Endspiel im DFB-Pokal an diesem Samstag in Berlin einfach nur ein einmaliges Erlebnis. Für Antonio Rüdiger, den Abwehrspieler des VfB Stuttgart, ist das Finale gegen den FC Bayern all das zusammen – und noch viel mehr: „Es ist ein Endspiel in der Stadt, in der ich aufgewachsen bin. In meiner Stadt. Das ist was ganz Besonderes.“

Antonio Rüdiger ist selten zu bremsen, wenn er mit Begeisterung von etwas spricht. Geht es um den Endspielauftritt im Berliner Olympiastadion, wirkt er noch viel aufgedrehter als sonst. Man hat fast den Eindruck: Der Junge kann sein Glück kaum fassen – als Finalteilnehmer in seine Heimat zurückzukehren. Die er als Teenager verlassen hat.

Sein Vater stammt aus Deutschland, die Mutter aus Sierra Leone

Der Migrationshintergrund, die dunkle Hautfarbe, Berlin-Neukölln – wer in Klischees denkt, könnte Antonio Rüdiger schnell in eine Schublade stecken mit all jenen Jugendlichen, die im Berliner Problembezirk aufgewachsen und schließlich auf die schiefe Bahn geraten sind. Es gibt sie zuhauf – Antonio Rüdiger aber versichert: „Ich hatte eine ganz normale Kindheit. Meine Eltern sind zwar nie die reichsten gewesen, aber uns Kindern hat es an nichts gefehlt.“

Sein Vater stammt aus Deutschland, die Mutter aus Sierra Leone, vier Schwestern, ein Bruder – das ist Rüdigers Familie, „die gerade in solch einem Bezirk eine besondere Rolle spielt“. An diesem Samstag sitzen sie alle im Stadion, wenn der 20-Jährige zum Endspielkader des VfB gehört oder gar zum Einsatz kommt. Und wenn eine Fußballerlaufbahn ihren vorläufigen Höhepunkt findet, die vor 13 Jahren nur wenige Kilometer vom Olympiastadion ihren Ursprung hatte.

Als Siebenjähriger beginnt Antonio Rüdiger beim VfB Sperber Neukölln, zwei Jahre später geht er zu Tasmania Berlin, dann zu den Neuköllner Sportfreunden, bei Hertha Zehlendorf schließlich werden die Grundlagen gelegt für die Profikarriere. Wie einst bei Pierre Littbarski, Christian Ziege oder Carsten Ramelow. „Das ist der Verein, in dem ich bis dahin am meisten aus mir gemacht habe“, erinnert sich Rüdiger. Es ist auch der Verein, in dem andere seinen Weg positiv beeinflusst haben.

Künftig will Rüdiger wieder positivere Schlagzeilen produzieren

An Michael Stüwe-Zimmer, den heutigen Hertha-Geschäftsführer, hat Rüdiger gute Erinnerungen, noch bessere an Markus Plog, seinen ehemaligen Trainer. „Er hat mir klargemacht, wofür ich mich entscheiden soll“, sagt Rüdiger. Der Jugendcoach, von Beruf Kriminalhauptkommissar, zeigte seinen Schützlingen auf, wohin eine kriminelle Laufbahn führen kann: in zwei Jahren in den Knast. Spätestens da war für Antonio Rüdiger, der zugibt, als Teenager eine kritische Phase durchlebt zu haben, klar: „Ich will den geraden Weg gehen.“ Der führt ihn als 15-Jährigen in die Jugendabteilung von Borussia Dortmund. „Es hat mir gutgetan, in ein neues Umfeld zu kommen“, sagt Rüdiger, der im Februar 2011 zum VfB wechselte – zu dem Verein, mit dem er nun zurückkehrt und etwas Neues erlebt: die Stimmung in der Stadt während des Finalwochenendes.

Zwar gingen in den 15 Jahren, die Antonio Rüdiger in Berlin lebte, die Finalspiele in der Hauptstadt über die Bühne, allerdings ohne dass der Nachwuchskicker Notiz davon genommen hätte. Als Kind nicht – und auch nicht später als Jugendlicher. „Ich habe da immer selbst gekickt und nicht viel von den Endspielen mitbekommen“, erinnert er sich. Umso intensiver wird das Erlebnis am Samstag – vor allem dann, wenn er in der Startelf stehen sollte.

Ob es dafür reichen wird? Das steht in den Sternen. Der VfB-Jungspund glaubt jedenfalls an seine Chance: „Ich will mich im Training anbieten“, sagt Rüdiger – wohl wissend, dass er zuletzt nicht nur Pluspunkte gesammelt hat. Im Bundesligaspiel gegen Greuther Fürth (0:2) ließ er sich zu einer Unsportlichkeit hinreißen, sah Rot und wurde für drei Spiele gesperrt. „Das war eine dumme Aktion, dafür muss ich mich entschuldigen“, sagt Rüdiger und gelobt Besserung: „Das war ein Denkzettel für mich und wird nicht wieder vorkommen.“ Künftig will er wieder positivere Schlagzeilen produzieren.

Zum Beispiel mit einem Pokalsieg in seiner Heimatstadt.