Cottbus-Trainer Eduard Geyer nach dem verlorenen Pokalfinale 1997 gegen den VfB Stuttgart. Foto: dpa

Der ehemalige Trainer von Energie Cottbus, Eduard Geyer, spricht im Interview über die Neuauflage des Endspiels von 1997 zwischen Cottbus und dem VfB Stuttgart und die Entwicklung der beiden Fußball-Clubs.

Herr Geyer, Energie Cottbus spielt wieder gegen den VfB Stuttgart im DFB-Pokal – und das 20 Jahre nach dem großen Finale in Berlin. Was kommt Ihnen als Erstes in den Sinn, wenn Sie ans Endspiel vom 14. Juni 1997 denken?
Ach herrje, als Erstes denke ich daran, dass wir vor dem Finale einen großen Fehler gemacht haben. Wir sind zu früh nach Berlin gereist.
Warum denn das?
Wir als kleiner Drittligist aus der Lausitz waren so einen großen Rummel am Tag vor einem DFB-Pokalfinale nicht gewohnt. Großer Trubel in der Stadt, Pressekonferenzen hier, Interviews dort, damit konnten wir nicht so recht umgehen. Wir hätten die 75 Minuten mit dem Bus von Cottbus nach Berlin besser am Samstag, also am Spieltag, absolvieren sollen, und nicht vorher. Der ganze Trubel hat uns nicht gutgetan.
Der VfB gewann dann durch zwei Tore von Giovane Elber mit 2:0. Hatten Sie irgendwann mal das Gefühl, dass mehr drin gewesen wäre für den FC Energie?
Ja! Kurz nach der Pause ist Detlef Irrgang alleine aufs VfB-Tor zugelaufen, hat aber leider nicht getroffen. Es wäre das 1:1 gewesen – wenn du als großer Favorit wie es damals der VfB war merkst, dass etwas gegen den Außenseiter nicht nach Plan läuft, dann wirst du nervös. Es ist leider nicht passiert. Aber wenn ich zurückdenke, überwiegt natürlich das Positive. Als Drittligist im Pokalfinale im Olympiastadion zu stehen, das ist einmalig. Und wissen Sie was?
Bitte.
Helene Fischer hat damals auch noch nicht in der Pause gesungen, das waren noch Zeiten (lacht).
2017 ist vieles anders als 1997 – der DFB bucht einen Schlagerstar fürs Rahmenprogramm im Pokalfinale, und der VfB ist kein Spitzenclub der Bundesliga mehr, sondern ein Aufsteiger. Hat der FC Energie an diesem Sonntag also eine Chance auf eine Überraschung?
Also ich wohne ja mit meiner Familie in Dresden, und da habe ich den VfB zuletzt in der zweiten Liga gesehen.
Dynamo gewann sein Heimspiel in der vergangenen Saison mit 5:0.
Wenn die Stuttgarter jetzt wieder so spielen, dann kommt Energie sicher weiter (lacht). Aber im Ernst: Damals, im Finale 1997, sind wir gerade in die zweite Liga aufgestiegen, da war es im Vergleich zum VfB ein Klassenunterschied. Jetzt ist Energie in der vierten Liga, und deshalb es ist jetzt wahrscheinlich schon ein Zweiklassenunterschied.
Wie kann man als Außenseiter eine Sensation schaffen? Sie haben es ja 1997 vorgemacht, als Sie auf dem Weg ins Finale unter anderem den KSC rausgeworfen haben, der damals in der ersten Liga auch oben mitspielte.
Es muss alles passen – die Fitness, die Leidenschaft und vor allem die taktische Disziplin. Die kann manchmal Berge versetzen. Aber wenn der VfB am Sonntag Normalform erreicht, dürfte nichts schief gehen.
Wie nehmen Sie den VfB allgemein wahr?
Es war schon beeindruckend, wie viele Zuschauer in der zweiten Liga immer ins Stadion gekommen sind. Der Verein hat ein riesiges Potenzial – vom Zuschauerzuspruch her und auch was die Wirtschaftskraft in der Region angeht. Es ist ein Traditionsverein, der jetzt wieder da ist, wo er hingehört. Der VfB ist sicher eine Bereicherung für die Bundesliga. Es gibt aber auch Dinge, die mir negativ aufgefallen sind.
Welche?
Sicher gab es in den vergangenen Jahren verschiedene Probleme auf der Führungsebene und oft Unruhe im Verein. Aber die Leistung und die Bereitschaft dazu muss trotz allem immer vom Team auf dem Platz kommen. Und da hat es oft nicht gepasst. Ich hatte bei den Spielern des VfB des Öfteren den Eindruck, dass sie mal einen Tritt in den Hintern brauchen. Die haben was zu essen und zu trinken und sind zufrieden mit sich und dem Leben, so scheint es. Denen fehlte in den vergangenen Jahren oft der nötige Biss und der letzte Wille, um Erfolg zu haben.
Den hatte auch der FC Energie zuletzt nicht. Zu Ihrer Zeit als Trainer war der Club von 2000 bis 2003 erstklassig, später noch einmal von 2006 bis 2009. Dann ging es bergab, jetzt spielt der Verein in der viertklassigen Regionalliga Nordost. Sie beobachten Ihren Ex-Club weiter genau. Was ist da zuletzt alles schief gelaufen?
Energie war ja von 2009 bis 2014 noch in der zweiten Liga, der Abstieg in die dritte Liga hätte damals nie und nimmer passieren dürfen. Sie haben viel zu lange am damaligen Trainer Stephan Schmidt festgehalten, obwohl der das Team nicht mehr vorangebracht hat. Dann kommt alles zusammen: Probleme und Unruhe in der Vereinsführung bei einem Club, der ja finanziell noch nie auf Rosen gebettet war. Dann die dritte Liga, in der du viel weniger Fernseheinnahmen als in der zweiten bekommst, der finanzielle Aufwand mit der Reiserei aber mindestens genausogroß ist – da hängst du wieder unten drin und steigst plötzlich noch mal ab.
Energie verpasste in der vergangenen Saison den Wiederaufstieg knapp, jetzt ist der Regionalliga-Start mit drei Siegen aus drei Spielen geglückt. Der Trainer Claus-Dieter „Pelé“ Wollitz ist ein bekannter, hochemotionaler Charakterkopf, der schon höherklassig arbeitete. Was halten Sie von ihm?
Wenn er den Aufstieg schafft, ist er ein guter Trainer. Wenn nicht, dann nicht. So einfach ist das.
Sie schätzen seine Arbeit nicht?
Doch, doch. Ich halte nur die gesamte Konstellation ein bisschen für problematisch. Wollitz kam in der Abstiegssaison als Retter und hat den Klassenverbleib nicht gepackt. Und dieser Trainer soll dann für den Neuanfang stehen und den Club nach oben führen. Das halte ich prinzipiell für schwierig.
Ein großes Problem, das den FC Energie beschäftigt, sind die Machenschaften von Hooligans und Rechtsextremisten im Umfeld des Vereins. Nach Erkenntnissen des Brandenburger Innenministeriums sind mehr als 200 Energie-Anhänger gewaltbereit oder gewaltsuchend. Wie nehmen Sie die Problematik wahr?
Mich stört bei der ganzen Sache, dass die Politik immer versucht den Vereinen die Schuld zuzuweisen. Oft passiert die Randale außerhalb der Stadien, und da können die Clubs wenig machen. Die Politik ist bei der Gewaltprävention oft schlafmützig und schiebt den Clubs den Schwarzen Peter zu.
Einige Hooligans richteten ihre Attacken sogar auch gegen andere Energie-Anhänger. Besonders die Gruppe „Inferno“ wollte so die Kontrolle über die Fankurve an sich reißen – sie ist nun aufgrund eines drohenden Vereinsverbotes aufgelöst. Die Stimmung ist aber weiter angespannt. Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) kritisierte, Energie habe in den vergangenen Jahren nicht auf Hinweise der Behörden reagiert.
Genau das meine ich. Die Politik will sich reinwaschen und die Vereine für alles verantwortlich machen. Das geht so nicht. Denn für die Clubs ist vieles unlösbar. Für die Sicherheit außerhalb der Stadien, dort also, wo so viel passiert, ist die Politik zuständig. Und nicht der Verein. Dazu macht Energie ja viel für die Gewaltprävention. Die Vereinsführung distanziert sich deutlich von den Hooligans und will unter anderem eine hauptamtliche Stelle für Vielfalt und Toleranz schaffen.
Im Idealfall und hoffentlich auch an diesem Sonntag steht der Fußball im Mittelpunkt. Werden Sie zum 20-jährigen Finaljubiläum im Spiel gegen den VfB im Stadion sein?
Leider nicht. Ich habe eine Einladung von Energie bekommen und wäre gerne gekommen. Aber der Familienurlaub an die Ostsee war schon vor der Auslosung gebucht. Manchmal muss man halt Prioritäten setzen. Aber ich werde am Strand sicher die Daumen für Cottbus drücken.