Zwei Talente im Kreis der VfB-Bundesligaprofis: Jerome Kiesewetter (vorne links) und Marvin Wanitzek (re.) Foto: Pressefoto Baumann

Trotz prekärer Lage in der Liga setzt der VfB geplante Veränderungen in Struktur und Tagesgeschäft um. Wichtigste Aufgabe dabei: Die Verzahnung der einzelnen Mannschaften.

Stuttgart - Einer breiten Öffentlichkeit war Marvin Wanitzek bisher nicht sonderlich bekannt. Seit Samstag ist das anders. Da stand der 21-Jährige am Spielfeldrand der Mercedes-Benz-Arena – und galt nach der Partie des VfB Stuttgart gegen Eintracht Frankfurt gerade deswegen als Hingucker, weil er dann doch nicht eingewechselt worden war. Statt der Hereinnahme des Talents gab es das 1:1, dann das 2:1, hinterher noch das 3:1. Dann kam Abwehrspieler Daniel Schwaab, um das Ergebnis zu sichern. Und Wanitzek war der Gelackmeierte.

Könnte man meinen, schließlich hatte der Mittelfeldspieler denkbar knapp sein Bundesligadebüt verpasst. Robin Dutt aber sagt: „So, wie es gelaufen ist, ist das unsere Idealvorstellung.“ Nicht, dass der Sportvorstand des VfB seinem Nachwuchskicker den Einsatz im Oberhaus nicht gegönnt hätte, was Dutt zufrieden stimmte, war vielmehr die Reaktion, die Wanitzek am Tag danach gezeigt hat. Da kickte er mit dem VfB II in der dritten Liga – und war mit einem Treffer und einer Torvorlage maßgeblich am Erfolg gegen Arminia Bielefeld beteiligt.

„Andere wären vielleicht enttäuscht gewesen“, sagt Dutt, „Marvin aber hat all das verkörpert, was auch in der Bundesliga gefordert gewesen wäre.“ Das zweite Tor gegen den Spitzenreiter der dritten Liga erzielte übrigens Jerome Kiesewetter, der eine Woche zuvor noch im Bundesligakader gestanden hatte. Zwei starke Auftritte – und zwei Beispiele für das neue VfB-Denken.

Die Verzahnung zwischen den einzelnen Mannschaften ist mit das wichtigste Thema, dem sich Dutt seit seinem Amtsantritt verschrieben hat. Und trotz der prekären Lage in der Bundesliga sieht er bereits Fortschritte. „Die Verzahnung klappt sehr gut“, sagt der Sportvorstand. Rainer Adrion, Sportlicher Leiter U 17 bis U 23, bestätigt: „Das war schon meine Richtung, als ich zum VfB zurückgekommen bin, Robin Dutt hat dann noch mal eindeutige Akzente gesetzt.“

Der Austausch: unabhängig von Ergebnissen und Tabellen

In dieser Woche wird die gelebte Durchlässigkeit zwischen Bundesliga, dritter Liga und Junioren wieder auf dem Trainingsplatz zu sehen sein. Weil zahlreiche Nationalspieler auf Reisen sind, werden mindestens ebenso viele Nachwuchskräfte ins Training der ersten Mannschaft integriert. Doch die Ausnahme ist längst die Regel. „Ich versuche, den Jungen eine Chance zu geben“, sagt Huub Stevens, der als Cheftrainer eigentlich andere Sorgen haben könnte, als Talente zu integrieren. Doch Dutt sagt eben auch: „Dieser Austausch muss unabhängig von Ergebnissen und Tabellen stattfinden.“ Was Stevens nicht weiter schwerzufallen scheint.

Regelmäßig war der Coach bereits bei Partien der U 23 zu Gast, auch Jugendspiele hat er sich schon angeschaut. „Das ist nicht einfach in unserer Situation“, sagt Stevens, „aber wir tauschen uns immer darüber aus, welches Talent für uns infrage kommt.“ Entsprechend lang ist die Liste derer, die bereits unter dem Cheftrainer gearbeitet haben: Odisseas Vlachodimos, Kiesewetter, und Wanitzek sind regelmäßig dabei. Benjamin Uphoff, Steffen Lang, Stephen Sama, Mart Ristl, Arianit Ferati, Marius Funk, Adrian Grbic, Sven Ullrich, Philipp Köhn und Ken Gipson durften auch schon reinschnuppern. „Das muss Bestandteil unserer täglichen Arbeit sein“, sagt Dutt.

Alle zwei Wochen wird über Kaderplanungen diskutiert

Dafür hat der Sportvorstand „verschiedene Schnittstellen geschaffen“, wie er sagt. Alle zwei Wochen wird über Kaderplanungen diskutiert – mit allen beteiligten Trainern und sportlichen Leitern. Bei Terminen mit Spielerberatern sitzt nicht nur Dutt am Tisch, die Jugendtrainer bekommen regelmäßig Feedback und Aufgaben, dazu haben die führenden Köpfe des Nachwuchsleistungszentrums entsprechende Kompetenzen erhalten. Über allem aber steht der rege Austausch ohne festen Rahmen. „Wir haben das Prinzip der offenen Türen“, versichert Dutt, der die passenden Personen dafür zu haben scheint.

Er selbst war als Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) an der Schnittstelle zwischen Junioren und Aktiven tätig, Rainer Adrion und Stevens’ Co-Trainer Adrie Koster kennen diese Rolle als ehemalige U-21-Nationalcoaches (DFB und in den Niederlanden) ebenfalls. Die Konstellation stimmt Dutt trotz der sportlichen Probleme in der Bundesliga und bei den A-Junioren also zufrieden. Bleibt die Frage, ob das stete Hin und Her der Entwicklung der Talente auch wirklich zuträglich ist.

„Da gibt es immer ein Für und ein Wider“, sagt Dutt – wohl wissend, dass viele Nachwuchsspieler schnell eine entsprechende Zugehörigkeit zu einem Team vermissen. Auch Adrion bestätigt: „Diese Problematik gibt es.“ Einen Weg, das Risiko zu minimieren, sehen beide aber auch: „Eine klare Linie und eine klare Kommunikation unter den jeweiligen Trainern.“ Und charakterstarke Spieler. Jungs wie Marvin Wanitzek – und andere? Robin Dutt macht jedenfalls Hoffnung: „Wir dürfen zuversichtlich sein.“