Der Gaststättenverband bezeichnet die Vesperkirchen im Land als harte Konkurrenz für

Der Gaststättenverband bezeichnet die Vesperkirchen im Land als harte Konkurrenz für die umliegende Gastronomie. Entspricht dieser Vorwurf der Realität? Wir fragten die Wirte in der Nachbarschaft im Leonhardsviertel. Das Ergebnis: Die Auswirkungen sind gering.

Von Juliane Baumgarten

STUTTGART. Die Vesperkirche in Stuttgart lädt seit dem 17. Januar ein. Das sind gut vier Wochen. Zeit also für den Praxistest. Stimmt das, was der Landesvorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), Peter Schmid, vor dem Start der Vesperkirche gesagt hat: "Es kann nicht sein, dass die Kirchen einen auf ,Ihr Kinderlein kommet" machen und allen Leuten ein Essen für einen Euro anbieten!" Genauer gesagt, zahlt man 1,20 Euro für ein Mittagessen, am Nachmittag gibt es kostenlose Vesperbeutel. Sind die Kirchen also billige Konkurrenz zu Gaststätten? Schaden sie deren Geschäft? Wir haben die gefragt, die es wissen müssen, und waren bei allen Gastwirtschaften, die zu Fuß in etwa drei Minuten von der Vesperkirche erreichbar sind und einen Mittagstisch anbieten.

Das Ergebnis ist eindeutig: In den sechs umliegenden Cafés und Gasthäusern sind keinerlei Auswirkungen durch die Vesperkirche zu erkennen. "Unser Umsatz ist völlig unabhängig von der Vesperkirche", versichert die Wirtin vom Brunnenwirt.

Hier gibt es Mittagstisch zwischen sieben und neun Euro. Auch nebenan im BohnenCafé, das zur Caritas gehört, kann man keine Umsatzrückgänge durch die angebliche Konkurrenz in der Leonhardskirche ausmachen. "Die Vesperkirchengäste haben wenig Geld. Das ist nicht die Klientel, die essen geht", sagt Daniela Marx vom Bohnen-Café. Nur ihre Toilette werde öfter benutzt als sonst, erzählt Marx und schmunzelt. Den Vorwurf des Gaststättenverbands kann sie nicht nachvollziehen: "Die Vesperkirche spricht Hilfsbedürftige an. Es handelt sich dabei um ein christliches Werk."

Das sieht die Inhaberin des Café Nast ähnlich. Dort gibt es einen Mittagstisch für 7,95 Euro. "Ich sehe keinen Zusammenhang zwischen unserem Umsatz und der Vesperkirche", sagt Bettina Kaspar und betont: "Es sollte den Leuten gegönnt sein, wenn sie sich bei der Kälte in der Vesperkirche aufwärmen können und etwas Warmes zu essen kriegen." Die Besucher der Vesperkirche könnten sich die Preise in ihrem Laden gar nicht leisten.

Und wie sieht es in der Vesperkirche aus? Stehen dort Beschäftigte aus Büros, Banken und Läden Schlange, um günstig mittagessen zu können? Dies fürchtet Schmid ja offenbar, weshalb er die Kirchen sogleich aufgefordert hat, darauf zu achten, dass nur Bedürftige das Essen bekommen. Nicht ganze Bürogruppen, die eine billige Mahlzeit wollten. "Ich suche die angeblichen Heerscharen an Krawattenträgern bisher vergeblich", sagt Diakoniepfarrerin Karin Ott, Leiterin der Vesperkirche. Die Kritik sei an "den Haaren herbeigezogen", versichert die Theologin.

Ihre Mitstreiterin Eva-Brigitte Widmann, die als ehrenamtliche Helferin schon seit Beginn der Vesperkirche mit dabei ist, stellt klar: "Niemand kommt hierher, der der Gastronomie als Kunde verloren geht. Wer das behauptet, ist sicher noch nie in der Vesperkirche gewesen."

Inzwischen rudert auch der Dehoga zurück und ist um Schadenbegrenzung bemüht. So erklärt Pressesprecher Daniel Ohl: "Wir haben uns mit der Diakonie getroffen. Die Missverständnisse und Irritationen sind ausgeräumt worden."

Man wolle mit den Kirchen im Dialog bleiben. Zudem kann der Dehoga die Umsatzeinbußen nicht belegen. "Die Umsatzrückgänge können wir nicht pauschal quantifizieren", räumt Ohl ein. Dennoch bleibt er dabei: "Auswirkungen gibt es schon. Sonst hätte es vonseiten der Gastronomen auch keine Klagen gegeben." Zudem wünscht sich Ohl, dass die Veranstalter der Vesperkirchen für dieses Thema sensibilisiert sind. Denn: "Auch unsere Mitarbeiter brauchen Unternehmen, die profitabel arbeiten."

Ob die Vesperkirchen sie davon aber abhalten, bleibt fraglich. Für Bettina Kaspar und die anderen Wirte in der Umgebung der Leonhardskirche ist klar: Sie haben nichts gegen die angebliche Konkurrenz, im Gegenteil.