Die 22. Vesperkirche öffnet ihre Pforten Foto: Lichtgut/Achim Zweygarth

Zum Auftakt der 22. Vesperkirche prangert Diakonie-Pfarrerin Ott das soziale Gefälle in Stuttgart an. Sie nennt es einen „Skandal“.

Stuttgart - Es ist genug für alle da. Unter dieses Motto hat Vesperkirchen-Pfarrerin Karin Ott die kommenden sieben Wochen in Leonhardskirche gestellt. Von diesem Sonntag an soll sich die Vesperkirche bis zum 5. März „in einen Ort gemeinsamen Lebens verwandeln“. Weiter sagt Ott: „Hier sollen Menschen, die unterm Jahr den Cent x-mal umdrehen müssen, Gemeinschaft, Respekt und Wertschätzung erfahren.“

Laut Karin Ott hat sich die Zahl jener Menschen, die diese Zuwendung nötig haben, auf einem hohen Niveau verfestigt. „Und das in einer Welt, die eigentlich gesegnet mit materiellen Gütern und Gaben ist“, kritisiert Ott und bricht das Ganze auf Stuttgart herunter. Sie nennt das Gefälle zwischen arm und reich in dieser Stadt „einen Skandal“ und rechnet vor: Etwa 48 000 Stuttgarter bekommen Hartz IV oder Sozialhilfe. Auch die Alterarmut steigt: In den vergangenen zehn Jahren ist der Anteil jener, die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beziehen, von 5754 auf 8205 angestiegen. „Deprimierend ist“, so Karin Ott, „das rund 50 Prozent dieser Menschen auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance mehr hat.“

Altersarmut nimmt zu

Die sozial Schwachen sind damit oft Gefangene eines Systems, in dem laut Dekan Klaus Käpplinger oft nur der Recht bekäme, der es sich leisten können: „Das Sozialrecht ist eines der kompliziertesten Gesetzeswerke, das wir kennen.“ Nicht nur Menschen in Not seien damit überfordert. Aus diesem Grund bieten während der Vesperkirchenzeit zwei Rechtsanwälte eine Sozialrechtsberatung an. „Sollte der Pilotversuch erfolgreich verlaufen“, sagt Käpplinger, „denken wir darüber nach, die Beratung das ganze Jahr anzubieten.“

Das bürgerschaftliche Engagement der Anwälte steht stellvertretend für die Hilfsbereitschaft vieler Stuttgarter. In diesem ist die Zahl der ehrenamtlichen Helfer um 100 Personen auf 800 gestiegen. Sogar die Spieler des Fußball-Bundesligisten VfB Stuttgart wollen dieses mal mit anpacken.