Der frühere Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust soll nach dem Willen von Grünen und SPD Auskunft im Landtag geben Foto: dpa

Der frühere Spiegel-Chefredakteur soll in der NSU-Enquetekommission des baden-württembergischen Landtags befragt werden.

Der frühere Spiegel-Chefredakteur soll in der NSU-Enquetekommission des baden-württembergischen Landtags befragt werden.

Stuttgart - Um „Konsequenzen aus der Mordserie des Nationalsozialistischen Untergrunds NSU“ zu ziehen, möchten Abgeordnete und ihre Experten „Zeugen laden“, auch wenn die möglicherweise die „Aussage verweigern“ könnten. Und einen „Regierungsbericht“ hätten sie auch gerne.

Sprachlich befinden sich viele Parlamentarier Baden-Württembergs im Modus „Untersuchungsausschuss“. Gebildet haben sie aber nur eine Enquetekommission. Also eine Arbeitsgruppe, die aus Abgeordneten aller Fraktionen und sachkundigen Bürgern gebildet wird. Die sollen gemeinsam Empfehlungen für die politische Arbeit erarbeiten. Und können eben keine „Zeugen laden“. Die dann auch noch – wie in einem Gerichtsverfahren – die Wahrheit sagen müssten. Deshalb spricht der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages davon, dass eine Enquetekommission „Auskunftspersonen einlädt“.

Ob die dann der Einladung folgen und wahrheitsgemäß auf Fragen antworten, bleibt den „Auskunftspersonen“ selbst überlassen. Im Gegensatz zu einem Untersuchungsausschuss hat eine Enquete kein Recht, Zeugen vorführen oder sich Akten von Gerichten und anderen Landtagen aushändigen zu lassen. Eine Enquetekommission, hat der Staatsrechtler Hans-Herbert von Armin es einmal auf den Punkt gebracht, „darf nur bitten“.

Auch deshalb sorgten Baden-Württembergs NSU-Aufklärer in ihrer ersten öffentlichen Sitzung für Verwirrung, weil sie fortwährend von einem „Regierungsbericht“ sprachen, den ihnen die Landesregierung bis zum September vorlegen soll. In einem solchen Bericht müssen eine Landesregierung und die zuständigen Ministerien den Fragenkatalog eines Untersuchungsausschusses beantworten. So musste das Kabinett von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) im April einen Regierungsbericht dem Untersuchungsausschuss vorlegen, der sich mit der gewaltsamen Räumung des Schlossgartens im Herbst 2010 beschäftigt.

In ihrem ersten Antrag „ersucht“ die Enquetekommission die grün-rote Landesregierung, auf ihren elf Fragen umfassenden Fragenkatalog zu antworten. Liegt ein solcher Bericht im September vor, wollen Grüne und SPD die beiden Buchautoren und Journalisten Stefan Aust und Dirk Laabs zur mutmaßlichen Mordserie des NSU befragen. In ihrem Buch „Heimatschutz“ werfen die beiden den deutschen Sicherheitsbehörden vor, bei der Fahndung nach den wahrscheinlichen Rechtsterroristen Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos versagt zu haben. Aust und Laabs glauben zudem, in verschiedenen Verfassungsschutzämtern seien nach dem Auffliegen der Rechtsradikalen mindestens 360 Akten mit Bezügen zum NSU vernichtet worden.

Von den beiden Reportern erhofft sich SPD-Obmann Nikolaos Sakellariou, sie „können helfen, Widersprüche herauszuarbeiten“, die zwischen ihrem Buch und dem erbetenen „Regierungsbericht“ auftauchen könnten. Zumal die Arbeitsgruppe den Auftrag habe, „in die Öffentlichkeit zu wirken“, um so Verschwörungstheorien entgegenzutreten. Das sehen CDU und FDP anders. Man wolle, sagte Christdemokrat Matthias Pröfrock, „nicht zu einer Lesestunde über Buch“ beitragen. Der Ulrich Goll (FDP) befürchtet eine „verkauffördernde Show“ der Journalisten. Dann könne man die Kommission auch gleich in einen „Ausschuss für Verschwörungstheorien umbenennen“.

Das Gremium will auch am 22. September öffentlich tagen. Erst einmal – denn Kommissionschef Willi Halder (Grüne) forderte den Vertreter des Innenministeriums auf, der möge einen Hinweis geben, wenn „etwas nicht öffentlich sein muss“.